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Stadtrundfahrt in Dresden: Unterwegs mit Banach, dem Jüngeren

Thomas Banach fährt Touristen mit dem Bus durch Dresden und erklärt ihnen seine geliebte Heimatstadt mit Humor und Geschäftssinn. Ganz der Vater, der ein bekanntes Dresdner Original war.

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Stadtführer aus Leidenschaft: der 43-jährige Thomas Banach am Steuer des Doppelstock-Busses, den er täglich durch Dresden steuert.
Stadtführer aus Leidenschaft: der 43-jährige Thomas Banach am Steuer des Doppelstock-Busses, den er täglich durch Dresden steuert. © Matthias Rietschel

Dresden. Die Begrüßung setzt den Ton für die Fahrt: „Guten Morgen, mein Name ist Thomas. Wir fahren pünktlich 11 Uhr ab, wir sind ja nicht die Deutsche Bahn.“ Los geht’s durch Dresden im Doppelstock-Bus mit Thomas Banach am Steuer. „Große Stadtrundfahrt Hop on Hop off mit 22 Haltestellen“, man kann durchfahren oder ein- und später wieder aussteigen. Vom Zwinger aus geht es an der Yenidze vorbei – „Hier gibt es Märchenstunden, nicht immer jugendfrei“ – hin zum Theaterplatz mit der Semperoper.

Thomas Banach erklärt auch, dass das feine Hotel Taschenbergpalais nebenan gerade das Bett, in dem Barack Obama und Wladimir Putin nächtigten, „für 10.000 bis 15.000 Euro“ versteigert hat. Dort wird nämlich komplett renoviert. Und natürlich weist Banach am Theaterplatz auf die aktuell spannendste Sehenswürdigkeit der Stadt hin: das Fenster im Dresdner Schloss, durch das die Remmo-Gangster ins Grüne Gewölbe einstiegen.

An Bord sind an diesem strahlend schönen Juli-Vormittag Ehepaare zwischen 50 und 70, vorwiegend Dresden-Besucher aus Westdeutschland, fast alle haben sich an diesem heißen Tag einen Platz am offenen Oberdeck gesucht. Die Erklärungen der Sehenswürdigkeiten kommen vom Band, die vertrauenserweckende Stimme stammt vom ehemaligen MDR-Sprecher Erwin Dollwetzel.

Alle 25 Doppelstockbusse der Stadtrundfahrt Dresden GmbH sollen bald auf Elektroantrieb umgerüstet werden.
Alle 25 Doppelstockbusse der Stadtrundfahrt Dresden GmbH sollen bald auf Elektroantrieb umgerüstet werden. © Matthias Rietschel

Aber den entscheidenden Part spielt der gut gelaunte Thomas Banach, Stoppelhaare um Kopf und Kinn, dunkle Sonnenbrille, Headset. Er fährt nicht nur den Bus, sondern unterbricht – je nach Verkehrslage – immer wieder die Tonbandstimme, um seine Kommentare loszuwerden. So etwa am Johannstädter Elbufer, wo er im schönsten Sächsisch auf die Ausbildungsstätte für Bildhauer verweist, „die sich immer mal auf die Pfoten hauen“. Deshalb sei es praktisch, dass ganz in der Nähe die Medizinische Akademie liegt.

Die Gäste an Bord haben Spaß, auch wenn sie nicht jedes Wort des Eingeborenen verstehen. So wie Barbara und Manfred Kornfeld aus Mülheim an der Ruhr. Sie wollen mehr sehen vom Osten und sind begeistert von der „wunderschönen Stadt“, die sie „sehr cool und entspannt“ finden. Auch Jessica Olbrich aus dem Westharz ist mit ihrer fast erwachsenen Tochter Hanna an Bord. Sie hatte sich den Dresden-Trip von der Mutter zum Geburtstag gewünscht und freut sich nun, dass sie Gebäude sieht, die sie bisher nur von Fotos kannte.

Nicht jeder an Bord versteht alles, was der Eingeborene am Steuer auf breitem Sächsisch erklärt.
Nicht jeder an Bord versteht alles, was der Eingeborene am Steuer auf breitem Sächsisch erklärt. © Matthias Rietschel

Keine Miene verziehen dagegen Rajkumar Abichandani und seine Frau aus Neu Delhi – sie sind auf ihrer Deutschland-Tour für einen Tag in Dresden, lassen sich die Stadt per Kopfhörer in Englisch erklären und bekommen deshalb von Banachs Sprüchen nichts mit. Schon gar nicht, wenn er seine Sächsisch-Kunde mit DDR-Geschichte verbindet: „In unserer Sprache gibt es Worte, die einen ganzen Satz ausdrücken. Zum Beispiel das schöne Wort ,Harmonie‘. Der Sachse sagte früher „Har mo ni“ – und meinte, dass es wieder mal nichts zu kaufen gibt.“

Nach knapp zwei Stunden kommt der Bus auf seiner Runde von der Dresdner Innenstadt über das Blaue Wunder, Bühlau und die Neustadt wieder am Zwinger an. Die Gäste klatschen Beifall für Thomas Banach und steigen gut gelaunt aus dem Bus.

