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Tagebau Turow darf weiter machen

Polens Klimaminister Michał Kurtyka hat die Ende April auslaufende Lizenz für die Grube verlängert. Allerdings nicht so lange wie vom Betreiber erhofft.

Von Irmela Hennig & Petra Laurin
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Der Tagebau darf weitermachen.
Der Tagebau darf weitermachen. © Matthias Weber

Aufatmen bei Mitarbeitern und Zulieferern des Tagebaus Turow in Bogatynia (Reichenau): Polens Klimaminister Michał Kurtyka hat die Lizenz vom 27. April 1994 mit der Nummer 65/94 für die Grube jetzt verlängert. Die aktuelle Betriebserlaubnis wäre am 30. April 2020 ausgelaufen. Nun also darf der Bergbautreibende PGE weiter Kohle fördern. Zuvor hatte schon die Breslauer Umweltbehörde zugestimmt. 

Allerdings gilt die nun erteilte Lizenz laut polnischen Medienberichten erst einmal für die nächsten sechs Jahre. Das Abbaufeld müsse zunächst um mehr als die Hälfte reduziert werden. Eigentlich wollte PGE in den nächsten 24 Jahren eine Fläche von 3.900 Hektar in Anspruch nehmen. Zwischen 2020 und 2038 sollten jährlich neun bis 11,5 Millionen Tonnen Kohle abgebaut werden, bis 2044 jährlich 3,5 bis sieben Millionen Tonnen.

Diese Ziele sind vorerst so nicht umzusetzen. Doch der Energiekonzern mit Sitz in Warschau hat erklärt, man bemühe sich um eine 25-jährige Genehmigung, das bedeutet bis das Feld erschöpft ist und die Betriebserlaubnis des Tagebaus endet. Damit wolle man die Rohstoffversorgung für das Kraftwerk Turow sicherstellen. 

Neuer Kraftwerksblock soll bis 2045 laufen

Hintergrund ist unter anderem, dass PGE gerade einen neuen Kraftwerksblock gebaut hat, der bis 2045 laufen soll. Allerdings munkeln Bergleute bereits, wenn die Tagebau-Lizenz nicht bis 2044 zu bekommen sei, werde Braunkohle aus dem Tagebau Bełchtow, dem größten Braunkohletagebau Polens, zur Versorgung herangeholt.

Nach eigenen Angaben versorgt das Unternehmen von Turow aus drei Millionen Haushalte mit Strom. In Grube, Kraftwerk und bei Zulieferern und Dienstleistern hängen rund 15.000 Jobs am Unternehmen. PGE-Vorstandsvorsitzender Robert Ostrowski begrüßte die Entscheidung und sagte in einer Medienmitteilung: "Heute braucht unser Land eine konstante und ununterbrochene Energieversorgung und der Energiekomplex Turow liefert diese Versorgung."

Im Rahmen des Lizenzierungsprozesses sei ein detaillierter Umweltbericht erstellt worden. Dieser enthalte Analysen der erwarteten Auswirkungen und nenne Maßnahmen, um diese zu minimieren. In den letzten Monaten hatte es aus Sachsen und Böhmen immer mehr Protest gegen die Fortführung des Kohleabbaus in Turow gegeben. In der tschechischen Region Hradek (Grottau) unterzeichneten knapp 13.000 Menschen eine Petition dagegen.

Dort fürchten die Bewohner, dass ihnen durch den Abbau das Trinkwasser verloren geht. Denn für einen Tagebaubetrieb muss Grundwasser abgesenkt werden, damit er nicht absäuft. Tschechien hat darum auch mit Messungen begonnen, die die Auswirkungen des Kohleabbaus erfassen sollen. Aus Sachsens Umweltministerium kam ebenfalls Kritik. Die Europäische Union befasste sich mit dem Thema. Daniel Gerber von der grünen Landtagsfraktion fand bedenklich, dass Polen die Anhörung der Einwände aus Deutschland scheinbar rein formal behandele. (mit mm)

Das sagt die tschechische Seite

„Die Entscheidung kam trotz eines klaren Einwands der tschechischen Regierung, trotz vieler Vorwürfe des EU-Parlaments und laufender Schritte der EU-Kommission, die zurzeit die Klage der Region Liberec prüft“, informierte die Sprecherin des Bezirksamtes (Liberecký kraj) in Liberec, Andrea Fulková, auf Nachfrage der Sächsischen Zeitung dazu. 

Die Verhandlung über die Verlängerung wurde abgeschlossen, ohne der Tschechischen Republik, der Region Liberec, den ökologischen Initiativen sowie der Öffentlichkeit die Möglichheit zu geben, sich in diesen Prozess einzuschalten.

„Es ist eindeutig, dass Polen alles dafür tut, die Grube weiter zu betreiben, ohne Rücksicht auf das polnische und europäische Recht“, betont Petra Urbanová, Rechtsanwältin der Gesellschaft Frank Bold Advokáti. Sie vertritt die Region in dieser Sache. „Es stehen auch sehr wenig Informationen zur Verfügung", so die Anwältin. Ihre Teilnahme an den Verhandlungen sei abgelehnt worden, sagt sie. 

Die tschechische Seite versuche mit allen Mitteln gegen die Erweiterung des Tagebaus in Turów zu kämpfen. Der Petitionsausschuss des EU-Parlaments befasst sich nun mit der Petition, die inzwischen 13.000 Menschen unterzeichnet haben. „Die polnische Seite macht einfach, was sie will. Deswegen haben wir uns an die Organe der EU gewendet. 

Die Schritte der EU-Kommission und des Parlaments haben uns Hoffnung gegeben“, sagte Jiří Löffelmann, Ratsherr des Bezirks Liberec. Er hatte die Petition Anfang März persönlich in Brüssel überreicht. Dort waren auch die tschechichen Greenpeace-Vertreter dabei sowie Bewohner aus Uhelná und Václavice ebenso wie auch die deutsche Europa-Abgeordnete Anna Cavazzini (Bündnis 90/Die Grünen).

Die Verlängerung des Tagebaus und Betriebes des Kraftwerkes bedeutet für 30.000 Anwohner der tschechischen Grenzregion womöglich einen Verlust ihrer Trinkwasserquellen. Sie befürchten auch Verschmutzung, Lärm oder ein Absinken des Bodens. Die Region verlangt von der polnischen Seite Garantien und Kompensationen für den eventuellen Schäden. 

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