Sport
Merken

Wie weiter nach den Schmäh-Plakaten?

Bei seinem Kampf gegen Hass und Hetze steht Deutschlands Fußball vor der Woche der Wahrheit. Die Pokalspiele werden zeigen, wohin der Weg führt.

 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Union-Ultras zeigten beim Bundesligaspiel gegen den VfL Wolfsburg einen Banner mit dem Schriftzug "Hurensohn" und dem Abbild von Dietmar Hopp, Mäzen des TSG 1899 Hoffenheim, im Fadenkreuz. Es folgte eine Spielunterbrechung.
Union-Ultras zeigten beim Bundesligaspiel gegen den VfL Wolfsburg einen Banner mit dem Schriftzug "Hurensohn" und dem Abbild von Dietmar Hopp, Mäzen des TSG 1899 Hoffenheim, im Fadenkreuz. Es folgte eine Spielunterbrechung. © dpa

Frankfurt/Main. Seit letztem Wochenende hält Fußball-Deutschland den Atem an. Bange Blicke richten sich auf die DFB-Pokalspiele unter der Woche und die Bundesliga-Partien am Wochenende. Der ausgerufene Kampf gegen Hass und Hetze in den Stadien steht bereits am Dienstagabend vor einer großen Bewährungsprobe. Sollte die von Schalke 04 gezogene "Rote Linie" im Viertelfinale des DFB-Pokals gegen Bayern München (20.45 Uhr/ARD und Sky) übertreten werden, wäre im deutschen Fußball nichts mehr so wie es bisher war.

Bundesligist FC Schalke 04 hat bereits reagiert und angekündigt bei wiederholten Vorfällen,  "ungeachtet der Spieldauer, des Resultats oder etwaiger Konsequenzen" ihre Mannschaft umgehend vom Platz holen wollen. Die Gefahr eines Spielabbruchs scheint damit groß wie nje zu sein. Schließlich machen die Schalker mit ihrer Vorgabe aus der bisher geltenden Drei-Stufen-Regel (zweimalige Unterbrechung vor dem Abbruch) einen Ein-Stufen-Plan. 

Um die Eskalation zu verhindern und so ein Zeichen zu setzen, wird hinter den Kulissen in Gelsenkirchen fieberhaft gearbeitet. Es gibt "Gespräche mit allen Fangruppierungen mit dem klaren Ziel und der Erwartung, dass sie solches Fehlverhalten nicht tolerieren, geschweige denn unterstützen", ließ der Klub wissen: "Die Werte unseres Vereins und des Leitbilds, das wir uns selbst gegeben haben, lassen keinerlei Spielraum für Toleranz angesichts von Hass, Intoleranz und Diffamierung."

Kollektivstrafen für Fans als Auslöser der Plakate

Ob diese Gespräche erfolgreich sind, ist fraglich. Bisher haben sich die Ultras nach ihren Anfeindungen vom Wochenende gegen Mehrheitseigner Dietmar Hopp von der TSG Hoffenheim uneinsichtig gezeigt. Zu groß ist die Wut der Gruppierungen über die Rückkehr der Kollektivstrafe für Fans von Borussia Dortmund, die in den kommenden beiden Spielzeiten nicht mehr ins Sinsheimer Stadion dürfen. Projektleiter Michael Gabriel von der Koordinationsstelle der Fanprojekte (KOS) befürchtet bereits das Schlimmste.

"Wenn jetzt die Latte für Spielabbrüche nach unten abgesenkt werden sollte, ist zu befürchten, dass dies dann von den Fanszenen als Aufforderung verstanden werden könnte, es mal darauf ankommen zu lassen", sagte Gabriel, der eine "Spirale der Eskalation" erkannt hat, der Frankfurter Rundschau: "Mein Wunsch wäre es, dass man jetzt innehält und beide Seiten nach Möglichkeiten suchen, miteinander ins Gespräch zu kommen."

Hopp sieht keinen Sinn in Gesprächen

Genau das lehnt Hopp aber ab. "Ich sehe keinen Sinn darin, mich mit Menschen auseinanderzusetzen, denen ich noch nie etwas getan habe, die mich seit Jahren grundlos massiv beleidigen und gar keinen Konsens wollen", sagte der 79-Jährige. Den Vorwurf aus den Reihen der Fans, wonach die Verantwortlichen der Klubs und der Verbände dem TSG-Macher "nur" deshalb zur Seite springen, weil er ein einflussreicher Milliardär sei, weist Hopp zurück: "Beleidigungen gegen jeden Menschen sind zu verurteilen, egal wo und in welcher Form."

In diesem Zusammenhang fordert auch Jörg Schmadtke nun eine eindeutige Haltung der Klubs und der Verbände. "Es ist ja hoch interessant, dass auf der einen Seite sehr deutlich reagiert wird, was ich auch richtig finde, in anderen Fällen wird aber darüber hinweg geguckt", sagte der Manager des VfL Wolfsburg der Bild-Zeitung: "Da muss schon eine Eindeutigkeit her."

Personalisierte Tickets als Lösung?

Sollte der Konsens hergestellt werden, wonach zukünftig jede Art der Diffamierung nicht mehr toleriert wird, dürfte das weitreichende Konsequenzen haben. Der von Bayern-Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge angedeutete Rauswurf der Ultras aus den Stadien hat bereits Unterstützer gefunden. "Die Verantwortlichen müssen einfach mehr Mut haben", sagte der langjährige Klub-Funktionär Heribert Bruchhagen bei Sport1: "Das betrifft mich selbst. Ich bin immer wieder in die Kommunikation gegangen, statt Leute rauszuwerfen."

Auch Max Eberl machte klar, dass man Hetzer "nicht mehr in den Stadien haben" will. Eine Folge könnten laut des Sportdirektors von Borussia Mönchengladbach personalisierte Tickets sein: "Das heißt aber wiederum: keine Stehplätze mehr. Das will man aber auch nicht." Hopps Anwalt Christoph Schickhardt forderte im SWR noch drastischer Maßnahmen: "Es muss zu Hausdurchsuchungen kommen, da muss man auch mal jemanden einen Tag in der Zelle lassen." (SID)