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Dulig begrüßt Einigung zur Fachkräfte-Einwanderung - Kretschmer ist zwiegespalten

Mit den Stimmen der Ampel-Fraktionen hat der Bundestag das Fachkräfteeinwanderungsgesetz beschlossen. Sachsens Wirtschaftsminister Dulig sieht in der Einigung Chancen für den Freistaat, dagegen zeigt sich Regierungschef Kretschmer zwiegespalten.

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Zakaria Raffali, Mitarbeiter der Linamar Antriebstechnik GmbH aus Marokko, prüft die Verschlüsse der Filteranlage.
Zakaria Raffali, Mitarbeiter der Linamar Antriebstechnik GmbH aus Marokko, prüft die Verschlüsse der Filteranlage. © dpa

Berlin/Dresden. Die Reform des vom Bundestag beschlossenen Fachkräfteeinwanderungsgesetzes wird nach Ansicht von Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) und den Grünen im Landtag die Chancen für ausländische Arbeitskräfte und die Wirtschaft verbessern. "Zum ersten Mal hat Deutschland ein Einwanderungsgesetz, das sich klar zu einer gesteuerten Fachkräftezuwanderung bekennt und entsprechende Instrumente dafür schafft", sagte Dulig am Freitag in Dresden. Dies sei eine gute und wichtige Nachricht und erkenne endlich die Lebensrealitäten an. Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) meldete dagegen auch Kritik an.

Das Gesetz enthalte gute Reformen, um Transformation in Ostdeutschland voranzutreiben und Wachstum zu sichern, schrieb Kretschmer auf Twitter. "Sachsen ist offen für qualifizierte Fachkräfte, die unsere Region mit uns weiterentwickeln wollen und hier ihre Chancen sehen." Er lehne aber den sogenannten Spurwechsel für nicht anerkannte Asylbewerber ab. "Angesichts der dramatischen Migrationskrise in Deutschland erhöhen wir damit noch mehr den Druck auf die Kommunen", betonte der Christdemokrat. "Stattdessen müssen wir bei der illegalen Migration dringend handeln."

"Fortschritt braucht Fachkräfte und dafür müssen wir alle Hebel in Bewegung setzen, auch hier in Sachsen", betonte Dulig. Der Freistaat müsse seine vorhandenen Potenziale noch besser heben. Ein zentraler Baustein sei die verstärkte Aus- und Weiterbildung, um den schnell wandelnden Anforderungen gerecht zu werden.

Auch die Grüne-Abgeordnete Petra Čagalj Sejdi begrüßte die Einigung. "Von dieser Einigung geht eine wichtige Botschaft aus: Unser Land braucht Zuwanderung." Hierfür öffne Deutschland nun sein Einwanderungsrecht. "Mit der Aufnahme des Spurwechsels gelingt ein echter Paradigmenwechsel in der Integrationspolitik." Ein Wechsel vom Asylverfahren in die Möglichkeit einer dauerhaften Aufenthaltserlaubnis durch ein Arbeitsverhältnis sei nun möglich. Zudem werde der Nachzug der Familie erleichtert. "Das eröffnet vielen Menschen eine echte Perspektive", sagte die Grünen-Politikerin.

SPD, FDP und Grüne hatten sich vor einer Woche auf eine Reihe von Änderungen an dem ursprünglichen Gesetzentwurf geeinigt. Am Freitag beschloss der Bundestag das angepasste Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Neu ist in dem Gesetzentwurf unter anderem die sogenannte Chancenkarte auf Basis eines Punktesystems. Zu den Kriterien, für die es Punkte gibt, gehören Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Alter und Deutschlandbezug. IT-Fachkräfte sollen künftig auch ohne Hochschulabschluss kommen dürfen, sofern sie bestimmte Qualifikationen nachweisen können. Leichter werden soll es auch für Asylbewerber, die vor dem 29. März 2023 eingereist sind, die eine qualifizierte Tätigkeit ausüben oder in Aussicht haben.

