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Wie lassen sich Zukunftsinvestitionen trotz Schuldenbremse finanzieren?

Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm diskutierte mit Sachsens Landeschef Michael Kretschmer, wie die Transformation finanziert werden kann.

Von Nora Miethke
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Ministerpräsident Michael Kretschmer diskutiert mit der Professorin für Volkswirtschaftslehre und Mitglied des Sachverständigenrates Wirtschaft, Prof. Dr. Veronika Grimm,  an der TU Dresden.
Ministerpräsident Michael Kretschmer diskutiert mit der Professorin für Volkswirtschaftslehre und Mitglied des Sachverständigenrates Wirtschaft, Prof. Dr. Veronika Grimm, an der TU Dresden. © Pawel Sosnowski

Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Einhaltung der Schuldenbremse herrscht große Unsicherheit, wie die Dekarbonisierung der Wirtschaft – etwa die Entwicklung klimaneutraler Produktionsverfahren – finanziert werden soll. Die dafür vorgesehene Verschuldung im Klima- und Transformationsfonds hat jedenfalls keine Rechtsgrundlage mehr.

Die Ökonomen Clemens Fuest, Michael Hüther und Jens Südekum haben in einem Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vorgeschlagen, die Investitionen für die Transformation zur Klimaneutralität mit Krediten zu finanzieren, die im Rahmen eines neuen Sondervermögens aufgenommen werden und das über die Verfassung abgesichert ist – nach dem Vorbild des Sondervermögens für die Bundeswehr. Für ein solches im Grundgesetz verankertes Sondervermögen ist eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag notwendig.

Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm hält von einem Sondervermögen für die Klimatransformation wenig. „Ohne Spezifikation wäre das ein Fass ohne Boden, denn unter dem Begriff Klimatransformation könnte man so gut wie alles verstehen“, sagte Grimm in einer Diskussionsveranstaltung mit Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer an der Technischen Universität Dresden (TUD). Sie ist Professorin für Volkswirtschaftslehre an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und seit 2020 Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung .

Dagegen hätte sie mit einem Transformationsfonds für die Wasserstoffbeschaffung weniger Probleme, wenn er wettbewerblich ausgeschrieben würde. In ihrem Vortrag warb sie dafür, grünen Wasserstoff zu importieren, statt ihn im großen Stil selbst zu produzieren, „um die Kostenvorteile zu nutzen und so den heimischen Strompreis senken zu können“. Dazu sei es notwendig, den Strukturwandel zuzulassen und die strategischen Handelspartnerschaften neu auszurichten. „Wir sollten die Kooperationen mit Lieferanten aus demokratischen Ländern wie Chile, Brasilien oder Australien verstärken“, forderte Grimm.

Investitionen in Wasserstoffhandel werden unterschätzt

Sie lobte, dass Sachsen und Tschechien ein Wasserstoffabkommen geschlossen haben, um gemeinsam eine grenzüberschreitende Infrastruktur voranzutreiben. Das sei ein wichtiger Schritt, „aber hier unterschätzt man das finanzielle Engagement, das die EU eingehen muss“, so die Ökonomin. So müsste ein Betrag in zwei- bis dreistelliger Milliardenhöhe investiert werden, um einen funktionierenden Wasserstoffhandel anzukurbeln. Das könne Deutschland allein nicht schaffen. „Die EU spielt eine wichtige Rolle, damit die energieintensive Industrie in Deutschland bleiben kann“, stellte Grimm klar.

Auch Michael Kretschmer betonte, dass man genau überlegen müsste, was „dieses Land wirklich braucht“. Er würde keinen Wasserstofffonds aufmachen, ein Investitionspaket etwa für die Bahn sei da dringlicher. Beide lehnten die Einführung einer allgemeinen Investitionsregel in die Schuldenbremse ab. Wenn man sich verschulde, dann für Investitionen in Bereiche, die einen Ertrag für künftige Generationen bringen. Allerdings sei hier die Abgrenzung sehr schwierig, welche Investitionen das sind. „So sind Bildungsinvestitionen wichtig, das sind vor allem Personalausgaben“, gab Grimm zu bedenken. Die aktuelle Schuldenbremse könnte jedoch „Anpassungen vertragen“, fügte die Wirtschaftsweise hinzu.

Ein Mittschnitt der Diskussion mit Veronika Grimm und Michael Kretschmer zu „Mehr Markt wagen“ ist im Internet bei youtube einsehbar.

https://youtu.be/LQv90kggixY?si=Zp26FcVO76r3W7Wj