Was den Fremdiswalder Schicketanzhof besonders macht
Vom Futtermittel bis zur Wurst wird beim Schicketanzhof regional produziert. Die Produkte gibt es auch in Großweitzschen und Leisnig zu kaufen.
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Dirk Westphal
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Fremdiswalde/Cannewitz. Zufrieden grunzend liegen Ferkel im Stroh und schauen neugierig auf das, was vor den Boxen ihres Außenklimastalls passiert.
Dort steht Bernd Schicketanz, einer der beiden Geschäftsführer des Familienunternehmens „Schicketanzhof“ im Grimmaer Ortsteil Fremdiswalde.
Stolz präsentiert er die Anlage und weist auf die Besonderheiten hin. In den großzügigen Boxen gibt es eine Treppe zu den Tränken. Die Tiere können und müssen sich bewegen.
Sie bauen sich Nester, indem sie das vom Landwirtschaftsbetrieb selbst produzierte Stroh aus den Ballen verteilen, die im Stall liegen und regelmäßig erneuert werden. Es sieht alles sauber aus, auch den schweinetypischen Stallgeruch gibt es nicht.
Auf der anderen Seite des Stalles streckt ein Bulle der Rasse Limousin seinen wuchtigen Kopf durchs Gatter. Er lässt sich vom Chef kraulen, sieht ebenso zufrieden aus.
Wie auch die Kühe und Kälber der Rinderherden, die vorm Dorf über weite Strecken des Jahres ihre Zeit auf großzügigen Weiden und Wiesen verbringen.
Stressfreie und artgerechte Haltung
Stressfrei und artgerecht werden die Tiere gehalten, praktisch von der Geburt bis zur Schlachtung. Eine Philosophie des Unternehmens, das mittlerweile in dritter Generation weitaus mehr zu bieten hat, als Ackerbau und Viehzucht.
Die Anfänge des Landwirtschaftsbetriebes in seiner jetzigen Form gehen auf das Jahr 1991 zurück. Damals bekam die Familie die Felder zurück, die ab Anfang der 1960er-Jahre Teil der LPG waren.
„Mein Vater hat den Landwirtschaftsbetrieb wiedereingerichtet“, erzählt Bernd Schicketanz. Mit seinem Großvater heiratete 1936 ein Schicketanz auf dem Hof ein. Die Geschichte des Bauernhofes gehe seitens der großmütterlichen Seite aber schon über 200 Jahre zurück.
„Mein Großvater und mein Vater waren Landwirte. Letzterer hat vor der Wende gesagt, dass mein Bruder und ich erst einmal Handwerksberufe lernen sollen“, erinnert sich Bernd Schicketanz. Er wurde dann Instandhaltungsmechaniker, sein Bruder Klempner.
Während der zunächst noch arbeiten gegangen sei, stieg Bernd Schicketanz 1991 in die Landwirtschaft ein.
Mit 130 Hektar Ackerfläche begann das Familienunternehmen, heute sind es 990 Hektar, die zu bearbeiten sind. Bereits damals hätte der Vater mit Viehwirtschaft begonnen.
Gründung als Familienunternehmen
Ab 1996 stieß dann Bruder Jörg zum Unternehmen dazu, das der im vergangenen Jahr verstorbene Vater 2005 den beiden Söhnen übergab.
„Wir haben uns der Sache gestellt, 2005 das Unternehmen neu aufgestellt und standen vor der Frage: Hören wir auf mit der Viehproduktion?“, erzählt Bernd Schicktanz und erklärt: „Für den Marktpreis in der Form, wie wir produzieren, kann niemand mehr arbeiten.“
So stellte sich die Entscheidung, aufzuhören oder die ganze Vermarktung auszubauen.
„Wir haben uns für den zweiten Schritt entschieden, der Gründung einer Fleischerei-Direktvermarktung“, so der Unternehmer.
Das bedeutet, dass die Tiere, die auf dem Hof groß werden, in der eigenen Fleischerei verwertet und die Fleisch- und Wurstwaren in angeschlossenen Filialen vermarktet werden.
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Neben Fleischern, die angestellt wurden, leitete Jörg Schicketanz, der vor zwei Jahren überraschend verstarb, die Fleischerei. In dessen Fußstapfen ist mittlerweile sein Sohn Richard als zweiter Geschäftsführer getreten. Dieser hatte bereits jahrelang im Unternehmen mitgearbeitet.
Neben den beiden Unternehmenszweigen bestreitet der Schicketanzhof zudem einen Dienstleistungs-Handelsbetrieb, in dem landwirtschaftliche Dienstleistungen angeboten werden.
„Vom Mähdrusch bis zum Stroh pressen oder Mist streuen“, nennt Bernd Schicketanz nur ein paar Beispiele.
Mit viel Weitsicht hatten die beiden Brüder im Jahr 2006 im Nachbarort Cannewitz bereits ein ruinöses, völlig verfallenes Rittergut übernommen. Danach wurde begonnen, das unter Denkmalschutz stehende Objekt zu sanieren.
