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Viel Kritik an EU-Vorstoß zu „grüner“ Atomkraft

Die EU-Kommission will Atomkraft und Erdgas als nachhaltig einstufen. Österreich will dagegen klagen. Auch in Deutschland wird der Vorstoß kritisiert.

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Das Atomkraftwerk in Grundremmingen wurde am Silvesterabend vom Netz genommen. Die EU-Kommission will Atomkraft und Gas dagegen einem Entwurf zufolge als „grüne“ Energieformen deklarieren.
Das Atomkraftwerk in Grundremmingen wurde am Silvesterabend vom Netz genommen. Die EU-Kommission will Atomkraft und Gas dagegen einem Entwurf zufolge als „grüne“ Energieformen deklarieren. © Stefan Puchner/dpa

Österreichs Klimaschutzministerin Leonore Gewessler hat mit rechtlichen Schritten gegen die EU-Pläne zur klimafreundlichen Einstufung von Atom- und Gaskraftwerken gedroht. "Sollten diese Pläne so umgesetzt werden, werden wir klagen", schrieb die grüne Politikerin auf Twitter, nachdem am Samstag der Entwurf der Europäischen Kommission für einen solchen Rechtsakt bekannt geworden war.

Investitionen in neue Akw sollen laut dem Entwurf als grün klassifiziert werden können, wenn sie neuesten technischen Standards entsprechen und wenn ein konkreter Plan für den Betrieb einer Entsorgungsanlage für hoch radioaktive Abfälle ab spätestens 2050 vorgelegt wird. Zudem müssten die neuen Anlagen bis 2045 eine Baugenehmigung erhalten. Auch Investitionen in neue Gaskraftwerke sollen übergangsweise unter strengen Voraussetzungen als grün eingestuft werden können.

Die EU-Kommission versuche mit ihrem Vorschlag, Atomkraft und Erdgas "grün zu waschen", schrieb Gewessler. "Denn Atomkraft ist gefährlich und keine Lösung im Kampf gegen die Klimakrise", fügte sie hinzu.

Schulze: "Atomkraft ist zu riskant, zu teuer und zu langsam"

Auch Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze hat sich gegen den Vorschlag der EU-Kommission gewandt, Atomenergie unter bestimmten Bedingungen als klimafreundlich einzustufen. "Atomkraft als nachhaltig einzustufen, ist schon in der EU falsch - im Weltmaßstab ist es absurd", sagte die SPD-Politikerin am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. "Atomkraft ist zu riskant, zu teuer und zu langsam, um der Welt beim Klimaschutz zu helfen. Sie wird daher niemals mehr als die heute rund fünf Prozent am weltweiten Energiemix stellen."

Für Entwicklungsländer sei die Kernenergie "aus guten Gründen keine Option". Wind- und Solaranlagen seien sowohl in Deutschland als auch in Afrika und anderen Teilen der Welt die deutlich bessere Alternative, meinte Schulze. In Gebieten ohne Netzanschluss könnten Menschen so dezentral mit Energie versorgt werden.

Linke: Deutschland soll mit Österreich klagen

Die Linke im Bundestag hat die Bundesregierung unterdessen aufgefordert, gemeinsam mit Österreich juristisch gegen EU-Pläne zur Einstufung von Atomkraftwerken als klimafreundlich zu vorzugehen. "Deutschland sollte den Klageweg Österreichs gegen die Einstufung der Atomkraft als nachhaltig und klimafreundlich unterstützen", forderte der Europaexperte der Fraktion, Andrej Hunko, am Sonntag in Berlin.

"Eine einfache Nicht-Zustimmung im EU-Rat reicht nicht und würde den Kommissionsvorschlag de facto durchwinken, weil dort eine qualifizierte Mehrheit notwendig ist, die aktuell nicht erreichbar ist." Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte am Vortag der Deutschen Presse-Agentur gesagt: "Eine Zustimmung zu den neuen Vorschlägen der EU-Kommission sehen wir nicht."

Hunko sagte: "Dieser Kommissionsvorschlag muss gestoppt werden. Das EU-Parlament kann dies mit einfacher Mehrheit ablehnen, die Bundesregierung sollte jedoch die österreichischen Klagebestrebungen mit aller Kraft unterstützen." Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Matthias Miersch hatte der dpa gesagt: "Deutschland sollte alle Möglichkeiten ausschöpfen, um auf europäischer Ebene eine Förderung dieser Technologie zu verhindern." Habeck hatte gesagt, es sei fraglich, "ob dieses Greenwashing überhaupt auf dem Finanzmarkt Akzeptanz findet". (dpa)