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Jagdverbands-Chef im Kreis Görlitz: "Die Jagd wird weiblicher"

Der Jagdverband Niederschlesische Oberlausitz hat einen neuen Vorsitzenden. Die Probleme der Jäger sind die alten: Schweinepest und der Wolf. Aber es gibt auch Erfreuliches, erklärt Axel Christian im SZ-Interview.

Von Steffen Gerhardt
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Frauen haben ein wachsendes Interesse an der Jagd und zeigen, dass diese Tätigkeit keine Männerdomäne mehr ist.
Frauen haben ein wachsendes Interesse an der Jagd und zeigen, dass diese Tätigkeit keine Männerdomäne mehr ist. © Philipp Schulze/dpa

Die Jäger im nördlichen Kreis Görlitz haben einen neuen Vorstand gewählt. Axel Christian ist der neue Vorsitzende im Jagdverband Niederschlesische Oberlausitz. Der 65-jährige Görlitzer ist als Milbenforscher bei Senckenberg in Görlitz beschäftigt. Er leitet die Sektion Spinnentiere und ist darüber hinaus Museumsleiter. Als Jäger ist der promovierte Wissenschaftler seit 1973 im Kreis Görlitz organisiert, 1977 erwarb er seinen Jagdschein. Sein Jagdrevier liegt im Raum Rothenburg.

Themen, die die Jäger nicht nur auf ihrer jüngsten Mitgliederversammlung bewegen, sind die Probleme der Jagdausübung unter den Einschränkungen durch die Afrikanische Schweinepest (ASP), der Einfluss des extrem hohen Wolfsbestands auf die Jagdwirtschaft und die Verbandsarbeit. Wie der Jagdverband damit umgeht und vor welchen Herausforderungen die Jäger stehen, darüber spricht SZ mit dem neuen Vorsitzenden Axel Christian.

Der neue Vorsitzende des Jagdverbandes Niederschlesische Oberlausitz ist Axel Christian aus Görlitz.
Der neue Vorsitzende des Jagdverbandes Niederschlesische Oberlausitz ist Axel Christian aus Görlitz. © Martin Schneider

Hans-Dietmar Dohrmann, der bisherige Verbandsvorsitzende, sagte, er will das Feld den Jüngeren überlassen und stellte sich nicht seiner Wiederwahl. Nun sind Sie, Herr Christian, mit 65 Jahren auch nicht mehr einer der jungen Jäger im Verein. Wie kam es, dass Sie den Vorsitz für die nächsten vier Jahre übernommen haben?

Ich wurde von Mitgliedern angesprochen, ob ich nicht den Vorsitz übernehmen möchte. Sie wollten mich in dieser Funktion haben und da habe ich zugesagt. Durch meine jahrzehntelange Tätigkeit im Vorstand unseres regionalen Jagdverbands und auch früher im Präsidium des Landesjagdverbands habe ich viele Erfahrungen in der Verbandsarbeit gesammelt. Es ist uns aber gelungen, auch die jüngere Generation für den neu gewählten Vorstand zu gewinnen. Dieser besteht aus einer guten Mischung aus erfahrenen und jungen Waidgenossinnen und Waidgenossen, die sich in den nächsten Jahren für die Stärkung der Interessenvertretung aktiv und mit Tatendrang einsetzen wollen.

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Wie schwer ist es, junge Leute nicht nur in den Vorstand, sondern auch in den Jagdverband zu bekommen?

Natürlich geht es uns so wie vielen anderen Vereinen. Die Mitglieder werden älter und es fehlt die nachrückende Jugend. Mit über 200 Mitgliedern ist unser Verband zwar gut aufgestellt, aber man muss in die Zukunft schauen. Das Gewinnen von jungen Jägern ist eine unserer wichtigsten Aufgaben. Wobei ich feststelle, dass die Jagd zunehmend weiblicher wird. Die Frauen haben ein wachsendes Interesse an der Jagd und zeigen, dass diese Tätigkeit keine Männerdomäne mehr ist.

