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Sachsens Spediteure sind empört über die neue Lkw-Maut

Die sächsische Logistikbranche tobt. Zu teuer, kaum zielführend – so ihr Urteil über das neue Maut-Gesetz. Auch beim verschonten Handwerk hält sich der Jubel in Grenzen.

Von Michael Rothe
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Marko Weiselowski, Vorstand des Logistiknetzwerks Mitteldeutschland, weiß als Chef der Sachsenland Transport & Logistik GmbH Dresden aus erster Hand um die Folgen des neuen Mautgesetzes.
Marko Weiselowski, Vorstand des Logistiknetzwerks Mitteldeutschland, weiß als Chef der Sachsenland Transport & Logistik GmbH Dresden aus erster Hand um die Folgen des neuen Mautgesetzes. © Ronald Bonß

Kathleen Kitsche, Geschäftsführerin der Familien-Kelterei Kekila in Lauba, macht sich Sorgen um die Preise für ihre Säfte und Fruchtsaftgetränke im Handel. „Die werden wir im Januar stark erhöhen müssen“, sagt die Chefin des sechsköpfigen Betriebes, der mit jährlich produzierten sechs Hektolitern vor allem die Oberlausitz versorgt. Schuld sei die verteuerte Lkw-Maut, so die Unternehmerin. Sie kaufe Rohstoffe wie Orangen, Tomaten, Ananas in Spanien und anderswo ein – „und ich muss die Mehrkosten irgendwie umlegen“.

Wie der Kelterei bei Görlitz geht es vielen Unternehmen, die auf Lieferungen angewiesen oder selbst als Transporteure unterwegs sind. Die milliardenschwere Einnahmequelle des Staates wird am 1. Dezember um einen CO2-Aufschlag – Basis sind 200 Euro pro Tonne Kohlendioxid – erweitert und ab Juli nächsten Jahres auf kleinere Lkw über 3,5 bis 7,5 Tonnen ausgeweitet. Das haben Bundestag und Bundesrat am vergangenen Freitag beschlossen. Handwerksbetriebe sind davon befreit und bis Ende 2025 auch Elektrolaster.

Die Zusatzeinnahmen von rund 30 Milliarden Euro bis 2027 sollen zuerst in die Verbesserung des Schienennetzes fließen und die Straße von Verkehr entlasten. Jeder Güterzug ersetze rund 50 Lkw, so die Rechnung. Die neuen Regeln seien auch ein Anreiz, dass mehr saubere Fahrzeuge auf die Straße kommen, heißt es aus dem FDP-geführten Bundesverkehrsministerium.

Ladeinfrastrukrur fehlt

Doch genau das bezweifeln Kritiker. Noch gebe es kaum Elektrolaster und E-Ladepunkte. Die Dresdner Industrie- und Handelskammer (IHK) beziffert die Anschaffungskosten für Elektro-Lkw auf 360.000 bis weit über 400.000 Euro, doppelt so viel wie für konventionelle Brummis. Die nötige Ladeinfrastruktur fehle insbesondere in ländlichen Regionen. „Im Kreis Görlitz gibt es ganze 84 Ladepunkte, von denen viele von Lkw gar nicht angefahren werden können oder so schwache Ladeleistungen haben, dass es zeitlich keinen Sinn macht“, sagt der IHK-Präsident Andreas Sperl.

„Durch die Änderung der Bemessungsgröße von zulässigem Gesamtgewicht auf die erlaubte technische Gesamtmasse werden viele Fahrzeuge im Bereich 7,49 Tonnen nicht nur vorzeitig mautpflichtig, sondern rutschen auch noch in die nächsthöhere Gewichtsklasse“, schimpft Dietmar von der Linde, Geschäftsführer des Landesverbands des Sächsischen Verkehrsgewerbes (LSV). Die Folgen für den Transportsektor seien „signifikant – unabhängig davon, ob die Transporte in den Logistikketten des produzierenden Gewerbes stattfinden oder es sich um Fahrten im Handel oder Dienstleistungsgewerbe handelt. So sehen Beobachter auch Paketdienste betroffen und Tafeln, die Lebensmittelspenden fahren.