„Im Prinzip haben wir da unsere Fleischerei reingebaut“, sagt Bernd Schicketanz: „Nach allen EU-Richtlinien. Das war einfach auch immer die Vision meines Bruders. Wir haben gesagt, wir schließen den Kreis und geben nichts aus der Hand.“
Investitionen in Bestandsobjekte
Bernd Schicketanz zeigt sich auch unheimlich stolz darauf, dass Investitionen der Firma nie auf der grünen Wiese umgesetzt wurden.
„Wir haben immer – ob das unsere Stallanlage, unser Getreidelager, das Fahrsilo oder die Fleischerei war – alte Objekte genommen. Diese wurden saniert und von uns selbst, teilweise mit eigenen Handwerkern, ausgebaut. Wir haben keine Fläche versiegelt, sondern immer versucht, aus dem Ort wieder neue Werte zu schöpfen“, sagt Bernd Schicketanz.
„Wir leben hier mit dem Dorf und sind auch ein Ansprechpartner im Ort, wenn irgendwelche Feste sind.“ So fände zum Beispiel im Februar das Winter-Traktor-Treffen auf dem Hof statt, bei dem viele Tausend Leute anreisen würden.
Überhaupt sei der Betrieb bei seiner Gründung großzügig konzipiert und breit aufgestellt worden. So werden mittlerweile nicht nur die selbst produzierten Tiere geschlachtet, sondern diese Dienstleistung auch für Landwirte im Umland angeboten.
Das hätte den Vorteil, dass die Tiere keinem zusätzlichen Stress ausgesetzt sind. „Unsere eigenen Tiere fahren praktisch von Fremdiswalde nach Cannewitz. Das sind zwei Kilometer auf ihrem letzten Weg“, erklärt der Geschäftsführer.
Stressfreie Schlachtung
Danach werde das Fleisch vor Ort verarbeitet und in den eigenen Filialen vermarktet. Dabei verarbeite der Betrieb fast ausschließlich selbst produziertes Fleisch. Wenn dazu gekauft würde, dann aus regionaler Produktion.
Auch personell versucht die Firma Schicketanz, mit jungen Leuten aus der Region zu arbeiten. „Es ist aber überhaupt schwierig, Handwerker zu bekommen“, sagt Bernd Schicketanz und weiter: „Der Vorteil bei uns ist, dass ein Fleischer von der Schlachtung bis zur Verarbeitung alles lernt, es bei uns im Gegensatz zu anderen Betrieben nicht nur eine Verarbeitung gibt.“
Der Firmenchef denkt, dass diese Philosophie, die genauso für den Landwirtschaftsbetrieb gelten würde, sehr wertbeständig sei.
Nachhaltigkeit in der Ausbildung
„In unserem Team in der Landwirtschaft sind alles junge Kerle unter 33. Die sind hier ausgebildet, die wissen, wie wir ticken und um was es geht. Wer kann sich das irgendwo auf die Fahne schreiben?“, fragt Bernd Schicketanz.
So sei der Hof mit all seinen Sparten, obwohl es insgesamt 55 Angestellte gibt, unheimlich familiär aufgestellt. Nicht nur, weil die komplette eigene Familie in die Firma eingebunden sei.
Speziell in der Fleischerei mit angeschlossenem Cateringbetrieb und im Haus befindlichem Veranstaltungsboden, müsse man sich auf die Angestellten verlassen können, da diese – im Gegensatz zur Geschäftsführung – das Handwerk gelernt hätten.
„Wir hatten da am Anfang auch einige alte Fleischer, die ihre Rezepturen zum Teil mitgebracht und uns anvertraut haben“, erklärt Bernd Schicketanz. Dabei bestünde die Kunst für die Fleischer darin, immer die gleiche Qualität hinzubekommen.
„Die Schweine leben in Gruppen zu 130 Tieren, wovon wöchentlich etwa 25 geschlachtet werden. Da sind die letzten fetter als die ersten, was es in der Produktion zu beachten gilt.“
Neben den Schweinen würden wöchentlich etwa zwei Rinder oder auch Tiere von anderen Erzeuger geschlachtet. Da hängt schon mal Wild im Kühlraum oder auch Fleisch aus dem Bison-Gehege in Wermsdorf, so Schicketanz.
Begonnen mit der Fleischproduktion, natürlich – nicht in den Dimensionen wie heute – hat der Schicketanzhof bereits Anfang der 1990er-Jahre. Alle ein bis zwei Wochen sei ein Schwein geschlachtet worden.
Die Produkte der Hausschlachtung wurden dann im kleinen Hofladen vermarktet. „Das waren eigentlich die ersten Erfahrungen“, so der Firmenchef.
Ärger über Bürokratismus
Heute hadert Bernd Schicketanz teilweise mit Genehmigungsverfahren und behördlichen Auflagen.
