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Rekordstreik in Espenhain: Über 4 Monate Arbeitskampf und die Firma verhandelt noch immer nicht

Noch nie haben Beschäftigte der Metallindustrie so lange gestreikt wie jetzt in Espenhain. Selbst Sachsens Ministerpräsident blitzt im Bemühen um Vermittlung bei Arbeitgebern ab.

Von Gunnar Klehm
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Der Verhandlungsführer der IG Metall, Michael Hecker, wartet auf die Rückkehr der Arbeitgeber von SRW metalfloat an den Verhandlungstisch.
Der Verhandlungsführer der IG Metall, Michael Hecker, wartet auf die Rückkehr der Arbeitgeber von SRW metalfloat an den Verhandlungstisch. © kairospress

Es ist der längste Streik in der Geschichte Deutschlands. In Sachsen sind die Beschäftigten der Recyclingfirma SRW metalfloat in Espenhain seit 8. November vorigen Jahres im unbefristeten Streik. Bislang galt ein 123 Tage dauernder Streik von Metallern beim Windradhersteller Vestas als der längste. Danach einigten sich dort Gewerkschaft und Arbeitgeber. Bei SRW ist das weiterhin nicht absehbar.

„Das ist ein bitterer Rekord. Wir sind nicht angetreten, um Rekorde zu brechen, sondern um die Arbeitsbedingungen hier bei SRW zu verbessern“, erklärt Michael Hecker, der Verhandlungsführer der IG Metall. Die Geschäftsführung des Unternehmens verweigert jegliche Verhandlungen.

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Außergewöhnlicher Fall

Bundes- und Landespolitiker fast aller Parteien waren schon in Espenhain, um mit den Streikenden zu sprechen. Zuletzt reiste sogar Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) an. Dabei sicherte er den Beschäftigten zu, sich dafür einzusetzen, den Unternehmenschef aus China an den Verhandlungstisch zu bitten. Bislang jedoch ohne Erfolg.

Es sei eine zunehmend verfahrene Situation, bei der er trotzdem helfen möchte, erklärte Kretschmer gegenüber Sächsische.de. Dazu müsse aber die Bereitschaft auf beiden Seiten vorhanden sein.

Bei der Gewerkschaft steht man dem positiv gegenüber. Nur wenn man an einem Tisch sitze, könne man über alles verhandeln. Das gilt auch dafür, dass ein Schlichter einen Lösungsvorschlag erarbeiten könnte. Dass das in diesem außergewöhnlichen Fall sogar der Ministerpräsident sein könnte, darauf wollte sich Kretschmer nicht festlegen lassen. Wichtig sei erst mal, dass beide Parteien wieder an einen Tisch kommen und miteinander sprechen.

Börsennotiertes Unternehmen

Die IG Metall fordert für die Beschäftigten von SRW Metalfloat acht Prozent mehr Entgelt, eine Erhöhung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes auf je 1.500 Euro und eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit auf 38 Stunden.

Das Unternehmen SRW Metalfloat gehört zur Scholz Recycling Gruppe mit Sitz in Essingen in Baden-Württemberg. Ende 2016 übernahm mit der Chiho Environmental Group Limited ein börsennotiertes Schrottrecyclingunternehmen aus China die Scholz Holding GmbH. Die Chiho Environmental Group residiert in Hongkong und ist auf den Cayman Islands registriert. Der CEO der Scholz Recycling GmbH, Yongming Qin.

Dieser soll der Geschäftsführung vor Ort in Espenhain bereits im August 2023 die Befugnis entzogen haben, Tarifverhandlungen zu führen. Das erklärt die IG Metall. Seit November wird auf Presseanfragen von SRW eine E-Mail immer gleichen Inhalts verschickt. Darin heißt es, dass den von den Verhandlungen betroffenen Beschäftigten eine Entgelterhöhung von ca. 7 bis 8,5 Prozent rückwirkend ab dem 1. Januar 2024 angeboten wird. Eine Erhöhung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld solle es aber nicht geben, ebenso wenig eine Arbeitszeitverkürzung.

Wirtschaftlicher Schaden

Laut Gewerkschaft dieses Verhalten jedoch nicht typisch für chinesische Investoren. Es gäbe auch zahlreiche Beispiele, wo Tarifeinigungen erzielt worden sind, erklärt Hecker. Für ihn sei das Ausdruck der antidemokratischen Haltung eines Unternehmers. Der wirtschaftliche Schaden, den das Unternehmen damit nimmt, werde in Kauf genommen. "Das ist bei dieser langen Zeitdauer inzwischen ein Angriff auf die Würde der Beschäftigten", sagt Hecker.

Er würde sich freuen, wenn eine Initiative der Politiker erfolgreich wäre und die Geschäftsführung wieder an den Verhandlungstisch bringen würde. Bis dahin hätten die im Ausstand befindlichen Beschäftigten keine andere Option, als weiter zu streiken. Am Donnerstag, 14. März, will eine Delegation der Streikenden nach Berlin fahren und dort einen Offenen Brief direkt an den Botschafter der Volksrepublik China überreichen.

Die Gewerkschaft zahlt den mehr als 100 Streikenden ein Streikgeld. Das wird individuell entsprechend der Beitragshöhe jedes Gewerkschaftsmitglieds gezahlt und beträgt um die 350 Euro pro Woche. Das zu zahlen, sei auch langfristig kein Problem, versichern Gewerkschaftsvertreter.

„Wenn Arbeitgeber Verhandlungen stur verweigern, die Rolle von Gewerkschaften nicht anerkennen und Tarifverträge aus purer Ideologie ablehnen, haben wir in unserer Gesellschaft ein handfestes Problem, das weit über den konkreten Fall SRW metalfloat hinausweist“, erklärt Jürgen Kerner, Zweiter Vorsitzender der IG Metall. „Dieses undemokratische Verhalten stößt auf unseren erbitterten Widerstand. Die ganze IG Metall steht geschlossen hinter den Streikenden und ihrem Anliegen.“

Problematisch ist jedoch, dass wenige Beschäftigte sich dem Streik nicht angeschlossen haben und Maschinen, wenn auch stark reduziert, am Laufen halten.