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Keine Ersatzfeiertage in Sachsen

Sachsens Landtag hat sich der Linken-Idee verweigert, Feiertage nachzuholen, wenn sie aufs Wochenende fallen. Jetzt kämpft der DGB um paritätische Finanzierung des Buß- und Bettags.

Von Michael Rothe
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Der Blick auf den Kalender sorgt zum bevorstehenden Jahreswechsel bei vielen Arbeitnehmern für Unmut.
Der Blick auf den Kalender sorgt zum bevorstehenden Jahreswechsel bei vielen Arbeitnehmern für Unmut. © Marco Klinger, Montage: SZ-Bildstelle

Es klang verlockend: Sachsens Beschäftigte hätten zum Jahresendspurt kurzfristig zwei freie Tage mehr haben können, als ihnen laut Kalender 2022 zusteht. Doch der Landtag lehnte am Mittwoch einen Gesetzentwurf der Linken ab, der Nachholtage für den 1. Weihnachtstag und Neujahr vorsah – wie fortan für alle Feiertage, wenn sie auf ein Wochenende fallen.

Die Partei beruft sich auf den „grundgesetzlich garantierten Schutz im Hinblick auf Arbeitsruhe und seelische Erhebung“. Gesetzliche Feiertage seien „regelmäßig zusätzliche, grundsätzlich (arbeits)freie Tage zu den ohnehin arbeitsfreien Wochenendtagen“, argumentiert Die Linke, die ferner von „unerheblichen Mehrausgaben“ für Freistaat und Kommunen spricht.

2022 fallen Neujahr, 1. Mai und der 1. Weihnachtstag auf ein Wochenende und so zur zusätzlichen Erholung aus – wie auch der kommende 1. Januar. Voriges Jahr gingen Arbeitnehmern in Deutschland so gar fünf freie Tage verloren. Während Ostern, Pfingsten, Christi Himmelfahrt, Reformationstag sowie in Sachsen der Buß- und Bettag fest fixiert sind, wandern andere durch die Woche.

"Eine schöne Sache, aber..."

Doch die Revolution im Kalender fällt aus. Der Obmann der SPD-Fraktion äußert laut Beschlussempfehlung des Innenausschusses zwar „große Sympathie“, die aber nicht von der ganzen Koalition geteilt werde. Der CDU-Vertreter spricht von einem „schmeichelhaften Gesetzentwurf“. Ein gesicherter Feiertag sei auf den ersten Blick eine schöne Sache, man müsse aber auch fragen, wozu es Feiertage gebe. Es gehe nicht um zusätzliche Urlaubstage, sondern um religiöse und gesellschaftspolitische Gründe. Und man könne die Deutsche Einheit ja auch am Wochenende würdigen. Ein nachgeholter Feiertag ginge ferner zulasten der Arbeitgeber.

Der AfD-Gesandte ergänzt, dass sich Sachsen Vorteile gegenüber den anderen Bundesländern verschaffen würde. Die Bündnisgrünen haben „Verständnis für das Grundanliegen“, lehnen aber ab, „weil aus dem Feierabend ein erweiterter Urlaubsanspruch abgeleitet werde“. Für Erholungsurlaub sei aber der Bund zuständig. Letztlich empfiehlt der Ausschuss mit 16:2-Stimmen die Ablehnung des Gesetzentwurfs.

In der Landtagsdebatte selbst verweist Linken-Fraktionschef Rico Gebhardt am Mittwoch darauf, dass es nicht um zusätzliche Feiertage gehe. „Wir wollen aber, dass die Menschen in Sachsen alle Feiertage bekommen, die ihnen zustehen – auch dann, wenn diese aufs Wochenende fallen.“ Das würde die Zufriedenheit und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten steigern und Sachsen als Arbeitsort attraktiver machen.

Grundgesetz als Partycrasher

Man könne den 3. Oktober nicht am 4. Oktober feiern, hält Ronny Wähner von der CDU dagegen und nennt den Gesetzentwurf „schwachsinnig“. Sebastian Wippel von der AfD spricht von „linkspopulistischem Unsinn“, der den Freistaat jährlich im Schnitt vier Tage Wertschöpfung kosten würde. Laut Valentin Lippmann von den Bündnisgrünen winkt bei der „sympathischen Forderung“ das „Grundgesetz als Partycrasher“. Urlaubsrecht regele der Bund, die Länder könnten Ansprüche nicht ausweiten. Henning Homann von der SPD sieht zwar auch eine wachsende Arbeitsbelastung der Beschäftigten, verweist aber ebenso auf die Kompetenz des Bundes.

Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) will den feierlichen Geist von Feiertagen nicht anfassen. Zudem koste ein freier Feiertag den Freistaat laut Ifo-Institut 162 Millionen Euro an Bruttoinlandsprodukt, der Summe aller produzierten Waren und Dienstleistungen. Er empfehle „aus rechtlichen, christlichen und vor allem finanziellen Gründen die Ablehnung des Gesetzentwurfs". Dem kommen die Abgeordneten mit großer Mehrheit nach.

Sächsische.de hatte unlängst berichtet, dass zwei Dresdner Unternehmer die endlose Diskussion leid waren und ihren Mitarbeitern in Eigeninitiative eine Feiertagsgarantie geben. Bei der Steuerberatung von Ken Berger und beim IT Dienstleister Alltrotec von Sebastian Strobel werden solche Feiertage nun auf Freitag vorgezogen. Wer von ihren Beschäftigten an dem Tag die Erreichbarkeit für Kunden sicherstellt, hat am Montag danach frei, Urlauber bekommen den Tag gutgeschrieben. Die Umsetzung sei „eher eine Frage der Organisation als der Mehrkosten“, sagt Berger. Die Arbeit werde nur anders verteilt. Feiertagsgarantie®, die sich Berger schützen ließ, verfange in Jobanzeigen, bestätigt Strobel, der den Begriff nutzen darf.

Noch drei Jahre Geduld nötig

Was die Feiertagspioniere für ihre Firmen entschieden haben, gilt ähnlich und dort vom Gesetzgeber festgelegt, in Großbritannien, Irland, Australien und gut 80 Staaten. In Belgien können Beschäftigte den Ersatztag sogar frei wählen, in Italien gibt es statt Freizeit einen Lohnausgleich.

Auch in Deutschland wird seit Jahren diskutiert, doch die Politik tut sich schwer. Die je nach Region zehn bis zwölf Feiertage im Jahr sind dort Ländersache. „Ich bin sehr dafür, dass es Regelungen im Sinne der Beschäftigten gibt, was das Nachholen von Feiertagen angeht“, sagt Sachsens Arbeitsminister Martin Dulig (SPD) auf Anfrage. Seine Priorität gelte aber der Gleichstellung des Buß- und Bettages mit anderen Feiertagen. „Ich möchte diesen Tag nicht opfern“, so Dulig. Es müssten mehrere Sozialgesetzbücher geändert werden, „um die bestehende Lex-Sachsen da wieder herauszubekommen“.

Derweil fordert der DGB Sachsen, den Sonderweg des Freistaats bei der Finanzierung der Pflegeversicherung zu beenden und für eine paritätische Finanzierung zu sorgen. Seit 27 Jahren zahlten die Beschäftigten dort Monat für Monat drauf und würden massiv benachteiligt, sagt Sachsens stellvertretende DGB-Chefin Daniela Kolbe. Sie müssten ein halbes Prozent mehr als in anderen Bundesländern abführen und bezahlten so den nur in Sachsen arbeitsfreien Buß- und Bettag aus eigener Tasche. Das müsse endlich geändert werden. "Die Arbeitgeber müssen wie üblich die Hälfte der Beiträge zur Pflegeversicherung zahlen“, so die Gewerkschafterin.

Übrigens: Wäre der Gesetzentwurf der Linken durchgekommen, hätten schon der kommende 1. Weihnachtstag sowie Neujahr – beide an einem Sonntag – am folgenden Dienstag bzw. Montag nachgeholt werden können. Nun heißt es: Noch drei Jahre Geduld! 2025 winkt ein arbeitnehmerfreundliches Jahr mit nur freien Feier- und vielen Brückentagen zur Urlaubsverlängerung.

Uneinigkeit über freie Feiertage

  • Die Festlegung von Feiertagen ist in Deutschland Ländersache.
  • Laut dem Meinungsforschungsinstitut Yougov ist etwa die Hälfte der Deutschen dafür, Feiertage vom Wochenende am Montag nachzuholen. Ein Drittel der Befragten lehnt das ab.
  • Sachsen hat sechs datumsfeste gesetzliche Feiertage: 1. Januar (Neujahr), 1. Mai (Tag der Arbeit), 3. Oktober (Tag der Einheit), 31. Oktober (Reformationsfest), 25./26. Dezember (1./2. Weihnachtstag).