Blick auf die Yenidze.
Blick auf die Yenidze. © Matthias Rietschel

Bevor die nächste Fahrt beginnt, macht Banach Pause im Bistro am Zwingerteich. Da treffen sich die Stadtführer im ukrainisch geführten Lokal bei Pelmeni und Kaffee zu Sonderpreisen. Und dort erzählt nun der 43-jährige Junggeselle, wie er zu seinem Job gekommen ist. Zwei Gründe sieht er für seine Dresden-Begeisterung. „Zum einen mein Papa Roberto, er war ein stadtbekanntes Original. Er stand viele Jahre mit seinem Souvenirstand am Fürstenzug, fast jeder kannte ihn. Zum anderen habe ich noch Heimatkundeunterricht kennengelernt, mit vielen interessanten Informationen aus der Dresden-Geschichte.“

Während andere 15-Jährige in seinem Umfeld Zeitungen austrugen oder Flaschen sammelten, verdiente sich Thomas als Schüler bereits Geld mit selbst organisierten Stadtführungen. Er verlangte vorab kein Geld dafür, seine Gäste sollten ihm hinterher zahlen, was sie für angemessen hielten. Das Geschäftsmodell hat sich gelohnt.

© Matthias Rietschel

Nach dem Abitur machte er erst einmal alles Mögliche, baute eine Baufirma mit auf, war Globetrotter. Vor 20 Jahren begann er als Stadtführer, übernahm, als der Vater erkrankte und dann starb, den Souvenirstand am Fürstenzug. 2016 machte er seinen Busschein, zwei Jahre später wurde er bei der Stadtrundfahrt Dresden GmbH fest angestellt – „gerade noch rechtzeitig vor Corona. Viele freie Stadtführer hatten es in den vergangenen Jahren sehr schwer, als kaum noch Gäste kamen.“

Nach dem Mittag ist Thomas Banach bereit für seine zweite Tour an diesem Tag. Er begrüßt seine Gäste, sie sind jetzt deutlich jünger, mindestens die Hälfte kommt aus dem Ausland. Eine Frau aus San Diego in Kalifornien fragt ihm Löcher in den Bauch, er antwortet freundlich, ausführlich und in gutem Englisch. Junge Schweden steigen ein, Rumänen, Tschechen. Sie erhalten Kopfhörer zur Begrüßung, der Bus bietet die Stadtführung in 19 Sprachen. Auch an die Kinder wurde gedacht. Sie können bei der Jagd nach einem kleinen Drachen nützliche Dinge lernen: Warum heißt die Frauenkirche Frauenkirche? Warum nennt man König August ausgerechnet den Starken? Aber auch: Wie und wo kann man in Dresden sein Taschengeld loswerden.

Schnell noch ein Foto. Die Gäste staunen über die Gebäude, die sie bisher nur von Fotos kannten.
Schnell noch ein Foto. Die Gäste staunen über die Gebäude, die sie bisher nur von Fotos kannten. © Matthias Rietschel

Für den Spaß der knapp zweistündigen Fahrt zahlen Gäste 20 Euro, Kinder bis 15 Jahren fahren kostenlos mit. Die Busse starten am Zwinger täglich ab 9.45 Uhr aller 15 Minuten, am Abend ist der letzte 18.45 Uhr zurück, das ganze Jahr hindurch. Im Preis inbegriffen ist ein Altstadtrundgang mit Gästeführer, ein Nachtwächterrundgang und eine spezielle Kindertour.

Wer den Bus mehrere Tage nutzen will, der zahlt zwei Euro pro Tag hinzu. Thomas Banach berichtet von einer Frau, die 14 Tage lang jeden Tag für zwei Euro ein Stück bei ihm mitfuhr und so die Stadt langsam entdeckte. Für sie war das günstiger als öffentliche Verkehrsmittel. Wer die Preise vergleichbarer Stadtrundfahrten in anderen Städten Europas kennt, wird das Dresdner Angebot zu schätzen wissen.

