SZ + Update Zittau
Merken

Turow: Polen und Tschechien schließen Vertrag

Die Einigung zur Zukunft der Grube kommt am selben Tag, an dem vor dem EuGH die Schlussanträge zum Turow-Verfahren gehalten werden - mit kritischem Signal.

Von Anja Beutler
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg sind heute die Schlussanträge zur Turow-Klage verlesen worden. Sie gelten als wegweisend für ein Urteil.
Vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg sind heute die Schlussanträge zur Turow-Klage verlesen worden. Sie gelten als wegweisend für ein Urteil. © AP

Polen und Tschechien haben sich in einem zwischenstaatlichen Vertrag über die Zukunft der Kohlegrube Turow geeinigt: Wie unter anderem die polnische Umweltministerin Anna Moskwa auf dem Kurznachrichtendienst Twitter erklärt, habe man sich auf den Inhalt geeinigt und unterzeichnet. Die rasche Einigung kam nach einer Vorarbeit der beiden neuen Umweltministerinnen auf tschechischer und polnischer Seite nun bei einem Treffen in Prag zustande. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki war am heutigen Donnerstag zu seinem tschechischen Amtskollegen Petr Fiala gereist, um über letzte Unstimmigkeiten im Vertrag zu verhandeln.

Die Einigung erfolgt damit just an dem Tag, an dem im Turow-Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Schlussanträge verlesen wurden. Dabei machte der Generalanwalt Priit Pikamäe klar, dass Polen mit seiner Lizenzverlängerung bis 2026 für den Tagebau Turow gegen EU-Recht verstoßen hat. Zwar sind solche Schlussanträge für das Urteil des Gerichtshofs nicht bindend. Im Allgemeinen sind sie jedoch ein starker Fingerzeig darauf, wie auch das Gericht am Ende entscheiden wird. Das Urteil zur Staatenklage Tschechiens selbst wird für Mai erwartet.

Doch dazu wird es wohl nicht kommen: Der Vertrag zwischen Polen und Tschechien beinhaltet auch, dass Tschechien die Klage vor dem EuGH zurückzieht. Der polnische Ministerpräsident Morawiecki erklärte am Donnerstag nach Vertragsunterzeichnung laut Nachrichtenagentur PAP, dass er diesen Schritt "heute oder morgen" erwarte. In einem solchen Fall "beschließt der Präsident die Streichung der Rechtssache im Register und entscheidet gemäß Artikel 141 über die Kosten", erklärt EuGH-Sprecher Hartmut Ost auf SZ-Nachfrage. Damit sollten auch die verhängten Strafzahlungen vom Tisch sein.

Das könnte Polen vor einer Niederlage im Verfahren bewahren, denn der Generalanwalt hob in seiner Einschätzung mehrere Verstöße der polnischen Seite hervor. Konkret geht es um die im Frühjahr 2020 vom polnischen Ministerium für Klima unmittelbar in Kraft gesetzte Abbauverlängerung bis 2026. Sie war - auf Grundlage eines polnischen Gesetzes - ohne eine Umweltverträglichkeitsprüfung erfolgt. Der Generalanwalt erklärte dazu, dass Bergbaustätten einer dem Tagebau Turow ähnlichen Fläche erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt mit sich brächten und "zwingend Gegenstand einer Umweltverträglichkeitsprüfung sein müssten". Soweit die Vorschriften, die diesen Schritt aus polnischer Sicht für Turow legitimiert hatten, sich nicht auf Einzelfälle, sondern generell auf alle Bergbaustätten beziehen, seien auch sie mit der europäischen UVP- Richtlinie nicht vereinbar.

Grundsätzliche Kritik am polnischen Verhalten

Deutliche Kritik übte Pikamäe zudem an der scheibchenweise erfolgten Veröffentlichung der polnischen Entscheidung zur Verlängerung bis 2026. Polen habe auch hier gegen das Unionsrecht verstoßen, "indem es diese Genehmigung erst fünf Monate nach ihrem Erlass und zudem unvollständig an die Tschechische Republik übermittelt" habe. Außerdem sei Polen nicht seiner Verpflichtung zu einer generellen Information der Öffentlichkeit nachgekommen. Pikamäe geht sogar noch weiter und sieht im Verhalten Polens, das in der Folge das Unterstützungsersuchen der Tschechischen Republik in dieser Angelegenheit gar nicht erst beantwortete, generelle EU-Ziele torpediert: Polen habe "gegen seine Verpflichtungen aus dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verstoßen", sagte der Generalanwalt. In diesem Fall sei besonders das "Ziel eines wirksamen Umweltschutzes" nicht erfüllt.

Dabei gibt es nicht nur von europäischer Seite Kritik an den Turow-Verlängerungen: Erst Anfang dieser Woche hatte es ein polnisches Gerichtsurteil zu Turow gegeben, in dem es ebenfalls um den Umgang mit dem Thema Umweltverträglichkeitsprüfung ging. Das Woiwodschaftsverwaltungsgericht in Warschau hat mit seinem Urteil die Verlängerung der Abbaugenehmigung für Turow bis 2044 blockiert. Die Entscheidung des Gerichts betrifft ein Verfahren, in dem es speziell um eine Klausel mit sofortiger Wirkung ging, die mit der für den Kohleabbau nötigen Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) verbunden war. Das Gericht hat diese Klausel nun für nichtig erklärt.