Marke, Marke in der Hand, was war das schönste Motiv im Land? Zum 4. Mal sucht die Deutsche Post mit einer Online- Umfrage den Favoriten in der Bevölkerung: Loriot oder Käpt’n Blaubär, Jimi Hendrix oder Schleizer Dreieck, Special Olympics oder Brandenburger Tor, die erste Kryptomarke des Konzerns. Andere Motive werben für Frieden, Umweltschutz, Menschenrechte. Und für Demokratie – gestaltet von einer 16-jährigen Schülerin. In Summe stehen 58 Briefmarken zur Wahl, mit der Dresdner Frauenkirche und dem Leipziger City-Tunnel auch zwei Sachsen-Themen.
Mit „Dresden“ wurde die -Serie „Zeitreise Deutschland“ fortgesetzt. Das Wertzeichen zeigt die 1945 zerstörte Frauenkirche als Ruine zu DDR-Zeiten und nach ihrem Wiederaufbau 2005.„Die Marken führen anhand einer älteren und einer jüngeren Abbildung des gleichen Motivs vor Augen, wie sich Bauwerke und Plätze in den vergangenen Jahrzehnten verändert haben“, sagt Postsprecher Mattias Persson. Den Auftakt hatte 2022 ein zweifacher Blick auf den Kölner Dom und die Hohenzollernbrücke gemacht.
„Auch in Zeiten digitaler Kommunikation ist der Brief noch beliebt – und mit einer schönen Briefmarke etwas Besonderes“, so Persson. Sie sage schließlich etwas aus über den Absender und seine Botschaft. Etwa jeder 5. Brief werde mit einer Marke frankiert. 70 Prozent der Privatkunden griffen zur Marke, viel mehr als Geschäftskunden.
Manche Briefmarke erreicht eine Milliarden-Auflage
Jährlich erscheinen gut 50 neue Briefmarken. Jeder Bürger und jede Bürgerin könne Themen vorschlagen, heißt es von der Post. Die Motive würden in je einem Programm- und Kunstbeirat festgelegt, in welchen Vertreter aus Politik, Bundesfinanzministerium, von der Deutschen Post sowie Philatelisten und Grafikprofessoren säßen. Herausgeber der Postwertzeichen mit dem Aufdruck „Deutschland“ ist das Finanzministerium. Einige Ausgaben aus älteren Dauerserien hatten riesige Auflagen – wie 1988 „Therese Giehse“ mit gut sechs Milliarden Stück.
Zu ihrem Marktanteil will sich die Deutsche Post nicht äußern. Neben deren Deutschland-Marken gibt es zahllose weitere von anderen Postdienstleistern wie Media Logistik, Tochter der DDV-Mediengruppe, die auch die SZ herausgibt.
Und bei wie vielen neuen Marken braucht man heutzutage noch Spucke? „Alle Ausgaben erscheinen zunächst mit Gummierung auf der Rückseite“, erklärt Postsprecher Persson. Gängige Motive aus der Dauerserie und jährlich etwa fünf Sondermarken gebe es auch selbstklebend.
Die Nennwerte legt die DHL Group im Benehmen mit dem Ministerium fest – nach Kenntnis und Prognose der Sendungsmengen an Briefen und Postkarten sowie der Preisregulierung. Den bislang höchsten Nennwert hat „Enzian“ aus der Dauerserie „Blumen“: 500 Cent. Dresden ist mit immerhin 100 Cent taxiert, mehr als das aktuelle Briefporto. Dieser Wert spielt in Sachen Schönheit aber keine Rolle .
Auch früher gab es zackige Schönheitswettbewerbe
Zackige Schönheitswettbewerbe gab es in Ost- und Westdeutschland schon vor Jahrzehnten – in der DDR organisiert von der Zeitschrift Sammler-Express. Die seit 2021 durchgeführte Online-Befragung hat jedoch eine viel größere Reichweite und bezieht alle Briefmarken ein – sowie neben Sammlern weitere Bevölkerungsgruppen.
Allerdings geht das Interesse an den kleinen Kunstwerken zurück. „Den normalen Briefmarkensammler gibt es als Nachwuchs nicht mehr“, sagt Michael Schneider. Er ist Vorsitzender des „Internationalen Philatelistenvereins von 1877 Dresden“, laut Website der älteste Sammlerverein Deutschlands mit rund 70 Mitgliedern. Schätzungen gehen von bundesweit ein bis zwei Millionen solcher Enthusiasten aus, von denen rund 30.000 organisiert sind.
„Es gibt viel zu viel Material“, beklagt Schneider. Früher „Aktie des kleinen Mannes“, seien Briefmarken heute nicht mehr viel wert. Es sei denn, man besitzt zum Beispiel einen „Sachsendreier“ von 1850. Diese erste Briefmarke des Königreichs Sachsen wird für etwa 4.000 Euro gehandelt.
Minister-Frau verschickt Marke, die es offiziell nie gab
Die „Gscheidle-Marke“ der Deutschen Bundespost ist noch teurer. 1980 aus Anlass der Olympischen Spiele in Moskau produziert, wurde sie wegen des Boykotts der BRD vorher zurückgezogen. Dennoch gelangten einige Exemplare in Umlauf. Die Ehefrau von Ex-Postminister Kurt Gscheidle hatte Privatpost mit der Marke frankiert, die es offiziell nie gab. Das Auktionshaus Christoph Gärtner in Bietigheim-Bissingen nennt einen Katalogpreis von 55.000 Euro. Lukrativ sind auch Fehldrucke, die in geringen Mengen in den Verkehr gelangen: zuletzt 2016 die „Weihnachtskugel“ mit einem orthografischen Fehler.
Michael Schneider und seine Dresdner Briefmarkenfreunde haben kein monetäres Interesse, sie sammeln aus Spaß. Der 65-Jährige kennt auch Wiedereinsteiger, die im Ruhestand zum Hobby zurückfänden, für das es weder ein Fußballfeld noch einen Tanzsaal brauche. Heimat liege im Trend: „alte Dokumente und Postkarten in Kombination mit Briefmarken“. „Die Marke flüstert, und der Brief spricht: mit Stempel, Absender, Empfänger“, sagt Schneider. Dann werde es richtig spannend.
Welche Marke Nachfolger der bisherigen Sieger – Biene Maja, Sendung mit der Maus, Polarlicht – wird, entscheidet sich bis zum 1. Februar. Dann endet das Voting.