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Über 100 Apotheken in Sachsen bangen um ihr Geld

Bis zu 60 Millionen Euro sollen wegen der Insolvenz eines Dienstleisters offen sein. Jetzt soll die Politik helfen.

Von Steffen Klameth
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Mitte September machten erstmals Meldungen die Runde, dass Apotheker vergeblich auf ihr Geld warten.
Mitte September machten erstmals Meldungen die Runde, dass Apotheker vergeblich auf ihr Geld warten. © Becton Dickinson Rowa Germany/ots

Leipzig. Die Pleite eines großen Düsseldorfer Apotheken-Abrechnungszentrums zieht deutschlandweit Kreise – und hat nun auch Sachsen erreicht: Gut 100 Apotheken im Freistaat seien direkt von dem Insolvenzverfahren betroffen, teilte der Sächsische Apothekerverband in Leipzig mit. Damit gerate etwa jede zehnte der rund 950 sächsischen Apotheken unverschuldet in finanzielle Schwierigkeiten.

Auslöser ist die Insolvenz des Apotheken-Abrechnungszentrums AvP. Es wickelt im Auftrag von mehreren tausend Apotheken in Deutschland deren Zahlungsgeschäft in Rechenzentren ab. Dabei gingen die Apotheken auch in Vorleistung, betont Thomas Dittrich, Vorsitzender des Sächsischen Apothekerverbandes. „Sie bezahlen die Medikamente, die das Rechenzentrum später mit den Krankenkassen abrechnet.“

Mitte September machten erstmals Meldungen die Runde, dass Apotheker vergeblich auf ihr Geld warten. Die Firma AvP begründete dies damals mit Umstrukturierungen, die nicht reibungslos verlaufen seien. Angeblich gab es IT-Probleme wegen eines Dienstleisterwechsels. Eine Bestätigung für diese Vermutung gibt es allerdings nicht.

Bei dem großen Apotheken-Abrechnungszentrum in Düsseldorf gibt es erhebliche Turbulenzen.
Bei dem großen Apotheken-Abrechnungszentrum in Düsseldorf gibt es erhebliche Turbulenzen. © dpa

Unmittelbar nach Bekanntwerden der Turbulenzen hatte die Finanzaufsicht Bafin Insolvenzantrag gestellt und Strafanzeige erstattet. Inzwischen werde gegen zwei Beschuldigte wegen Bankrotts ermittelt, teilte ein Sprecher der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft mit. Beim Bankrott handelt es sich um eine betrügerische Insolvenz, vor der Vermögenswerte beiseite geschafft wurden.

Sachsens Verbandschef Dietrich bezifferte die Höhe der nunmehr ausstehenden Zahlungen allein im Freistaat auf bis zu 60 Millionen Euro. Das Geld werde dringend benötigt, um die gelieferten Arzneimittel sowie Gehälter und Mieten zu bezahlen.

Bis zu 3.500 Apotheker, das ist etwa jeder sechste in Deutschland, war AvP-Kunde. Einer Schätzung zufolge schuldet der Abrechner ihnen im Durchschnitt 120.000 Euro. Das wären mehr als 400 Millionen Euro. In Einzelfällen sollen Apotheker sogar auf mehr als eine Million Euro Umsatz warten.

Die Apothekerkammer Nordrhein schätzt, dass zwischen 250 und 300 Millionen Euro auf AvP-Konten eingefroren sind. Wann mit der Auszahlung der Gelder zu rechnen sei, die vom Insolvenzverwalter festgesetzt werden, ist laut Dietrich unklar. Fest stehe, dass die Prüfung der Ansprüche „mehrere Monate, wenn nicht sogar Jahre dauern kann.“ Um Schließungen zu verhindern, sehe man auch die Politik in der Verantwortung. Gespräche seien bereits im Gange. Auch die Techniker Krankenkasse hat Hilfe angekündigt. (mit dpa)