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Kritik an Netrebko aus Russland und Deutschland

Nach großem öffentlichen Druck distanziert sich Anna Netrebko von der russischen Führung. Die Russen werfen ihr Verrat vor - und die Deutschen Unglaubwürdigkeit.

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Die Star-Sopranistin Anna Netrepko.
Die Star-Sopranistin Anna Netrepko. © Barbara Gindl/APA/dpa (Archiv)

Hamburg/Nowosibirsk. Am Mittwoch hat Star-Sopranistin Anna Netrebko sich von der politischen Führung Russlands zu distanzieren versucht. Doch sie bekommt Gegenwind aus allen Richtungen: In Russland nimmt man ihr die Aussagen übel, in Deutschland gehen Sie einigen Verantwortlichen nicht weit genug.

So hat nach Tagesspiegel-Informationen das Opernhaus Nowosibirsk ein für den 2. Juni geplantes Konzert abgesagt. Das Opernhaus ward der in Österreich lebenden Sängerin am Donnerstag indirekt vor, ihr Heimatland verraten zu haben.

"In Europa zu leben und die Gelegenheit zu haben, in europäischen Konzertsälen aufzutreten, hat sich als wichtiger erwiesen als das Schicksal des Vaterlandes", heißt es demnach in der Mitteilung. "Wir dürfen keine Angst vor Kulturschaffenden haben, die ihrem Land den Rücken zukehren. Unser Land ist reich an Talenten und die Idole von gestern werden durch andere ersetzt, die eine klare staatsbürgerliche Haltung haben."

Doch auch Auftritte in Deutschland stehen nicht weniger in Frage als zuvor. Ein für September geplanten Nachholtermin für ein Netrebko-Konzert in der Hamburger Elbphilharmonie steht auf der Kippe. "Ich glaube nicht, dass es gut wäre, wenn dieses Konzert dann stattfindet", sagt Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD).

Mehrere Netrebko-Konzerte abgesagt

Er hält die Distanzierung der Star-Sopranistin Anna Netrebko von Russlands Präsident Wladimir Putin für nicht glaubwürdig. Erst lasse sie sich mit dem ostukrainischen Separatistenführer Oleg Zarjow samt "Neurusslandfahne" fotografieren, dann feiere sie ihren 50. Geburtstag im Kreml.

Weiter sagt er: "Das machen und dann jetzt über den Anwalt behaupten lassen, man sei nicht politisch? Da verkauft man das eigene Publikum für dumm", sagte Brosda in einem Interview des "Hamburger Abendblatts" (Freitag). Wer Nähe gezeigt habe, müsse sich glaubwürdig verhalten, forderte der Präsident des Deutschen Bühnenvereins.

Nach dem völkerrechtswidrigen Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine hatten mehrere Konzerthäuser Auftritte von Netrebko abgesagt, darunter auch die Elbphilharmonie ein für Anfang März geplantes Konzert. Netrebko hatte sich zwar öffentlich gegen den Krieg ausgesprochen, nicht aber gegen Putin.

Putin? Nur eine handvoll Mal getroffen

Wochen später - am Mittwoch - ließ die in Österreich lebende Sopranistin nun über ihren deutschen Anwalt mitteilen: "Ich bin weder Mitglied einer politischen Partei noch bin ich mit irgendeinem Führer Russlands verbunden." Sie bedauere, "dass meine Handlungen oder Aussagen in der Vergangenheit zum Teil falsch interpretiert werden konnten".

Tatsächlich habe sie Putin nur eine Handvoll Mal getroffen. "Ich verurteile den Krieg gegen die Ukraine ausdrücklich und meine Gedanken sind bei den Opfern dieses Krieges und ihren Familien."

Brosda sagte, "da, wo Künstler oder Künstlerinnen eine Nähe zum System Putin haben oder durch diese Nähe Privilegien genossen haben und nicht in der Lage sind, sich vernünftig dazu zu verhalten, besteht keine Grundlage für weitere Zusammenarbeit". Das betreffe auch Netrebko.

"Und wenn man bedenkt, dass jemand wie Waleri Gergijew die Annexion der Krim feierte, in Syrien vor russischen Soldaten und mit einem zugeschalteten Putin ein Konzert gegeben hat und heute eiskalt schweigt, ist auch die Entscheidung, seinen Münchner Vertrag einseitig aufzukündigen, richtig gewesen." (dpa mit SZ/mxh)