Leben und Stil
Merken

Selbsttest: Besser schlafen mit Kneipp?

In Füssen schwört man seit Jahrzehnten auf die Lehren des Naturheilkundlers. Nun lockt der Kurort mit einem neuen Angebot. Wir haben es ausprobiert.

Von Lucy Krille
 6 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Die Therapie scheint zu wirken. Schade, dass man die schöne Landschaft nicht mit nach Hause nehmen kann.
Die Therapie scheint zu wirken. Schade, dass man die schöne Landschaft nicht mit nach Hause nehmen kann. © Biohotel Eggensberger/G. Standl

Platsch. Und noch mal platsch. Ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken. Es ist noch früh am Morgen, als ich barfuß in den kalten Hopfensee wate. Irgendwie ist es aber auch ein erfrischendes Gefühl. Der Blick schweift übers Wasser, über dem noch der Nebel wabert. In der Ferne sehe ich die Kulisse der Allgäuer Alpen. Langsam werde ich wach. Ich bewege meine Füße im Storchenschritt ein paar Meter am Ufer entlang. Wahrscheinlich sieht das ziemlich komisch aus. Mir kommt es wie die normalste Sache der Welt vor.

Denn ich bin in Füssen. Gäste kommen hier früher oder später zwangsläufig mit den fünf Säulen von Sebastian Kneipp in Berührung. Der Pfarrer lebte im etwa 60 Kilometer entfernten Bad Wörishofen und war ein Naturheilkundler. Er therapierte die Menschen seinerzeit nach fünf Wirkprinzipien: Wasseranwendungen, Bewegung, ausgewogene und naturbelassene Ernährung, Nutzung von Heilkräutern und innere Ordnung. Auch wenn er nie nachweislich in Füssen war, hat sich die Gemeinde seiner Lehre verschrieben und darf sich Kneippkurort nennen.

Abtauchen: Das Armbaden im kalten Wasser soll helfen, besser einschlafen zu können.
Abtauchen: Das Armbaden im kalten Wasser soll helfen, besser einschlafen zu können. © Lucy Krille

Es ist mein dritter Tag im Allgäu, als ich mich zum morgendlichen Fußbad im See aufraffe. Am Tag zuvor war ich mit dem E-Bike auf dem Kneipp-Radweg unterwegs und habe Füssen, die Luftkurorte Weißensee und Hopfen am See sowie das Moorheilbad Bad Faulenbach erkundet. Der Weg führt vorbei an Seen und entlang des wilden Flusses Lech; das Alpenpanorama ist dabei stets mit von der Partie. In den Parks und an Raststationen stehen Hinweistafeln und Wasserbecken, in die man Füße, Arme oder auch das Gesicht tauchen kann. „Das kalte Wasser regt den Kreislauf und die Selbstheilungskräfte des Körpers an“, erklärt Brigitte Dischereit vom Kneipp-Verein Füssen.

Abfahren: Der Kneipp-Radweg lässt sich bequem mit E-Bikes erkunden.
Abfahren: Der Kneipp-Radweg lässt sich bequem mit E-Bikes erkunden. © Füssen Tourismus und Marketing/Sabrina Schindzielorz

In Hopfen am See führt ein Holzsteg ins Wasser. Darin eingelassen ist ein Wasserbecken, das ebenfalls zum Kneipp-Konzept gehört. Die Gäste bemerken es erst auf den zweiten Blick, wenn sie zum Baden oder Fotografieren auf den Steg laufen. So sollen auch jüngere Menschen „kneippifiziert“ werden. Sie kommen meist zunächst wegen der Ausflüge in die malerische Landschaft, zum nahe gelegenen Schloss Neuschwanstein oder in die Altstadt von Füssen und lernen nebenbei mehr über Kneipp.

Fußbad in Füssen: Der Steg mit Blick auf den Hopfensee lädt zum Wassertreten ein.
Fußbad in Füssen: Der Steg mit Blick auf den Hopfensee lädt zum Wassertreten ein. © Lucy Krille

In Deutschland gibt es mehr als 50 Kurorte, die Reha-Behandlungen und Wellnessurlaub auf Grundlage der kneippschen Lehre anbieten. Viel Konkurrenz also, von der sich Füssen mit einem neuen Angebot abheben will: der Heilung von Schlafstörungen.

Moderne Forschungsansätze sollen die fast 200 Jahre alten Kneipp-Lehren wieder neu aufleben lassen. Das verstaubte Image von Kurgästen im höheren Alter, die sich den ganzen Tag über Krankheiten austauschen, soll der Vergangenheit angehören. Denn Schlafstörungen betreffen alle Generationen. Dabei sind die Methoden oft dieselben wie zu Zeiten von Kneipp – nur besser untersucht.

