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Sachsen erwartet für dieses Jahr steigende Arbeitslosigkeit

Das jahrelange Beschäftigungswachstum in Sachsen ist vorbei. Agenturchef Klaus-Peter Hansen sieht jetzt einen Schrumpfkurs. Nach seiner Ansicht wird es an den Menschen in Sachsen liegen, ob die Risiken die Chancen überwiegen.

Von Georg Moeritz
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Die Arbeitslosigkeit in Sachsen wird in den nächsten Monaten steigen, die Beschäftigung sinken - das ist die Prognose von Behördenchef Klaus-Peter Hansen.
Die Arbeitslosigkeit in Sachsen wird in den nächsten Monaten steigen, die Beschäftigung sinken - das ist die Prognose von Behördenchef Klaus-Peter Hansen. © Sebastian Schultz

Dresden. In diesem Jahr wird die Arbeitslosenquote in Sachsen von jetzt 6,2 auf über sieben Prozent steigen, schätzt Klaus-Peter Hansen. Der Chef der Regionaldirektion Sachsen der Bundesagentur für Arbeit sagte am Mittwoch in Dresden, die Arbeitslosigkeit werde „auch auf mittlere Sicht“ steigen. Wegen der Energiekrise und der gestiegenen Kosten erwarte er zunächst keine Entlastung der Unternehmen. „Das Leben wird nicht billiger“, das bremse auch die Nachfrage nach Produkten.

Hansen sagte, der Arbeitsmarkt sei weiterhin widerstandsfähig. Unternehmer überlegten dreimal, bevor sie jemanden entließen. Doch sie seien verunsichert und stornierten zunehmend Aufträge an die Arbeitsagentur. Im vorigen Jahr meldeten sie fast zehn Prozent weniger freie Stellen. Dennoch stehen noch immer fast 38.000 freie Arbeitsplätze in den Computern.

Mitte Dezember waren in Sachsen 132.097 Menschen arbeitslos gemeldet. Das waren 2.066 mehr als im November und 9.875 mehr als ein Jahr zuvor. 11.900 Menschen aus der Ukraine sind in Sachsen arbeitslos gemeldet, etwa 8.300 Ukrainer haben hier Arbeit. Hansen wies darauf hin, dass zunehmend mehr Sachsen in Rente gehen, als aus den Schulen nachrücken. „Wir haben nicht genügend Kinder auf die Welt gebracht“, sagte er.

Sachsen gehen in Rente, Ausländer ersetzen sie

Die Beschäftigung in Sachsen ist in den vergangenen Jahren trotzdem gewachsen – aber zunehmend mit Hilfe von Ausländern. Mitte vorigen Jahres waren acht Prozent der Beschäftigten mit Sozialversicherung in Sachsen Ausländer. Innerhalb eines Jahres sank die Zahl der beschäftigten Deutschen um fast 11.000, während mehr als 13.000 Ausländer hier zusätzlich Arbeit fanden.

Hansen betonte erneut, Sachsen benötige auch Zuwanderung. Es werde „an den Menschen in Sachsen liegen“, ob die Risiken die Chancen überwiegen. Auch Automatisierung und Digitalisierung würden dazu beitragen, den Mangel an Arbeitskräften auszugleichen. In Sachsen gebe es mehrere Transformationen. Dazu gehöre auch der Umbau der Auto-Industrie. Südwestsachsen mit seiner Produktion von Elektroautos habe "eigentlich die Transformation hinter sich". Doch nun sei die Produktion gebremst. "Nach der Transformation ist vielleicht vor der Transformation", sagte Hansen.

