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Sturmflut an der Ostsee hinterlässt große Schäden

Die Ostseeküste ist von einer schweren Sturmflut heimgesucht worden. Eine Frau stirbt durch einen umstürzenden Baum. Zudem werden Deiche, Häuser, Straßen und Strände beschädigt.

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Beschädigte Schiffe liegen im Hafen nach einer Sturmflut auf einem Anleger.
Beschädigte Schiffe liegen im Hafen nach einer Sturmflut auf einem Anleger. © dpa

Kiel/Wismar/Flensburg. Deiche geraten an ihre Grenzen, Straßen werden überflutet und Bäume stürzen um. Eine schwere Sturmflut hat die Küste Schleswig-Holsteins und Mecklenburg-Vorpommerns heimgesucht. Für manche Küstenbewohner wurde es eine lange Nacht. In viele Städten kam es zu Behinderungen wegen gesperrter Straßen. Der Ostwind trieb das Wasser mit Orkanböen gegen Strände und Steilküsten.

Ersten Schätzungen zufolge hat die Sturmflut Schäden in dreistelliger Millionenhöhe angerichtet. Am Samstag begannen in den betroffenen Städten und Gemeinden von Flensburg bis Lübeck und Rügen die Aufräumarbeiten.

Ein Jahrhundert-Hochwasser erlebte Flensburg, wo der Pegelstand nach Angaben des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in der Nacht 2,27 Meter über dem Normalwert erreichte. Teile des Hafengebiets waren überflutet. Ein ähnlich hoher Wert war in Flensburg zuletzt 1904 mit 2,23 Meter gemessen worden. Aus Sicherheitsgründen schalteten die Stadtwerke den Strom in den betroffenen Bereichen am Hafen ab.

Blick auf eine überflutete Straße in Flensburg.
Blick auf eine überflutete Straße in Flensburg. © dpa/Frank Molter

Sie sei noch ganz geschockt, sagte die Frau des Inhabers des Pubs Mc Nelson in Flensburg am Samstag. Das Wasser sei leider in den Keller gelaufen. Sie hätten alle Türen und Fenster abgedichtet. "Wir haben uns wirklich so viele Gedanken gemacht, aber worüber wir uns keine Gedanken gemacht haben, dass es aus irgendwelchen Löchern aus den Wänden kommt." Eine Mitarbeiterin eines anderen Restaurants am Hafen sagte, sie hätten bis 19 Uhr gekämpft. "Dann mussten wir raus." Das Wasser habe ihr bis zum Bauch gestanden.

Ähnliche Szenen gab es in Eckernförde: Dort überschritt der Pegelstand laut Tabelle des Umweltministeriums und Angaben des BSH gegen 22 Uhr mit 2,15 die Zwei-Meter-Marke deutlich.

Mit dem Abflauen des Oststurms in der zweiten Nachthälfte und am Morgen sanken die Wasserstände an der Ostseeküste deutlich. In Flensburg lag der Stand nach Daten der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung um 7.20 Uhr am Samstag noch 1,42 Meter über dem Normalwert, in Eckernförde noch 1,41 Meter.

Baum trifft Auto einer 33-Jährigen

Auf der schleswig-holsteinischen Ostseeinsel Fehmarn kam eine 33-jährige Frau in ihrem Auto ums Leben, das von einem im Sturm umgestürzten Baum getroffen wurde. Das Unglück im Kreis Ostholstein ereignete sich am Freitagnachmittag, wie ein Sprecher der Polizei sagte. Die Frau lebte auf der Insel.

Der Kreis Rendsburg-Eckernförde löste am Freitagabend Katastrophenalarm aus. In Eckernförde hatte der Höchstwert bei etwa 2,1 Metern über dem Normalstand gelegen.

In der Altstadt von Eckernförde boten die Behörden freiwillige Evakuierungen an, von der nach Angaben von Landrat Rolf-Oliver Schwemmer aber kaum Gebrauch gemacht wurde. "Wir können gegen die Ostsee nicht anpumpen", sagte der stellvertretende Stadtwehrführer Alexander Rüß. Auch in weiteren Orten wie Brodersby und Arnis brachten Hilfskräfte Bewohner in Sicherheit, insgesamt mehr als 2.000 Menschen.