„Manchmal hat man als Chef keinen Bock mehr, sich den ganzen Gängellungen zu unterwerfen. Ich glaube, der große Schindluder wird in ganz anderen Branchen getrieben, aber nicht hier, wo regional produziert wird, wo ich für das Produkt mit meinem Namen stehe“, so der 54-Jährige, der anfügt: „Einen schlechten Ruf hat man schnell, aber einen guten muss man sich erarbeiten.“
Dass die Firma Schicketanz einen guten Ruf genießt, zeigt sich nicht nur in der Fleischerei in Cannewitz, wo gleich mal Kunden vorfahren und bestellte Fleisch- und Wurstwaren ordern.
Vielmehr zeugen seit kurzem Urkunde und Medaille des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie von der hohen Qualität der hergestellten Waren.
Auszeichnung für Bisonwurst
So wurden das Team der Fleischerei Cannewitz und das Bison-Gehege Wermsdorf für eine „Pfefferbeißer“ bei der Messe „ISS GUT“ mit einer Goldmedaille ausgezeichnet.
Das Fleisch kommt aus dem acht Kilometer entfernten Ort, wo das Tier stressfrei per Weideschuss getötet wird, um dann in Cannewitz nach einem von Fleischer Markus Probst entwickelten Rezept veredelt zu werden.
Dem jungen Mann, der bereits zehn Jahre im Unternehmen arbeitet, ist der Stolz auf sein Produkt deutlich anzumerken. Er verrät: „Das Geheimnis der Wurst sind ganze grüne Pfefferkörner.“
Zu kaufen sei das Produkt allerdings nur am Bison-Gehege in Wermsdorf, nicht in den derzeit fünf Filialen der Firma Schicketanz in Mutzschen, Großweitzschen, Leisnig, Burkartshain oder Leipzig.
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Dabei bereitet dem Geschäftsführer der Standort Leipzig die meisten Sorgen, denn er findet keine Fleischereifachverkäuferin, um seine Waren an den Mann oder die Frau zu bringen.
„Das Thema Fleisch wird in der Großstadt wahrscheinlich auch ganz anders angefasst als in einer ländlichen Gegend“, denkt Bernd Schicketanz und fügt an: „Aber man soll uns ordentlich produzieren lassen. Und wenn nicht hier, wo sonst, wird regional produziert.
Vom Futtermittel bis zum Produkt. Nach diesen Standards, nach denen wir produzieren, möchte ich behaupten, sind wir in der EU die kontrolliertesten Betriebe überhaupt.“ Da bräuchte er auch kein Biosiegel.
Gläsernerer Erzeuger
So kämen dreimal in der Woche die Veterinäre zur Kontrolle, die vor der Schlachtung im Stall die Lebendbeschau der Tiere vornehmen, und danach die Fleischbeschau machen.
„Was wollen wir noch? Gläserner können wir uns nicht mehr gestalten“, sagt Bernd Schicketanz, „Ich bin in erster Linie Landwirt und daran interessiert, dass es meinen Tieren gut geht.“
Denn würde es den Tieren nicht gut gehen, würde sich das auch an der Fleischqualität und eben am Endprodukt zeigen. „Und ich brauche Qualität an der Theke, denn es ist ja ein Kreislauf“, so der Hof-Chef.
Zunehmend schwierig sei in der heutigen Zeit, wo die Kundschaft mehr auf Qualität als auf Menge schaut, die Kalkulation. Angefangen bei Gewürzen über Wurstdärme bis hin zu Gläsern, die eingekauft werden müssen.
Kein Vergleich mit Supermarkt
„Wir müssen uns mit keinem Supermarkt, der eingeschweißte Wurst anbietet, messen. Das wollen wir auch gar nicht. Aber wir müssen dem Verbraucher in Ostdeutschland ein Produkt servieren, das er sich leisten kann“, sagt Bernd Schicketanz.
Dieses Prinzip spiegelt sich in den Läden wider, wo neben Hausgeschlachtetem auch Innovationen des jungen Teams, wie Roster in verschiedenen Geschmacksrichtungen, angeboten werden.
„Mein Bruder hatte noch viele Visionen, die er mit dem Fleischereibetrieb verwirklichen wollte“, sagt Bernd Schicketanz.
Er schätze sich glücklich, dass neben seiner Frau Carola, „der guten Seele des Unternehmens, bei der alle Fäden zusammenlaufen“, auch Neffe Richard sowie seine beiden Töchter Anja und Stephanie in den Betrieb eingestiegen sind und verantwortungsvolle Aufgaben übernommen haben.
„Und wenn man sieht, wie jetzt die Enkel von fünf Jahren abwärts auf dem Hof groß werden, stimmt es mich zuversichtlich, dass der Hof irgendwann so weitergeführt wird“, ist sich Bernd Schicketanz sicher.
„Vielleicht ein bisschen anders, vielleicht etwas moderner. Aber ich sage immer: Die Kälber werden hier geboren und gehen hier als Fleisch wieder heraus. Was wollen wir als Erzeugerbetrieb noch besser machen?“