Die Reform sei eine "Mogelpackung", kritisierte die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz. Anstatt Fachkräften den Weg zu ebnen, werde das von Erwerbsmigranten eingeforderte Niveau, was Ausbildung und Sprache angeht, gesenkt. Mit ihrem neuen Punktesystem schaffe die Ampel-Koalition ein "Bürokratiemonster", sagte die CSU-Politikerin. Sie kritisierte außerdem Erleichterungen, von denen Ausreisepflichtige mit Qualifikation und Jobangebot profitieren sollen.

Lindholz sei ideologisch verbohrt, sagte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz. Die Möglichkeit eines "Spurwechsels" für Ausreisepflichtige diene auch dazu, diese "aus der staatlichen Abhängigkeit herauszulösen".

Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Johannes Vogel, sagte, Deutschland orientiere sich bei der Reform an erfolgreichen Einwanderungsländern wie Kanada, Neuseeland und Australien. "Mit neuen Köpfen kommen auch neue Ideen", fügte er hinzu. Sein Parteikollege Konstantin Kuhle verwies darauf, dass die Ampel durch eine Änderung der Beschäftigungsverordnung außerdem das Kontingent für die Westbalkanregelung von 25 000 auf 50 000 Arbeitskräfte pro Jahr verdoppeln werde. Die Regelung erlaubt auch eine Einreise von Arbeitskräften ohne besondere Qualifikation, wenn diese einen Arbeitsvertrag vorweisen können. Der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Jörg Dittrich, sagte: "Insbesondere das Baugewerbe kann von diesen zusätzlichen Arbeitskräften profitieren."

Gökay Akbulut (Linke) sagte, es sei gut, dass Fachkräfte künftig auch ohne Wohnraumnachweis ihre Eltern und Schwiegereltern zu sich holen könnten. Dass dies erwerbstätigen Migranten ohne besondere Qualifikation, wie etwa Reinigungskräften, nicht gestattet werde, sei aber "eine Zwei-Klassen-Migrationspolitik", die ihre Fraktion ablehne.

Deutschland sei kein Einwanderungsland, sondern ein "Heimatland", sagte Norbert Kleinwächter von der AfD. Es kämen nicht zu wenige Menschen nach Deutschland, sondern zu viele Menschen, die sich nicht integrieren wollten.

Weiteres Gesetz für Ausbildung beschlossen

Neben Faeser und Abgeordneten der Union verwiesen auch Arbeitgeber und die Bundesagentur für Arbeit (BA) auf zu hohe bürokratische Hürden. Aus Sicht von BA-Vorständin Vanessa Ahuja geht die Reform in die richtige Richtung. Sie mahnte aber: "Schnellere und unbürokratische Verfahren gelingen nur mit einem gemeinsamen digitalen Austausch zwischen den beteiligten Partnern, etwa Ausländerbehörden, Visastellen und der BA."

Die Geschäftsführerin des Arbeitgeberverbandes Pflege, Isabell Halletz, sieht durch die Reform wenig Verbesserungen für zuwanderungswillige und dringend benötigte Pflegefachkräfte. Sowohl die Arbeitgeber als auch die Arbeitskräfte aus dem Ausland benötigten keine weiteren staatlichen Anwerbeprogramme, sondern standardisierte Prozesse und verbindliche Fristen. Sie betonte: "Es bringt nichts, wenn beschleunigte Verfahren auf dem Papier existieren, aber nicht in der Praxis umgesetzt werden können."

Nach dem Bundestagsbeschluss für das Fachkräfteeinwanderungsgesetz stimmte das Parlament mit den Stimmen der Ampel auch noch für deren Aus- und Weiterbildungsgesetz. Damit sollen mehr Nachwuchs- und Arbeitskräfte auch im Inland gewonnen werden. Es sieht unter anderem vor, durch die Übernahme von Unterkunfts- und Fahrtkosten junge Menschen zu ermutigen, auch weiter entfernte Praktikums- und Ausbildungsplätze anzunehmen. Außerdem ist ein sogenanntes Qualifizierungsgeld als Lohnersatz geplant. Damit soll es möglich werden, Beschäftigte in Branchen im Strukturwandel freizustellen, damit sie eine Weiterbildung für neue Aufgaben im Betrieb absolvieren und gleichzeitig ihre Stelle behalten können. (dpa)