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„Wir vermissen schmerzlich die Kinder“

Station Junger Naturforscher und Techniker Weißwasser setzt als Überbrückung in der Corona-Zeit auf digitale Angebote.

Von Andreas Kirschke
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Bernd Frommelt (rechts), der Leiter der Station Junger Naturforscher und Techniker in Weißwasser, und Mitarbeiter Karsten Proft wünschen sich wieder mehr Kinder.
Bernd Frommelt (rechts), der Leiter der Station Junger Naturforscher und Techniker in Weißwasser, und Mitarbeiter Karsten Proft wünschen sich wieder mehr Kinder. © Andreas Kirschke

Kinderlachen erfüllt sonst die Station Junger Naturforscher und Techniker Weißwasser mit Leben. Schüler verschiedener Altersstufen kommen in den AGs, Projekten und Camps zusammen. Jetzt aber vermissen die Mitarbeiter die Kinder. „Kein noch so gutes Online-Angebot kann die direkte Begegnung miteinander ersetzen“, unterstreicht Leiter Bernd Frommelt. Über den Umgang mit Corona, Inhalte 2021 sowie langfristige Vorhaben und Ziele sprach TAGEBLATT mit dem Stationsleiter.

Herr Frommelt, bremst Corona im Moment die Kinder- und Jugendarbeit in der Station aus?

Ja. Ganz massiv. 2020 gab es von März bis Mai den harten Einschnitt. Jetzt seit November 2020 die erneute Unterbrechung. Derzeit ruhen alle unsere zehn AGs. Das ist sehr schmerzhaft – für die Kinder, für die Eltern und für die ehrenamtlichen AG-Leiter und natürlich auch uns. Lediglich die AG Digitaltechnik unter Leitung von Randolf Rotta kann noch stattfinden, als reine Online-Veranstaltung.

Wie überbrücken Sie jetzt die Zeit?

Wir setzen verstärkt auf Online-Angebote. Auf unserer neu entstandenen Internetseite (hier) finden die Schüler Rubriken wie „Experiment der Woche“ und „Aufgabe der Woche“ vor, ebenso naturwissenschaftliche Themen, technische Themen, Quizfragen und Rätsel, auch kurze Film-Clips zu unseren Projekten. Die Inhalte werden stetig erneuert. Auf unserer Facebook-Seite haben wir Filmsequenzen von einem Nistkasten präsentiert. Die Kinder können sich an brütenden Meisen und schließlich dem Schlüpfen der Jungen erfreuen.

Nicht alle Schüler sind bereits digital ausgestattet und gerüstet für die Online-Angebote der Station. Wird die Station dadurch auch Schüler verlieren?

Die Gefahr besteht durchaus. Nicht jeder hat ein Smartphone oder einen Laptop zu Hause. Das zeigt uns unausweichlich: Kein noch so gutes Online-Angebot kann die Begegnung, kann das Miteinander der Kinder ersetzen. Wir werden hart arbeiten müssen, um diese „verlorenen“ Kinder wieder für die Station zurückzugewinnen.

Wie organisiert die Station in der schwierigen Zeit die Projekte?

Wir müssen sie notgedrungen aussetzen. Unsere Pädagogen Andrea Platzk und Torsten Löffler betreuen zum Beispiel das Projekt „Unsere Welt heute und morgen“, in dem es um umweltrelevante Inhalte geht. Das Projekt läuft im Hort der Weißwasseraner Pestalozzi-Grundschule, in der städtischen Kita „Regenbogen“ und in der AWO-Kita „Waldwichtel“. Im Oktober startete bereits das Folgeprojekt. Ein weiteres Projekt heißt „Umweltexperten in den Kitas“. Es findet in vier Kindergärten in Weißwasser und im Kindergarten Gablenz statt. Grundstock ist die sogenannte „Umweltbox“. Von unseren quartalsweise samstags stattfindenden Forschertagen konnten nur zwei von vier Terminen stattfinden. Das wird hoffentlich 2021 besser. Genauso schwierig ist die Organisation der Ferien-Angebote.

Was wird jetzt aus dem Programm für die Winterferien?

Die Winterferien sind ja zweigeteilt, die erste Woche jetzt, die zweite in der Karwoche vor Ostern. Wegen Corona ist das Programm für Februar hinfällig. In der Karwoche ist vom 29. März bis 1. April unter Leitung von Randolf Rotta und Torsten Löffler das deutsch-französisch-marokkanische Technik-Camp geplant. Das Thema heißt „Robotik“. Dabei geht es vor allem um Kreativität mit Musik. Unsere deutschen Teilnehmer kommen vor Ort in die Station, die französischen und marokkanischen Teilnehmer schalten wir jeden Tag digital hinzu.

