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„Windpark Strauch wird kommen“

Der Freistaat besteht nicht mehr auf den 1 000- Meter-Abstand zu Wohnhäusern. Das hat Folgen.

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© Daniel Förster

Von Birgit Ulbricht

Herr Geisler, jetzt ist der Mindestabstand von 1000  Metern zwischen Wohnhaus und Windrad vom Tisch?

Ja, der Freistaat Sachsen hat sich von festen Abständen verabschiedet, hat sich also mit seiner Entscheidung in die Gegenrichtung der Forderungen der Bürgerinitiativen nach noch größeren Abständen als 1000 Meter bewegt. Er hat sich damit konsequent von der Länderöffnungsklausel getrennt, die den Bundesländern Einzelwege offen gelassen hätte. Als Chef des Planungsverbandes habe ich damit eine klare Ansage. Aus Sicht der betroffenen Bürger muss ich sagen, damit haben sich die Hoffnungen auf größere Abstände zerschlagen.

Der Verband kann aber doch trotzdem die Abstände zu neuen Windrädern noch differenzieren. Stimmt das?

Ja, da ist es wichtig, ob es sich in der Nachbarschaft um reine Wohngebiete handelt. Dort dürfen die Abstände größer sein als in Mischgebieten. Aber welches Dorf ist ein reines Wohngebiet? Die Flächen sind fast immer als Mischgebiete ausgewiesen.

Obwohl in den letzten Jahren Windräder enorm nachgerüstet wurden, wird die hinzugekommene Leistung also nicht derart angerechnet, dass geplante Windparks wie in Großenhain-Nord oder Rödern gar nicht mehr nötig wären zum Erreichen der Vorgaben?

Über allem stehen die Energie- und Klimaziele der Bundesrepublik. So massiv wie jetzt noch der Ausstieg aus der Kohle vorangetrieben wird, hat die Windkraft zweifellos Vorfahrt vor allen anderen Belangen.

Was bedeutet das für Großenhain-Nord und Rödern? Ist das eine oder andere wahrscheinlicher oder sind Abstriche an der Menge der Windräder denkbar?

An den Plänen für Großenhain-Nord dürfte sich wenig ändern. Der Verband hatte ja seinerseits alle Mittel für Einschränkungen vorher ausgeschöpft. Es ist damit zu rechnen, dass der Abstand zum Dorf unter 750 Meter betragen wird, die Windräder in der Höhe auf 150 Meter begrenzt sind. Auch für Rödern sehe ich nach den neuen Vorgaben keine großen Ausnahmen, so bitter das für den Naturschutz ist. Es ist ja auch bezeichnend, dass das sächsische Umweltministerium bislang keine Stellungnahme abgegeben hat. Ich denke, man wird sich auf dieser Ebene jetzt erst mit dem Wirtschaftsministerium abstimmen.

Und was ist mit dem erweiterten Landschaftsschutzgebiet um Strauch?

Das war und ist eine Verhinderungsplanung, das weiß jeder. Normalerweise hätte das der Landkreis ablehnen müssen. Spätestens Gerichte werden das tun.

Wann ist mit dem Beschluss des Verbandes für die Windparks zu rechnen?

Ende nächsten Jahres könnte der Beschluss zur Freigabe des Planentwurfes für das Beteiligungsverfahren kommen, wenn wir bis dahin in der Terminkette bleiben.

Ist die CDU-Regierung mit diesem neuen Erlass nicht total von dem abgerückt, was sie selbst zuletzt den Bürgern versprochen hat, was in Stadträten und Landkreisen beschlossen wurde?

Ja, die CDU ist mit dem Koalitionswechsel in ein ganz anderes Fahrwasser geraten. Die SPD sieht dieses Thema nun mal völlig anders als der vorherige Partner FDP. Sie hat, für meine Begriffe, da auch ein Stück weit eigene Inhalte verkauft. Das muss man so sagen. Deshalb gibt es auch innerhalb der CDU ernstzunehmende Stimmen, die schon fragen, zu welchem Preis man diese Koalition eingegangen ist. Ja, der kleinere Koalitionspartner – vom Wahlergebnis her der deutlich kleinere Partner – hat hier erfolgreich seine Ziele durchgesetzt.

Als Chef des Planungsverbandes oberes Elbtal/Osterzgebirge haben Sie dadurch aber jetzt endlich Klarheit – das ist doch die Kehrseite. Oder?

Ja. Mir ist es besonders wichtig, dass die Länderöffnungsklausel vom Tisch ist. Die CDU hat sich letztlich nie ganz klar geäußert, ob sie nun davon Gebrauch macht oder nicht. Jetzt wird zumindest sauber gespielt. Die Bürger sind doch nicht dumm. Die verschiedenen Initiativen sind sehr gut aufgestellt, gerade fachlich, sie haben mitgearbeitet und sich eingebracht – die durchschauen doch solche Manöver der Politik, wie sie gelaufen sind. Da muss man sich über Ärger und Wut nicht wundern.

Ähnlich hatte sich kürzlich Werner Raddatz von der Bürgerinitiative Strauch geäußert.

Ich kann die Bürger da wirklich verstehen, aber am Ende des Tages wird ein Staat immer versuchen, seine Staatsziele durchzusetzen. Dass es überhaupt so weit gekommen ist, liegt meiner Meinung nach natürlich am völlig überstürzten, planlosen Atomausstieg. Und eine überstürzte Aktion zieht immer eine nächste nach sich. Nur, ausbaden muss das in diesem Fall eben vorrangig die ländliche Region. Gewählt worden ist dieser Weg in den Großstädten, aber Windräder werden dort nie stehen.

Wird diese Lastenverteilung zwischen Stadt und Land das neue Thema der Politik oder ist das eben einfach so?

Ich habe mich darüber kürzlich mit dem Meißner Landrat Arndt Steinbach unterhalten und wir sind uns einig, dass Wege gefunden werden müssen, wie die Menschen in Dresden am Erreichen der sächsischen Energieziele mitwirken können. Man kann die Lasten nicht nur den Strauchs und Rathens in der Region aufdrücken. Der ländliche Raum ist ohnehin in vielen Dingen hinten angestellt. In der Großstadt wird zum Beispiel ohne zu zögern in schnelles Internet investiert, die Firmen reißen sich geradezu darum. Im Dorf winken sie ab. So geht das nicht. Und das ist nicht das einzige Beispiel. Wir brauchen einen gerechteren Lastenausgleich zwischen Stadt und Land. Man muss die Menschen auf dem Dorf auch leben lassen, und kann Dinge nicht durchprügeln.

Was wäre denn ein gerechterer Ansatz?

Wir sollten vielleicht einmal fragen, was die Stadt zur Energieeinsparung leisten kann. Da liegen noch große Effekte, und die wären dann eben vorzugsweise in Dresden zu erbringen. Es gibt bei jeder Entwicklung Gewinner und Verlierer, nur wir müssen in Sachsen darauf achten, dass nicht immer dieselben die Verlierer sind. Ich habe immer davor gewarnt, dieses Thema politisch nicht zu unterschätzen. Asyl war doch nur der Anlass, dass Pegida entstehen konnten. Die Hintergründe sind vielschichtiger. Da hat sich manches angestaut in den letzten Jahren.