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Wenn der Storch ein Star ist

Der Oderwitzer Wintergast heißt „Luther“ und hat ein bewegtes Leben. Das ist dank Ringnummer nun bekannt.

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© Annett Paul

Von Mario Sefrin

Oderwitz. Ein Storch, der in Oderwitz auf einem alten Fabrikschornstein überwintert, versetzt die Menschen in Aufregung. Gespannt beobachten Anwohner, die Kinder und Erzieher der örtlichen Kindertagesstätte „Knirpsenland“ sowie Einwohner der Gemeinde und Tierfreunde aus umliegenden Ortschaften, wie es dem Storch geht und sorgen sich um ihn. Der Storch ist längst zu einer kleinen Berühmtheit geworden.

Auf einer Wiese am Ortsausgang von Oderwitz in Richtung Ruppersdorf hat sich Storch „Luther“ in den vergangenen Wochen am liebsten aufgehalten.
Auf einer Wiese am Ortsausgang von Oderwitz in Richtung Ruppersdorf hat sich Storch „Luther“ in den vergangenen Wochen am liebsten aufgehalten. © Annett Paul
Anhand seiner Ringdaten konnte er nun identifiziert werden.
Anhand seiner Ringdaten konnte er nun identifiziert werden. © Träger

Nun steht fest: zu Recht. Denn der Oderwitzer Wintergast ist ein tierischer Star, der bereits ein bewegtes Leben hinter sich hat und auch anderswo bekannt und berühmt ist. Das hat sich jetzt herausgestellt, nachdem es gelungen ist, die Ringnummer des Storchs zu fotografieren. Dadurch ist jetzt klar, dass der Storch den Namen „Luther“ trägt und sich im vergangenen Jahr von Sachsen-Anhalt aus auf seinen Flug Richtung Afrika begeben hat. Dort ist er aber nie angekommen – stattdessen hat sich „Luther“ in der Oberlausitz niedergelassen und den Schornstein der alten Färberei zu seinem Wintersitz auserkoren.

Bislang wusste man in der Landwassergemeinde nicht einmal, welches Geschlecht „Luther“ hat, noch, dass der Storch überhaupt einen Namen hat. Anteil an seinem Schicksal haben trotzdem viele Menschen genommen. Vor allem die Kinder und Erzieher vom „Knirpsenland“ verfolgen das Geschehen um den Storch nun schon seit Wochen sehr interessiert. Dass sie auf einmal so viele neue Informationen über „ihren“ Storch bekommen, freut alle sehr. „Wir wissen jetzt sogar, dass unser Storch ein Männchen ist“, sagt Kerstin Titzler, Erzieherin in der Kindertagesstätte.

Doch nicht nur in Oderwitz ist die Freude über das nun geklärte Geheimnis um „Luther“ groß, sondern auch in der Vogelschutzwarte Storchenhof in Loburg in Sachsen-Anhalt. Dort kennt man den Storch seit knapp zwei Jahren und hat ein besonders inniges Verhältnis zu „Luther“. Schließlich wurde der Vogel, dessen Alter nicht bekannt ist, dort nach einer Schussverletzung wieder gesund gepflegt. Auf den Vogel war mit einem Luftgewehr geschossen worden: „Der Knochen des rechten Flügels war gesplittert, die Diabolos steckten sogar noch im Flügel. Außerdem war eine Sehne gerissen“, sagt Michael Kaatz, Geschäftsführer des Vereins Vogelschutzwarte Storchenhof. Der Storch war im kleinen Dorf Dabrun in der Nähe der Lutherstadt Wittenberg gefunden worden – daher auch der Name „Luther“, der dem Storch gegeben wurde.

Laut Michael Kaatz sei „Luther“ kein einfacher Patient gewesen, aber immer recht munter. „Der Bruch wurde versorgt und sogar genagelt. Schließlich heilten die Wunden“, so Kaatz. Zuerst hatten die Vereinsmitglieder daran gedacht, den Storch in einen Wild- oder Tierpark abzugeben, da es nicht wahrscheinlich erschien, dass der Vogel wieder frei leben könnte. Doch Anfang März vergangenen Jahres gab es dann die erfreuliche Meldung: Luther kann in seiner Voliere fliegen! „Danach haben wir über eine Auswilderung Anfang April nachgedacht“, erzählt Michael Kaatz. „Luther“ sei danach zunehmend ungeduldig geworden und es kamen immer mehr Störche in der Umgebung an. Als die Vereinsmitglieder vermuteten, dass auch „Luthers“ Partnerin bald wieder in Dabrun eintreffen könnte, erfolgte die Auswilderung – bei herrlichstem Wetter und guter Stimmung sowie in Anwesenheit einer Kindergartengruppe, die dem Storch ein Ständchen brachte, erinnert sich Michael Kaatz.

Nach seiner Auswilderung musste „Luther“ nur wenige Stunden warten, bis sich eine unberingte Störchin zu ihm gesellte. „Es hatte den Anschein, dass die beiden zusammenbleiben wollten“, so Kaatz. Doch dann sei die angestammte beringte Störchin der Vorjahre erschienen und gemeinsam sei die Nebenbuhlerin vertrieben worden. Doch diese gab noch nicht auf, auch sie angelte sich einen neuen Mann. „Beide versuchten nun, das alte Paar vom Horst zu vertreiben. Aber Luther und Katherina behaupteten ihre Vorherrschaft“, sagt Michael Kaatz. Auf der Vereinsseite im Internet gibt es mittlerweile einige Veröffentlichungen zu dem besonderen Storch.

Seitdem sich „Luther“ aber im vergangenen Herbst auf die Reise gemacht hat, gab es im Storchenhof in Loburg kaum noch Informationen zum Schicksal des Zieh-Vogels. Umso größer war die Freude bei den dortigen Ornithologen, als „Luther“ anhand seiner Ringdaten in Oderwitz identifiziert werden konnte. Michael Kaatz spricht sogar von einer kleinen Sensation. Vermutlich habe der Storch im Herbst seinen Zug nach Afrika über die Ostroute geplant, dann diesen aber Anfang Oktober abgebrochen. Kaatz vermutet, dass der Vogel noch Restbeschwerden hatte oder ihm die Kondition fehlte. „Flugfähig war er.“ In Oderwitz hatte „Luther“ auf einem alten Schornstein sein Winterquartier bezogen und dieses bis heute nicht verlassen.

Michael Kaatz hält es für möglich, dass „Luther“ im Frühjahr nach Dabrun zurückkehrt. „Wir sind gespannt, wie er sich verhält, wenn seine Artgenossen aus dem Süden zurückfliegen“, so Kaatz. Doch auch in Oderwitz könnte er bleiben – was vor allem den Kindern und Erziehern im „Knirpsenland“ sehr gefallen würde. „Wir besuchen ,Luther‘ regelmäßig und haben ein Plakat zu unserem Storch gestaltet“, sagt Erzieherin Kerstin Titzler. Kinder und Erzieher haben dank „Luther“ ein Storchenprojekt ins Leben gerufen, mit dem sich die Einrichtung beim Haus der kleinen Forscher in Berlin an einem Wettbewerb beteiligt. Dort kennt man die Kita bereits: Vor eineinhalb Jahren konnten die Oderwitzer ihr Buch „Vom Laich zum Frosch“ dort vorstellen.