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Pinkwart: Bildung ist der zentrale Hebel für den Strukturwandel

Andreas Pinkwart, langjähriger Rektor der Handelshochschule Leipzig und Ex-Wirtschaftsminister in Nordrhein-Westfalen, ist zurück in Sachsen. In seinem ersten Interview spricht er darüber, wie der Strukturwandel in den Kohleregionen gelingen könnte.

Von Nora Miethke
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Prof. Dr. Andreas Pinkwart, 62 Jahre, kehrt nach Sachsen zurück als Professor für Entrepreneurship und Innovationsmanagement an der TU Dresden. Foto: SZ/ Veit Hengst
Prof. Dr. Andreas Pinkwart, 62 Jahre, kehrt nach Sachsen zurück als Professor für Entrepreneurship und Innovationsmanagement an der TU Dresden. Foto: SZ/ Veit Hengst © Foto: SZ/ Veit Hengst

Herr Professor Pinkwart, was hat Sie bewogen, den Ruf an die TU Dresden anzunehmen?

Die TU Dresden ist eine der besten Universitäten in Deutschland. Ich habe es als große Ehre und Motivation empfunden, den Ruf auf die Exzellenzprofessur für Innovations- und Technologiemanagement erhalten zu haben.

Was haben Sie sich vorgenommen, in Sachsen umzusetzen?

Die Themen Technologietransfer, Entrepreneurship und Innovation beschäftigen mich seit Jahrzehnten. Hier forschungsbasiert und praxisorientiert zu schauen, wie man durch neue Methoden, einen geeigneten institutionellen Rahmen und neue Formen der Kooperationen diese Themen weiter vorantreiben kann – das ist für mich eine faszinierende Aufgabe.

Diese Themen sind auch entscheidend für einen erfolgreichen Strukturwandelprozess in den sächsischen Kohlerevieren. Wo sehen Sie Stärken und Schwächen?

Sachsen verfügt im bundesdeutschen Vergleich über den Vorteil erstklassiger Bildung. Das ist der zentrale Hebel. Ob Technologietransfer oder Innovation: der Ausgangspunkt ist Bildung, akademische wie berufliche Bildung über Berufsakademien oder duale Studiengänge. Sie tragen dazu bei, dass über alle Berufsgruppen hinweg, ein qualitativ sehr hohes Bildungsniveau in Sachsen herrscht. Hinzukommt die Bereitschaft und Leidenschaft dafür, sich mit Technik und Naturwissenschaften auseinanderzusetzen. Das treffe ich hier viel stärker an als an anderen Standorten. Profundes Wissen, Neugier und die Bereitschaft anzupacken, sind die Voraussetzung dafür, die Chancen des Neuen zu erkennen und zu nutzen. Im historischen Kontext sehe ich eine Parallele zu Nordrhein-Westfalen.

Andreas Pinkwart sieht eine besondere Stärke Sachsens in der Verbindung von Hardware und Software. Foto: Foto: SZ/ Veit Hengst
Andreas Pinkwart sieht eine besondere Stärke Sachsens in der Verbindung von Hardware und Software. Foto: Foto: SZ/ Veit Hengst © Foto: SZ/ Veit Hengst

Welche?

Im Rheinischen Revier wie in der Lausitz gibt es eine Nähe zu forschungsstarken Universitäten. Diese sind im 19. Jahrhundert gegründet worden, um den Umbau von der Landwirtschaft zur industriellen Wertschöpfung zu gestalten. Man hatte früh erkannt, dass es sich lohnt, in Wissenschaft, Forschung und Technologie zu investieren, um daraus das Wissen und die Menschen zu gewinnen, die diesen Wandel organisieren. Jetzt sind wir mitten in der vierten industriellen und zweiten informationellen Revolution und wieder sind Universitäten Treiber dieser Entwicklung. In dem die Universitäten jetzt mit Spitzenforschungseinrichtungen in das Lausitzer und das Mitteldeutsche Revier gehen, schlagen sie eine Brücke in diese Regionen hinein und setzen die Erfolgsstory fort. Dabei sehe ich eine besondere Stärke Sachsens in der Verbindung von Hardware und Software. Das ist weltweit ein Alleinstellungsmerkmal.

Was meinen Sie damit konkret?

Die TU Dresden ist nicht nur stark bei den digitalen Themen wie 5G und 6G, Quantenforschung und Künstliche Intelligenz, sondern auch exzellent bei den Materialwissenschaften, dem Maschinenbau und der Robotik wie auch den Energiesystemen der Zukunft, wo es neben Software auch um Hardware geht. Beides zusammen zu denken und weiterzuentwickeln, eröffnet vielfältige Chancen, neue Prozesse und Produkte zu entwickeln und in der Fläche zu realisieren, damit neue Arbeitsplätze entstehen.

Ein großer Erfolg ist die geplante Ansiedlung von zwei Großforschungszentren. Eignet sich Grundlagenforschung dazu, um einen regionalen Strukturwandel zu flankieren oder wäre anwendungsorientierte Forschung nicht erfolgversprechender?

Ich bin fest davon überzeugt, dass die Ansiedlung der GFZ eine kluge Entscheidung ist. Mit der Astrophysik und der Chemie der Zukunft konnten zwei herausragende Themenfelder besetzt werden. Es geht etwa darum größte Datenmengen klug und nachhaltig verfügbar zu machen, die Leistungsfähigkeit von Chips durch neue Produktionsverfahren voranzutreiben und seltene Rohstoffe durch neue chemische Verfahren zu ersetzen. Dabei wird sehr früh geschaut, wie man grundlegende Erkenntnisfortschritte nutzen kann, um neue Technologien zu entwickeln und über Spin-offs, Start-ups und andere Kooperationen mit der Industrie und dem Mittelstand in die Umsetzung zu bringen. 2038 ist in schnelllebigen Zeiten wie heute ein langer Zeitraum. Da kann man sich so große Projekte vornehmen, wenn man sie von Anfang an mit sichtbaren Andockpunkten wie den Aufbau von Innovations- und Gründer-Hubs mit neuen Gewerbe- und Industrieflächen verbindet. Sie signalisieren sowohl den Wissenschaftlern wie jenen im Tagebau tätigen Menschen und ihren Familien, dass hier etwas erwächst, was dauerhaft neue Arbeitsplätze schafft.