Auch solche Bilder gibt es aus Eckernförde: Surfer gehen über den überfluteten Ostseestrand zum Meer.
Auch solche Bilder gibt es aus Eckernförde: Surfer gehen über den überfluteten Ostseestrand zum Meer. © dpa/Frank Molter

In Ostholstein wurden mehrere Strandwälle von den Fluten durchbrochen und Deiche beschädigt. Bei Maasholm und Arnis an der Schlei sowie südlich des Olpenitzer Hafens brachen Deiche, auch in Damp konnte ein Deich nicht gehalten werden. In Schleswig wurde der Hafen überflutet, der Strom wurde abgestellt. In einigen Häfen gingen Sportboote unter.

Großaufgebot der Hilfsdienste im Einsatz

Feuerwehr, Rettungsdienste, Polizei und Technisches Hilfswerk (THW) waren mit einem Großaufgebot von Kräften im Einsatz. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther dankte den mehr als 2.000 Einsatzkräften. "Wir sind wirklich allen extrem dankbar, die in diesen Stunden geholfen haben", sagte der CDU-Politiker am Samstag. "Schleswig-Holstein hat zusammengestanden angesichts dieser schrecklichen Flutkatastrophe." Günther verschaffte sich unter anderem in seiner Heimatstadt Eckernförde einen Überblick über die Schäden. "Wir sind sehr froh darüber, wie wenig Menschen zu Schaden gekommen sind."

Nach Angaben des Landesfeuerwehrverbands gab es weit mehr als 1.000 Einsätze im Land. In Eckernförde und Lübeck unterstützten etwa 150 Frauen und Männer des THW die Arbeiten. Auch in Damp (Kreis Rendsburg-Eckernförde) beteiligte sich das THW an den Sicherungsmaßnahmen unter anderem an einer Reha-Klinik.

Auswirkungen auf Verkehr an Land und zur See

Auf der Ostsee stellten Fähren zeitweise den Dienst ein. So fuhr in Travemünde die Fähre zum Priwall teilweise nicht mehr, in Kiel wurde die Fördefährlinie eingestellt. Der Sturm über der Ostsee stoppte auch den deutsch-dänischen Fährverkehr. Auf der Strecke Puttgarden-Rødby fuhren aber seit dem frühen Morgen wieder Schiffe, auf der Linie Rostock-Gedser sollte der Betrieb ab Samstagmittag auch wieder aufgenommen werden.

Riesenwellen schlagen über den Leuchtturm in Sassnitz.
Riesenwellen schlagen über den Leuchtturm in Sassnitz. © dpa/Stefan Sauer

Der Bahnverkehr in Norddeutschland normalisierte sich am Samstagmorgen wieder. Nach Angaben der Deutschen Bahn wurden die Störungen auf den meisten Strecken des Fern- und Nahverkehrs behoben. Die Aufräum- und Reparaturarbeiten auf manchen Streckenabschnitten dauerten jedoch an.

Noch gesperrt war am späten Morgen die Strecke der Regionalzüge 72 und 73 zwischen Eckernförde und Kiel. Auch der Regionalzug 75 zwischen Rendsburg und Kiel fuhr nicht. Auf weiteren Strecken kann es den Angaben nach vereinzelt zu Verspätungen von bis zu 45 Minuten oder Ausfällen kommen. Wann der Bahnverkehr in Norddeutschland wieder wie gewohnt nach Fahrplan läuft, ist noch nicht abzusehen.

Weniger Probleme in Mecklenburg-Vorpommern

In Wismar überschwemmte das Hochwasser Straßenzüge und Parkplätze. Der Schiffbauerdamm auf der Höhe "Am Hafen" und angrenzende Parkplätze waren laut Polizei nicht befahrbar. Nach Angaben der Wasserschutzpolizei lag der Wasserstand schon gegen Mitternacht Uhr bei 1,6 Meter über Normal.

Gebäude im Fischereihafen von Wismar stehen nach der Sturmflut an der Ostseeküste im Wasser.
Gebäude im Fischereihafen von Wismar stehen nach der Sturmflut an der Ostseeküste im Wasser. © dpa/Jens Büttner

Auch in Warnemünde stieg das Wasser deutlich an. Doch war bis zum Abend die Promenade am Alten Strom nicht überspült, so dass Spaziergänger bis zur Mole gehen konnten. In Rostock war die Lage am Abend ruhig.