Klaus-Peter Hansen ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Sachsen in Chemnitz. Er ist grundsätzlich Optimist, sieht aber einige Risiken in den kommenden Monaten.
Klaus-Peter Hansen ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Sachsen in Chemnitz. Er ist grundsätzlich Optimist, sieht aber einige Risiken in den kommenden Monaten. © Archivfoto: Matthias Rietschel

Die Beschäftigung in Sachsen hat laut Hansen den Gipfel überschritten und wird in den nächsten Monaten kontinuierlich zurückgehen. Seit sieben Monaten registriere die Arbeitsagentur mehr Entlassungen von Beschäftigten als Einstellungen von Arbeitslosen. Zwar gebe es Wachstum in manchen Dienstleistungsbranchen, etwa im Gesundheitswesen. Aber die Belegschaften schrumpften in wichtigen Branchen, in denen "der Wohlstand erwirtschaftet" werde: auf dem Bau, in Industrie und Handel.

Sachsens Arbeitsminister Martin Dulig (SPD) sagte, auf den ersten Blick sei es paradox, dass die Arbeitslosigkeit trotz Arbeitskräftemangels steige. Es müsse besser gelingen, Bewerber und Stellen zusammenzubringen – vor allem mit Weiterbildung. Hansen sagte, die Arbeitsagenturen hätten die nötigen Finanzmittel. Aber die Jobcenter, die auch für Langzeitarbeitslose zuständig sind, seien von Einsparungen beim Bund betroffen. Sie müssten auswählen, wer eine Weiterbildung oder andere Hilfen bekommen könne.

Auf die Frage, ob sich Auspendler zurückgewinnen ließen, sagte Hansen, leider sei der Mensch ein Gewohnheitstier. Wer pendle, passe sich diesem Lebensrhythmus an - das habe er selbst lange getan. Hansen war auf verschiedenen Stationen der Bundesagentur für Arbeit, unter anderem Leiter des Jobcenters Berlin-Neukölln. Er sagte, die wenigsten Pendler machten eine "Kalkulation". Beim Gehaltsvergleich sei Sachsen zwar "nicht wettbewerbstauglich". Doch die Löhne seien in den vergangenen Jahren stark gestiegen. 2012 bekam ein sozialversicherter Mensch in Sachsen auf einer Vollzeitstelle im Mittel noch 2.109 Euro, im Jahr 2022 war die Summe auf 3.012 Euro gestiegen.

Arbeitslosigkeit in Deutschland ebenfalls gestiegen

Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland insgesamt ist im Dezember 2023 im Vergleich zum November vor allem saisonbedingt um 31.000 auf 2,637 Millionen Menschen gestiegen. Die Arbeitslosenquote sei um 0,1 Punkte auf 5,7 Prozent nach oben gegangen, teilte die Bundesagentur für Arbeit am Mittwoch in Nürnberg mit. Im Vergleich zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres stieg die Zahl der Arbeitslosen um 183.000. Die Bundesagentur griff für die Statistik auf Datenmaterial zurück, das bis zum 13. Dezember vorlag.

"Mit Beginn der Winterpause haben Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung im Dezember, wie in diesem Monat üblich, zugenommen", sagte die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur, Andrea Nahles in Nürnberg. Auch ein leichter Anstieg der Kurzarbeit sei zu verzeichnen. Allerdings wachse auch die Beschäftigung weiter, und die Nachfrage der Unternehmen nach neuem Personal hat sich im Dezember nicht weiter abgeschwächt." Im Dezember verzeichnete die Bundesagentur 713.000 offene Stellen, 68.000 weniger als ein Jahr zuvor. Die Nachfrage nach Arbeitskräften sinke auf hohem Niveau schon seit Ende 2022.

Nahles betonte, das abgelaufene Jahr 2023 zähle insgesamt zu den Jahren mit der niedrigsten Arbeitslosigkeit seit der deutschen Wiedervereinigung. Die schwache Konjunktur habe jedoch Spuren am Arbeitsmarkt hinterlassen. Im Jahresdurchschnitt seien 2,609 Millionen Menschen arbeitslos gewesen, 191.000 mehr als im Schnitt des Vorjahres. Die Kurzarbeit habe sich im langjährigen Vergleich auf moderatem Niveau bewegt. (mit dpa)