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Experten bewerten künftige Nutzung von Atomkraft unterschiedlich

Die Energieversorgung ist wegen der russischen Aggressionspolitik derzeit Thema Nummer eins. Doch selbst Experten sind uneins, was die richtige Strategie für die Zukunft ist.

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Im sächsischen Ausschuss für Energie und Klima im Landtag ging es um die künftige Rolle der Atomkraft. Was ist die richtige Strategie.
Im sächsischen Ausschuss für Energie und Klima im Landtag ging es um die künftige Rolle der Atomkraft. Was ist die richtige Strategie. © Armin Weigel/dpa (Archiv)

Dresden. Experten bewerten die künftige Rolle der Atomkraft in der Energiekrise höchst unterschiedlich. Das ist das Fazit einer Anhörung von Sachverständigen am Donnerstag im Ausschuss für Energie, Klima, Umwelt und Landwirtschaft im Sächsischen Landtag.

Anlass der Anhörung war ein Antrag der AfD-Fraktion, die für längere Laufzeiten der drei noch vorhandenen Atomkraftwerke und einen späteren Kohleausstieg plädiert. Die Hälfte der sechs geladenen Experten äußerte sich kritisch zur Energiewende und sah zumindest theoretisch die Chance, Kernkraft über das Jahr 2022 hinaus zu nutzen. Die anderen sahen die Zukunft im stärkeren Ausbau Erneuerbarer Energien.

Robert Gersdorf von der Leipziger Strombörse erwartet noch über den nächsten Winter hinaus hohe und Anfang 2023 eventuell sogar steigende Energiepreise. Die mit den vorhandenen Atomkraftwerken (AKW) verfügbare Leistung sei nur gering, Kosten des Weiterbetriebes unklar. Zudem seien Sicherheitsüberprüfungen erforderlich. Erneuerbare Energien seien für die Wirtschaft dagegen inzwischen ein Standortfaktor.

Der Kernenergetiker Manfred Haferburg hielt einen Weiterbetrieb der AKW unter bestimmten Voraussetzungen technisch und organisatorisch für machbar. Die Kernkraftwerke könnten das Problem mit dem Gasmangel aber nicht allein lösen. "Sie können aber einen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten."

Mit den vorhandenen Brennelementen sei ein weiterer Betrieb bis August 2023 möglich, eine Anschaffung neuer Brennelemente innerhalb von zwölf Monaten machbar. Die Ausbauziele bei Erneuerbarer Energie hielt Haferburg für unrealistisch.

Regierung hält an Kohleausstieg 2030 fest

Frank Hennig, Diplom-Ingenieur für Kraftwerksanlagen und Energieumwandlung, kritisierte die gesamte Energiewende scharf. Deutschlands Ausstieg aus Kohle und Atom sei weltweit einmalig. Kein Land der Welt mute seinen Bürgern solche Energiepreise zu.

Die Regierung halte am Kohleausstieg 2030 fest, als gebe es immer noch ideale Bedingungen. Henning nannte das Realitätsverweigerung. Zwar werde es künftig mehr Windkraft und mehr Solarenergie geben, aber immer noch werde "die Sonne am Abend untergehen".

Der Kernchemiker Andreas Kronenberg hielt die Energiewende bereits für gescheitert und bezeichnete Erneuerbare Energien als "fatalen Irrweg". Frankreich sei nicht ohne Grund auf nahezu 100 Prozent Kernkraft umgestiegen. Sein Pro für die Kernkraft begründete er unter anderem mit der hochen Sicherheit der AKW in Deutschland. Allerdings hielt er eine Laufzeitverlängerung angesichts der Umstände derzeit nicht für realistisch.

Der Professor der Europa-Universität Flensburg, Pao-Yu Oei, referierte über den "Mythos" einer billigen und zuverlässigen Atomkraft. Sie sei nicht günstig, sondern werde politisch subventioniert. Man könne die Gaskrise nicht mit den drei verbliebenen Atommeilern überbrücken. Für deren Weiterbetrieb brauche man sehr viel Aufwand, viel Bürokratie und viel politischen Willen. Die Rolle der Atomkraft sei überschätzt, eine Kohleausstieg bis 2030 technisch möglich.

Christoph Pistner vom Öko-Institut Darmstadt begründete als Letzter in der Runde die Notwendigkeit, zügig aus fossilen Energien auszusteigen. Atomkraft könne den Ausfall an Gas nicht kompensieren. "Es gibt keine weltweite Renaissance der Kernenergie." Deutschland habe sich 2011 entschieden, aus der Kernkraft auszusteigen. An diesen Argumenten habe sich nichts geändert. (dpa)