In Binz auf Rügen kippte eine vom Sturm entwurzelte Birke auf ein Auto. Wegen des Sturms blieb die Aussichtsplattform Skywalk am Kreidefelsen am Freitag geschlossen. In Ahrenshoop schwemmte die Sturmflut große Teile des Sandstrandes weg.

In Sassnitz auf Rügen hat das Hochwasser laut Angaben der Polizei die Bodenplatten der Strandpromenade beschädigt. Viele Platten wurden demnach durch die Überflutung angehoben und teilweise weggeschwemmt. Zudem liege Treibgut wie Äste auf der Promenade.

Die ohnehin baufällige Seebrücke in Sassnitz wurde von den Wellen stark beschädigt.
Die ohnehin baufällige Seebrücke in Sassnitz wurde von den Wellen stark beschädigt. © dpa/Georg Moritz

Der für Küstenschutz zuständige Minister Till Backhaus (SPD) sagte: "Im Vergleich zu Schleswig-Holstein und Süd-Dänemark hat Mecklenburg-Vorpommern aufgrund der Windrichtung Glück gehabt." Küstenschutzanlagen und Dünen hätten Gebiete geschützt, die sonst möglicherweise überflutet worden wären.

Die Ostsee-Küste wird immer wieder von verheerenden Sturmfluten heimgesucht. Bei der schwersten Sturmflut an der südwestlichen Ostseeküste starben 1872 etwa 275 Menschen. Betroffen waren zahlreiche Orte an der dänischen und deutschen Küste.

An der Nordsee ist das Problem ganz anders

Der Sturm, der an der Ostsee das Wasser ans Land schob, drückte an der Nordsee das Wasser von der Küste weg und verursachte extrem niedrige Wasserstände. Das hatte Auswirkungen auf den Schiffverkehr.

Stundenlang hatte etwa eine Langeoog-Fähre einen Zwischenstopp kurz vor dem Hafen von Esens im Kreis Wittmund einlegen müssen. Das Schiff konnte wegen des Niedrigwassers nicht mehr weiterfahren. "Der Kapitän wollte kein Risiko eingehen", sagte ein Sprecher der Wasserschutzpolizei am Samstag. Rund 40 Passagiere mussten am Freitag bis kurz vor Mitternacht auf der Fähre ausharren. Viele Fähren von und zu den Ostfriesischen Inseln konnten am Freitag nicht fahren. Die Wasserstände an der Nordseeküste sanken laut Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) bis zu zwei Meter unter das sonst übliche mittlere Niedrigwasser.

Mit dem ruhigeren Wetter am Samstag normalisierte sich der Fährverkehr. Die meisten Fähren zu den Ostfriesischen Inseln seien wieder planmäßig unterwegs, teilten die Fährgesellschaften auf ihren Internetseiten mit. Nur für Wangerooge sollte der Fährverkehr am Samstag noch ausfallen, der Ausflugsverkehr bis einschließlich Montag.

Schäden auch in Dänemark und Norwegen

Der Sturm an der Ostsee hat auch Schäden im nördlichen Europa angerichtet. In Dänemark kam es an mehreren Orten zu Überschwemmungen, mancherorts habe das Wasser zwei Meter höher gestanden als üblich, meldete die Nachrichtenagentur Ritzau am Samstag. Bilder zeigten, wie Menschen durchs Wasser wateten oder damit anfingen, das Chaos aufzuräumen.

Dem dänischen Rundfunksender DR zufolge wurden beispielsweise am Hafen von Rødvig mehrere Häuschen beschädigt. Der Sender veröffentlichte Aufnahmen von einem Mann, der in einem überschwemmten Haus stand und Klavier spielte.

In Norwegen hatten tausende Menschen zeitweise keinen Strom. Der Nachrichtenagentur NTB zufolge waren am Samstagmorgen rund 21 000 Leute betroffen. Den Rettungskräften seien unter anderem umgestürzte Bäume gemeldet worden, es sei zu Problemen auf Straßen und Zugstrecken gekommen.

Das Fährunternehmen Scandlines ließ am Samstag wieder Schiffe zwischen Deutschland und Dänemark fahren. Auch der Flughafen in Kopenhagen teilte beim Kurznachrichtendienst X mit, der Airport laufe wieder im Normalbetrieb. Ritzau meldete, dass am Flughafen Aarhus eine Maschine am Freitagabend abdrehen musste, weil sie nicht habe landen können. (dpa)