Diana Maatz von der Geschäftsführung der Stadtrundfahrt Dresden GmbH will diesen günstigen Preis unbedingt halten. Sie hat dabei nicht einmal die Konkurrenz der roten Doppelstockbusse im Sinn, die von der Hamburger Hummelbahn in Dresden betrieben werden. „Gerade weil überall die Preise steigen, wollen wir unseren Kunden entgegenkommen und Preisstabilität sichern. Dafür haben wir in der letzten Zeit jeden Euro umgedreht.“

Thomas Banach im Depot
Thomas Banach im Depot © Matthias Rietschel

Die Firma arbeitet gerade an einem großen Projekt, um sich für ihre 76 Mitarbeiter zukunftssicher zu machen: Alle 25 Doppelstockbusse sollen auf Elektroantrieb umgerüstet werden. Damit wird es das erste Unternehmen seiner Art in Deutschland sein, dass sauber – und kostengünstiger – durch die Stadt rollt. Fast acht Millionen Euro steuert der Bund bei, die Firma selbst bringt fünf Millionen Euro auf. Im Herbst sollen die ersten E-Busse rollen, in reichlich zwei Jahren alle 25 einsatzbereit sein. Thomas Banach ist den ersten umgerüsteten Bus schon gefahren und freut sich auf das saubere, leise Gefährt.

Inzwischen redet sich Banach im Bus wieder in Form, auch wenn ihn jetzt die vielen ausländischen Gäste an Bord nicht verstehen können. Er stellt Dresden als die elftgrößte deutsche Stadt vor, auf der viertgrößten Fläche, vor allem aber als die grünste Großstadt des Landes. An diesem schönen Julitag glaubt das jeder sofort. Dann geht sein Heimatkundeprogramm wieder los: Er verweist auf das berühmte Hochhaus am Pirnaischen Platz, „auf dem der Sozialismus siechte“, und auf die Gläserne Manufaktur am Straßburger Platz, „das Einzige, was bei VW transparent ist“. Am Terrassenufer erklärt er, dass bei der Elbeflut 2002 das Wasser im Doppelstockbus auf dem Oberdeck bis zu den Knien gereicht hätte.

Anstehen für die Stadtrundfahrt
Anstehen für die Stadtrundfahrt © Matthias Rietschel

Zwischendurch schimpft er über rote Ampeln, abmontierte Grüne Pfeile („Im Westen werden sie jetzt angeschraubt“), trödelnde Fußgänger und Falschparker, die dem Bus den Weg versperren. Am Schillerplatz grüßt er eine vietnamesische Gemüsehändlerin, bei der er manchmal auf seiner ersten Fahrt frische Ware bestellt und sie auf der nächsten in den Bus gereicht bekommt.

Und, wie erlebt er seine Gäste? Ach, meint er, die meisten sind urlaubsmäßig drauf, entspannt und freundlich, sie wollen viel wissen, sind dankbar für seine Auskünfte und freuen sich über seine Sprüche. Nur manchmal nervt der eine oder die andere. „So hat doch tatsächlich vor wenigen Jahren eine Münchnerin gefragt, ob wir hier schon den Euro haben.“ Und ein anderer Gast erkundigte sich in vollem Ernst, ob es in der DDR Straßenbeleuchtung gegeben habe. Aber, klar, das sind Ausnahmen.

© Matthias Rietschel

Als seine zweite Runde zu Ende geht und der Bus wieder vor dem Zwinger seine Parkposition einnimmt, bedankt sich Banach für die Aufmerksamkeit, gibt noch ein paar Tipps für die weitere Stadterkundung. Und fügt hinzu: Wenn es den Gästen gefallen haben sollte, stehe eine Kasse für das Trinkgeld beim Fahrer bereit. „Und wenn es Ihnen nicht so gefallen hat, schreiben Sie bitte Ihre Kritik auf einen 5-Euro-Schein und geben ihn beim Fahrer ab.“

Dann verabschiedet Thomas Banach jeden Gast persönlich, bedankt sich für das Trinkgeld – „seit der Inflation ist es deutlich weniger geworden“ – und legt dann noch eine kurze Pause ein. Bevor er an diesem heißen Sommertag die Gäste zu seiner dritten fast zweistündigen Stadtrundfahrt begrüßt.

Tipps für Dresden

  • Festung erleben. Unter der Brühlschen Terrasse liegen die rekonstruierten Festungsanlagen Dresdens, ein Licht- und Tonspektakel inklusive. Spannend für die ganze Familie.
  • Abkühlung möglich. An heißen Tagen eine Wohltat: Das Georg-Arnhold-Bad im Zentrum, direkt neben dem Dynamo-Stadion, bietet viel Spaß drinnen und draußen.
  • Autos gucken. Die Gläserne Manufaktur von VW bietet zu jeder vollen Stunde Führungen durch die Autofabrik, in der jetzt der ID 3 montiert wird. Es gibt auch eine Kids Tour.
  • Zeitreise unternehmen. Das Panometer Dresden im Stadtteil Reick macht einen spektakulären Rundgang durch das barocke Dresden möglich, samt Händlerrufen und Pferdegetrappel.

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