Füssen hat zusammen mit der Universität in München die Wirkung einer Kompaktkur „Gesunder Schlaf durch innere Ordnung“ untersucht. Fast die Hälfte der fast hundert Probanden habe auch noch ein halbes Jahr danach Verbesserungen bei Schlafqualität, Wohlbefinden und chronischer Stressbelastung gespürt, heißt es in den Ergebnissen.

Kur im zertifizierten Schlafhotel

Das weckt meine Neugier. Ich beschließe, das Programm zu testen. Oder zumindest einen Teil. Normalerweise hat man drei Wochen Zeit, um in einem der zertifizierten Schlafhotels zur Ruhe zu finden. Die Kur wird – bei entsprechender Diagnose – von den Krankenkassen anerkannt. Neben Sporteinheiten stehen Wasseranwendungen und eine Einführung in die Kräuterheilkunde auf dem Programm.

Schlafpsychologen und Ernährungsberaterinnen erklären mir, dass es durchaus einen Unterschied mache, was ich wann esse. Melatoninhaltige Lebensmittel wie Spinat oder Bananen wirken schlaffördernd. Naschereien und schwere Mahlzeiten sollte man dagegen abends meiden, da der Körper sonst schwer zur Ruhe kommt. Ein Kneipp-Tipp ist mir besonders in Erinnerung geblieben: Sollte ich mal nicht einschlafen können, soll ich einen kalten Waschlappen dreimal gegen den Uhrzeigersinn über den Bauch reiben.

Auch wenn ich deutlich jünger als die durchschnittlichen Kurgäste bin, verstehe ich langsam die Idee dahinter. Kneipp ist so leicht umzusetzen, dass man es auch zu Hause im Alltag anwenden kann – und genau darum geht es. Allerdings muss man sich auf Waldspaziergänge mit Atemübungen einlassen und der Wirkung von Kräutertees oder Fußbädern einfach mal vertrauen. Mir fällt das anfangs noch schwer. Doch die Begeisterung der Füssener für die kneippschen Methoden und die wissenschaftliche Begleitung überzeugen mich.

Viele Details für erholsamen Schlaf

„Eine Untersuchung zum Zusammenhang von Schlaf und Kneipp gab es vorher noch nie“, sagt Andreas Eggensberger, der das gleichnamige Hotel mit seiner Familie leitet. Dabei liegt das Problem auf der Hand: Immer mehr Menschen, auch junge, leiden unter Schlafstörungen. Gründe sind oft mangelnde Bewegung, falsche Essgewohnheiten oder das berühmte Gedankenkarussell, sagt Eggensberger .

Er steht in einem seiner Hotelzimmer, in denen nur so viel Internet-Signal ausgestrahlt wird wie nötig, um Elektrosmog zu reduzieren. Ab 23 Uhr schaltet sich das Wlan automatisch ab. Das Hotel unterscheidet sich auch sonst von anderen Häusern. Die Betten sind aus massivem Eichenholz, Kaltschaumbetten sind tabu. Das Licht ist gedämpft. „Wer nachts aufsteht, sollte Licht anmachen, das nach unten zeigt, damit man nicht komplett wach wird“, sagt Eggensberger. Es sind viele Details, die Schlaf erholsamer machen.

Ich bin nun auch ein Stück weit „kneippifiziert“ und denke an den Ratschlag, den mir Brigitte Dischereit vom Kneipp-Verein gegeben hat: „Jeden Tag eine kneippsche Säule in den Alltag einfließen lassen.“ Mit diesem Vorsatz verlasse ich den Hopfensee. Meine Füße trockne ich nicht ab, sondern streife nur den Dreck von den Sohlen. Eine weitere kneippsche Weisheit. Dann ziehe ich Socken und Schuhe an. Meine Füße freuen sich über die wohlige Wärme. Und ich mich über meine erste kleine bewusste Kneipp-Einheit.

Anreise: Mit dem Zug von Dresden nach Füssen ca. 7,5 Stunden. Mit dem Auto rund 600 km.

Dreiwöchige ambulante Kur „Gesunder Schlaf durch innere Ordnung“ für gesetzlich Versicherte auf Rezept; zzgl. Eigenbeteiligung von 10 Prozent sowie Kosten für Übernachtung, Verpflegung und Kurtaxe.

Schnupperkurs (5 Tage) ab 653 Euro. Nächste Termine: 18. – 23. Juni, 15. – 20. Oktober.

Unterwegs: Fahrradausleihe (ab 15 € pro Tag); der ÖPNV im Ostallgäu ist für Inhaber einer Gästekarte kostenlos.

Die Recherche wurde von der Füssen Tourismus- und Marketing GmbH unterstützt.

www.fuessen.de