Der Onlineversandhändler Amazon hat sich noch kein abschließendes Urteil gebildet und prüft mögliche Folgen. Für die Paketzustellung zum Kunden sei es wohl weniger relevant, heißt es. Auf jener „letzten Meile“ seien in der Regel Lkw mit weniger als 3,5 Tonnen Gesamtgewicht unterwegs.

Minister rechnet Kosten klein

Mautkosten machen nach Berechnungen des Bundesverkehrsministeriums nur einen kleinen Teil der Transportkosten aus – und noch geringere etwa 0,1 Prozentpunkte an den Gesamtkosten des Endprodukts. „Spürbare Auswirkungen auf das Verbraucherpreisniveau sind demnach nicht zu erwarten“, heißt es aus dem Haus von Minister Volker Wissing (FDP). Ein Preis von 100 Euro steige so lediglich um zehn Cent.

„Ich teile diese Auffassung nicht“, entgegnet LSV-Chef von der Linde. „Die Auswirkungen werden sowohl das produzierende Gewerbe als auch den privaten Verbraucher hart treffen“, prophezeit er. „Die Zeche bezahlt der Bürger – ob in Möbelhaus oder Supermarkt.“ Jährliche Mehrkosten von 400 Euro pro Haushalt seien da eher eine positive Prognose.

Laut IHK-Präsident Sperl betragen die Mautkosten pro Lkw bei 400 Kilometern am Tag und hälftiger Nutzung von Autobahn und Landstraße derzeit etwa 20 Euro. Nach der Reform seien es rund 46 Euro.

Auch das Netzwerk Logistik Mitteldeutschland hat andere Zahlen: „Je 100 Kilometer steigen die Kosten um 13,40 Euro“, rechnet Vereinsvorstand Marko Weiselowski vor. Auf der Strecke Dresden–Düsseldorf fielen so Mehrkosten von 80,24 Euro an. Idealerweise könne der Spediteur das auf den Auftraggeber umlegen und der auf seine Endkunden. „Abhängig von der zu transportierenden Ware mag das nur ein geringer Anteil je Stück sein, aber wenn man die aktuellen Preise zur Grundlage nimmt, läge die Steigerung auf dieser Strecke bei fast zehn Prozent“, so Weiselowski.

Kein Neid auf das Handwerk

Auch würden Speditionen auf den Kosten für unvermeidbare Leerfahrten sitzenbleiben, moniert der Netzwerk-Vorstand und Chef der Sachsenland Transport & Logistik GmbH Dresden. Er kritisiert zudem die Kurzfristigkeit des Gesetzes und „die viel zu lange Unklarheit, wodurch die Unternehmen die Änderungen sehr schnell umsetzen müssten. „Und wir warnen davor, gerade kleinere Unternehmen einer Branche, die für die Versorgung von Bevölkerung und Wirtschaft unerlässlich ist, über Gebühr zu belasten“, so der Vorstand.

Neid gegenüber dem Handwerk kommt bei den 133 mitteldeutschen Logistiknetzwerkern indes nicht auf. „Unsere Mitglieder sehen das eher entspannt, da es sich um einen komplett anderen Wirtschaftszweig handelt“, sagt Weiselowski. Und ob das Gesetz verfassungskonform ist, müssten andere beurteilen.

Unterm Strich bleibt eine breite Kritik von Sachsens Wirtschaft. Selbst das von der Neuregelung ausgenommene Handwerk jubelt nur verhalten. „Für uns und vergleichbare Branchen konnten auch als Ergebnis langjähriger Bemühungen des Sächsischen Handwerkstages Ausnahmeregelungen erreicht werden“, sagt der Dresdner Kammerpräsident Jörg Dittrich. „Nichtsdestotrotz ist davon auszugehen, dass sich Zulieferungen verteuern werden.“ Was letztlich auf die Verbraucher zukommt, lasse sich noch nicht genau beziffern. Die Mehrkosten für Energie würden gleichwohl stärker ins Gewicht fallen.