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Wolf ist und bleibt im Kreisnorden ein strittiges Thema

Im nördlichen Landkreis stellt das streng geschützte Tier längst ein Problem dar, sorgen sich Menschen um ihre Sicherheit.

Von Sabine Larbig
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Symbolbild ©  Patrick Pleul/dpa (Symbolfoto)

Als ein Krauschwitzer Mittwochmorgen zur Arbeit wollte, blieb er erschrocken in der Haustür stehen. Nur knapp drei Meter entfernt stand ein Wolf. Ohne Anzeichen von Angst oder Fluchtreflex. „Wenn ein Wolf so nah dasteht, ist es ein mulmiges Gefühl und Du überlegst, ob Du schnell zurück ins Haus oder zum Auto gehst“, erzählt Klaus Meier. Durch den Schockmoment sei er nicht mal auf die Idee gekommen, ein „Beweisfoto“ zu machen.

Meldungen von Begebenheiten wie diese gibt es ständig in Krauschwitz, Bad Muskau, Gablenz. Bislang gingen Zusammentreffen von Wolf und Mensch in Wohngebieten gut aus. Trotzdem geht in Krauschwitz, wo sich ein oder mehrere Wölfe allein im Wohngebiet am Eichenweg immer wieder und sogar am Tag zeigen, die Angst um. Das Gebiet liegt entlang eines Waldstückes samt ausgewiesenen Wander- und Reitwegen und an Straßen und Wegen, auf denen viele Fußgänger, Hundehalter und Schulkinder laufen. Und es gab dort, wie in anderen Krauschwitzer Ortsteilen, bereits einige nachgewiesene Wolfsrisse bei Haus- und Nutztieren.

Angst haben Menschen gleichfalls in Gablenz.. „Bei Vollmond heulen in der Wossinka die Wölfe so, dass man glaubt, in den Weiten Alaskas zu sein. Kein Wunder, das es den Leuten mulmig ist“, sagt Bürgermeister Dietmar Noack. Nicht nur er sei daher froh, dass endlich ein Wossinka-Schulbus-Shuttle gelang, wodurch Grundschüler bis Gymnasiasten nun einen, auch vor Wölfen, sicheren Schulweg hätten. Zuvor mussten sie jahrelang einige Kilometer entlang der Felder und Waldgebiete laufen, wo die Tiere regelmäßig jagen. Momentan, weiß Revierförster a.D. Bernd Ganick, seien weniger Tiere zu beobachten als Ende letzten Jahres. Da wurde, kurz vor Silvester, im Uferweg von Bad Muskau ein Rehkopf-Kadaver gefunden. Einer von bereits vielen Funden im Stadtgebiet. „Wir haben wie immer das Wolfsbüro informiert, Fotos geschickt. Doch wegen des nur noch auffindbaren Jungtier-Kopfes konnte nicht geklärt werden, ob es sich um einen Wolfsriss handelte“, sagt Bürgermeister Thomas Krahl. Seither habe die Stadt jedoch keine Informationen zu Wolfssichtungen oder -rissen.

Rufe nach Schutzstatus-Aufhebung

Die gibt es trotzdem stetig, meint Jäger und Ex-Revierförster Ganick. Zum einen, weil in der Region sehr viele Wölfe leben. Zum anderen, weil sie kaum noch ausreichend Futter fänden. „Durch die Afrikanische Schweinepest fehlen Wildschweine als Jagdbeute und Rotwild ist stark dezimiert, während die Wolfspopulation zunimmt. Deshalb dringen Wölfe auf Suche nach Fressbarem bis in Wohnbereiche und Scheunen vor, töten sie selbst eingezäunte Haus- und Nutztiere.“ Hundehaltern der Region rät Ganick daher dringend, mit ihren Vierbeinern nur noch angeleint zu gehen. Egal, ob in Ortslagen oder im Wald. „Sie sind sonst schnell Beute. So, wie freilaufende Katzen, die es auf den Feldern um Gablenz kaum noch gibt, weil sie sich die hungrigen Wölfe greifen. Das ist so!“

Zwar gibt es in den bisher durch das Wolfsmonitoring nachgewiesenen 36 sächsischen Wolfsterritorien mit 31 Rudeln, vier Paaren und einem Einzeltier kaum auffällige Wölfe. Nach einem Abschuss eines Problemwolfes 2018 im Norden vom Kreis Görlitz verursachte nun ein Wolf im Löbauer Norden bei einem Damwildzüchter einen Riesenschaden. 24 Tiere riss er im Gehege, weshalb sein Abschuss vom Freistaat genehmigt ist. Nur findet sich kein Jäger, der den Wolf innerhalb der nächsten knapp sechs Wochen, bis Auslauf der Genehmigung, tötet. Zu groß ist die Angst vor Repressalien durch Natur- und Wolfsschützer. Auch dies zeigt, dass beim Thema Wolf die Meinungen weit auseinanderklaffen. Während die einen dafür sind, dass freilebende Wölfe im Deutschland aktiv vom Menschen begrenzt werden – analog Ländern wie Schweden oder Norwegen, wo Abschussquoten für Wölfe trotz Berner Konvention und striktem Wolfsschutz gelten – sind andere klar dagegen.

Obwohl die Population wahrscheinlich wesentlich höher ist als bisher angenommen. Noch gibt es viele Gebiete, selbst in Sachsen, ohne ausreichendes Wolfsmonitoring und damit Informationen zu neuen oder von Wölfen genutzten Gebieten, wie die Fachstelle Wolf des Freistaates einräumt. Eine Folge der allgemeinen und teils unklaren Lage sowie Vorkommnisse ist, dass dennoch Rufe – gerade im Landkreis Görlitz – nach Aufhebung des strengen Schutzstatus des Wolfes lauter werden. „Wie bisher kann es nicht weiter gehen. Der Status ist durch Größe der Population und verursachte Schäden längst überfällig“, äußerte der Gablenzer Bürgermeister erst vorigen Sonnabend bei seinem Neujahrsempfang öffentlich. Auch der ebenfalls anwesende Landrat Stephan Meyer fordert dort, dass die Thematik Wolf durch die Politik geklärt werden müsse. Es brauche zwingend Rechtssicherheit für Entnahmen und „weniger enge Manschetten“ für Vergrämungen.

Für seine Einstellung erhalte er „viele böse Kommentare“, bekannte Meyer. Doch Natur- und Artenschutz, Kultur- und Landwirtschaft, würden sich oft „selbst beißen“. Es gehe nicht um Ausrottung und starre Regelungen hätten durchaus ihre Richtigkeit gehabt. Inzwischen aber sei der Wolf in Kreis und Land nicht mehr bedroht, weshalb es zur Wahrung unterschiedlicher Interessen neue Regelungen brauche. Nicht zuletzt würden Bilder von Bürgern, Jägern, Wildkameras zeigen, dass die Mehrzahl der Tiere im Landkreis unterernährt, an Räude erkrankt sei. „Auch das, und Reproduktion von Reh- und Muffelwild, muss in Betrachtungen einfließen. Wölfe brauchen Futter, mit steigender Population mehr. Das ist das Konfliktfeld, was uns jetzt und künftig beschäftigt“, umriss Meyer die Problemlage.