Planen Sie weitere Projekte?

Im Juli ist ein Fortsetzungs-Camp geplant, mit deutschen, mit französischen und mit marokkanischen Schülern. Wir freuen uns, wenn wir im Juni dann alle zur „Exposcience Occitanie“, einer Jugend-Wissenschaftsausstellung, nach Toulouse in Frankreich fahren können, an der wir regelmäßig teilnehmen. Anfang April soll jetzt das deutsch-polnische Kunst-Camp stattfinden. Dabei wollen wir Partner, wie zum Beispiel das Glasmuseum Weißwasser, mit einbinden. Ansonsten ist 2021 ein Jahr, in dem viele neue Inhalte anlaufen. Zum Beispiel gründen wir in Zusammenarbeit mit der NABU-Regionalgruppe Weißwasser die Naturschutzstation „Muskauer Heide“ als neues Projekt der Station Weißwasser.

Findet 2021 wieder ein Tag der offenen Tür in der Station statt?

Ja. Voraussichtlich am 26. Juni laden wir dazu ein. Dieser Tag ist zugleich offizieller Start für uns als Naturschutzstation. An diesem Tag stellen wir unsere Projekte und AGs vor. Es soll Vorträge und Ausstellungen geben. Vor allem jedoch den regen Austausch mit den Schülern, Eltern, Großeltern, Erziehern und Lehrern.

Gibt es auch sorbische Partner für die Station?

Bislang eher sporadisch. Zum Beispiel gab es Vorträge zur Vielfalt der Spinnen von Wolfgang Kotissek, dem früheren langjährigen Leiter des Sorbischen Folkloreensembles Schleife. Vielleicht können wir künftig – im Zusammenhang mit dem Start der Naturschutzstation – aktiver werden und Kontakt aufnehmen auch mit der Domowina und mit dem neuen deutsch-sorbischen Schulzentrum Schleife mit Grundschule, Hort und Oberschule vor Ort.

Wie überbrückt die Station derzeit finanziell die Corona-Krise?

Wir haben erhebliche finanzielle Einbußen. Die Stadt Weißwasser und der Landkreis Görlitz stehen zuverlässig zur ihrer jährlichen Unterstützung. Doch weit schwieriger ist es, überhaupt noch Eigenmittel zu erwirtschaften. In der Regel schaffen wir das durch die Vermietung unserer Räume in der Station und der Bungalows im Außengelände. Seit März 2020 mussten wir bei der Vermietung jedoch Verluste von mindestens 15.000 Euro verzeichnen. Das ist schwer auszugleichen. Das Herunterfahren der Ausgaben ist begrenzt, ebenso das Erzielen von Einnahmen. Wir versuchen jetzt, die Verluste durch Spenden auszugleichen. Gerade in der schwierigen Zeit 2020 erhielten wir rund 3.000 Euro mehr Spenden als sonst. Sie fließen direkt in die Deckung der Verluste. Eltern, die im Voraus Beiträge für die Station gezahlt haben, fordern die Summen nicht zurück, obwohl ja infolge von Corona das meiste ausfallen musste. Das ist eine solidarische Geste. Dafür gilt allen Unterstützern herzlicher Dank.

Was ist eigentlich aus den geplanten Kunst-Camps geworden?

Im vorigen Jahr wollten wir zwei Kunst-Camps organisieren. In den Osterferien sollte es um das Thema Glas gehen, im September dann um Archäologie. Wegen Corona mussten wir reagieren und die Termine verschieben. Nur ein Camp, das „Kolor Weekend 2020“ zum Thema Archäologie, konnte Anfang Oktober stattfinden. Zwölf deutsche und polnische Schüler im Alter von fünf bis 15 Jahren nahmen teil. Unter der künstlerischen Leitung von Sabine Gutjahr und Jerzy Litewka und mit Unterstützung von Claudia Müller, unserer Fachkraft für den Bereich Internationale Jugendarbeit, entstanden viele Skizzen und farbenfrohe Acryl-Malereien auf Leinwand. Mit dem ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger Andreas Scheffer gab es einen anschaulichen Vortrag. Ebenso gab es Exkursionen – zum Beispiel zum Schweren Berg Weißwasser oder in die Natur. Die Schüler ließen sich von der Bergbaufolgelandschaft inspirieren. Die aktuelle Ausstellung im E-Werk der Stadtwerke Weißwasser zeigt jetzt diese Werke.

Was erhoffen Sie für die Zukunft?

Inhaltlich und personell sind wir gut aufgestellt. Wir nutzen jetzt die Zeit intensiv zur Vorbereitung. Dann können wir mit den AGs, mit den Projekten und mit den neuen Inhalten gut durchstarten.

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