111 Jahre Impfstoffwerk in Dresden, vielen bekannt als Sächsisches Serumwerk. 30 Jahre davon als Hauptstandort für Grippeimpfstoffe des britischen Pharmakonzerns GlaxoSmithKline (GSK), einem der größten der Welt. Die rund 750 fest angestellten Mitarbeitenden haben also gleich doppelten Grund zu feiern.
Sie feierten quasi rein – die offizielle Jubiläumsveranstaltung mit Prominenz aus Politik und Gesundheitswirtschaft fand am vergangenen Freitag statt. Doch der eigentliche Jubiläumstag ist der heutige Montag. Am 17. Oktober 1911 wurde das Sächsische Serumwerk und Institut für Bakteriotherapie als GmbH ins Handelsregister eingetragen. Gründer war der Odol-König und Vater des Hygiene-Museums, Karl August Lingner. Aus einem wissenschaftlichen Institut wurde ein Wirtschaftsunternehmen.
Und kein unbedeutendes. Mitten im Herzen der Stadt stellt das Werk, das unterm dem langen Namen GlaxoSmithKline Biologicals NL der SmithKline Beecham Pharma GmbH & Co.KG firmiert, jährlich 50 Millionen Dosen mit saisonalem Grippeimpfstoff her, der in rund 70 Länder der Welt verkauft wird.
Hinzu kommt pandemischer Grippeimpfstoffe und die Abfüllung von Hepatitis-Impfstoffen. Der Produktionsprozess unterliegt den Richtlinien der „Guten Herstellungspraxis“ (GMP) sowie gesetzlichen Vorgaben, deren Einhaltung fortlaufend kontrolliert und dokumentiert wird.
Wie wichtig das Dresdner Werk im GSK-Konzern ist, machte Alexandra Spang deutlich, die das Grußwort aus der Impfzentrale des Pharmariesen in Belgien am Freitag persönlich überbrachte. „Dresden ist das GSK-Herzstück der Pandemievorsorge“, betonte Spang.
Im Juli dieses Jahres hat das Unternehmen einen Vertrag mit der Europäischen Kommission geschlossen, der den Dresdner Standort in „Pandemiebereitschaftsstatus“ setzt. Im Falle einer Grippepandemie würden in der sächsischen Landeshauptstadt 85 Millionen Dosen des Impfstoffes Adjupanrix hergestellt werden, die in Frankreich und Belgien abgefüllt und dann an zwölf europäische Länder geliefert werden. „Ohne Dresden wird es in der nächsten Grippepandemie nicht gehen“, so Spang.
Über 350 Millionen Euro hat der Konzern in den vergangenen 30 Jahren in Dresden investiert und dabei wird es nicht bleiben. Eines der nächsten Investitionsprojekte ist die Modernisierung der Labore. Eigentlich würde GSK gern auf der anderen Straßenseite am Firmenstandort in der Zirkusstraße expandieren und dort ein Smart Lab bauen, in dem die Labore gleich für moderne, digitale Arbeitsweisen errichtet werden könnte. Das Grundstück gehört dem Unternehmen schon. Doch es erst einmal nur für einen Labor-Neubau zu erschließen, ist nicht wirtschaftlich.
Dresden in Konkurrenz mit 12 anderen Impfstoff-Standorten
Werkleiterin Jacqueline Schönfelder und ihr Team bemühen sich, zusätzliche pharmazeutische Produktion nach Dresden zu holen. Dabei steht der Standort jedoch im Wettbewerb mit den anderen 12 GSK-Impfstoff-Standorten und die Investitionsbedingungen in den jeweiligen Ländern auch innerhalb der EU sind sehr ungleich.
So gibt es in Belgien eine Patentbox oder auch Innovationsbox genannt, die steuerliche Anreize für Investitionen in Forschung und Entwicklung neuartiger Arzneimittel bietet. Und werden die dann noch in Belgien produziert, gibt es zusätzliche staatliche Förderung. Nicht nur, dass die Förderstruktur anderswo günstiger ist. In Deutschland will Gesundheitsminister Karl Lauterbach die tiefen Löcher, die die Corona-Pandemie in die Budgets der Gesetzlichen Krankenkassen(GKV) gerissen hat, mit einem neuen GKV-Finanzstabilisierungsgesetz stopfen.
Geplant sind höhere Zwangsrabatte für Innovationen und noch mehr Regulierung, die Mehrbelastungen in Milliardenhöhe bedeuten würden. Das könnte dazu führen, dass Zukunftsinvestitionen nicht mehr in Deutschland, nicht mehr in Sachsen getätigt werden.
Jubiläumsgast Michael Kretschmer kennt die Ängste. Der „Hakenfuß“ für die Erfolgsstory von GSK in Dresden sei die gesetzliche Krankenversicherung. „Diese ganze Regulierung muss so aufgestellt sein, dass wir nah an der Vernunft, an marktwirtschaftlichen Prinzipien sind. Man muss sich als internationales Unternehmen darauf verlassen können, was die Regeln sind“, betonte Sachsens Ministerpräsident in seiner Rede. Er versprach, dass sich die Landesregierung weiter dafür einsetze, die Förderbedingungen für Investitionen zu verbessern.
Denn sie bringen tarifgebundene Arbeitsplätze und sichern ein lebenswichtiges Produkt. „Impfen ist ein riesiger Fortschritt, auch wenn es durch Corona eine Schlagseite bekommen hat“, so Kretschmer. Dietmar Beier, Mitglied der sächsischen Impfkommission, belegte dies mit Zahlen. Im Jahr 1968 wären noch rund 28.000 Menschen in Sachsen an Masern erkrankt, 550 davon starben.
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Seit 2006 hätte es keinen einzigen Todesfall mehr gegeben. Ähnliche Entwicklungen gibt es bei Diphtherie. Da erkrankten 1943 über 17.000 Sachsen und etliche starben. „Viele Menschen kennen heute die Krankheiten und ihre möglichen tödlichen Ausgänge gar nicht mehr. Deshalb verstehen sie auch nicht, warum geimpft werden muss“, so Beier. Sie müssten sich fragen, warum es diese Infektionskrankheiten nicht mehr gibt.
Den Mitarbeitenden bei GSK ist das bewusst. Sie schützen jährlich Menschen vor gefährlichen Krankheiten weltweit und beweisen, dass sie die bestellte Menge an Impfstoffdosen immer pünktlich liefern.