Die Afrikanische Schweinepest bleibt ein dominierendes Thema in der Jägerschaft. Der Kreis Görlitz will die Schutzmaßnahmen gegen ASP jetzt schrittweise lockern. Im Norden wird ein erstes Teilstück des äußeren Elektrozauns entlang der Neiße abgebaut. Sehen Sie einem Ende der Schweinepest entgegen?

Das zu sagen, halte ich für verfrüht. Zwar hatten wir im Kreis Görlitz im Februar nur einen neuen ASP-Fall und es gibt 44 aktive Fälle. Das sind mit dem Virus infizierte Tiere oder Kadaver, deren Feststellung nicht länger als zwölf Monate zurückliegt. Aber der Erreger ist noch nicht gebannt, es kann jederzeit zu neuen Fällen kommen. Günstig wirkt sich aus, dass es kaum noch Wildschweine in unseren Wäldern gibt, die Viren aufnehmen und verbreiten können. Das letzte Wildschwein in meinem Revier ist im September von einer Wildkamera abgebildet worden.

Dennoch drängen die Jäger und ihre Verbände auf Lockerung der Bestimmungen.

Ja, weil sich die Situation geändert hat. So sind wir für ein Aufheben der Vermarktungsbeschränkungen für Schwarzwild. Bisher durften Wildschweine nach negativer Beprobung nur für den Eigenverzehr verwendet werden. Das bringt finanzielle Einbußen nicht nur für die Jäger, auch für die Wildhändler bis hin zu den Gaststätten, in denen das Wildschwein gänzlich von der Speisekarte verschwunden ist. Als Verband machen wir uns stark für ein Rückstufen der Sperrzone 2 in Zone 1, also vom gefährdeten Gebiet in die Pufferzone. Ebenso für ein Zurückführen des Schutzkorridors Ost, der nördlich von Görlitz in Ost-West-Richtung extrem breit ist. Auch ein schrittweiser Abbau von Schutzzäunen ist erforderlich, damit das Wild seine Freiräume zurückbekommt.

ASP hat in den dreieinhalb Jahren wesentlichen Einfluss auf die Jagd genommen. Als Beispiel sei die Dezimierung der Wildschweinebestände genannt. Eine Aufgabe, die die Jäger herausfordern und zeigen, dass die Jagd kein Hobby ist, sondern der Land- und Waldbewirtschaftung dient.

Es ist festzustellen, dass die seit fast zwei Jahren laufende verstärkte Bejagung von Schwarzwild die betroffene Jägerschaft erheblich belastet. Hervorzuheben ist aber die gute Zusammenarbeit zwischen dem Veterinäramt des Landkreises und den Jägern der Region im Interesse einer Eindämmung der Seuche. Das Verringern des Bestandes an Wildschweinen haben wir ohne fremde Hilfe geschafft. Deshalb begrüßen wir es als Jagdverband, wenn Sozialministerin Petra Köpping sagt, dass die dritte Stufe des Tilgungskonzeptes im Schutzkorridor Ost nicht angewendet wird. Mit dieser Stufe soll das verbliebene Schwarzwild durch Dienstleister entnommen werden.

Neben dem Wildschwein ist der Wolf ein weiteres Problemtier in der Ober- und Niederlausitz. Der Görlitzer Landrat Stephan Meyer plädiert für eine gezielte Bejagung von Wölfen. Denn laut Statistik der sächsischen Fachstelle Wolf sind im Kreis Görlitz inzwischen 14 Wolfsrudel und ein Einzeltier sesshaft. Dazu gibt es Überschneidungen mit neun weiteren Wolfsrudeln an den Kreisgrenzen. Tragen die Jäger das mit?

Die Zahlen sprechen für sich. 131 Schadensfälle zählte die Fachstelle Wolf 2023 im Kreis Görlitz. Das sind doppelt so viele als im Vorjahr und sechsmal mehr als 2021. Das ist ein Indiz dafür, wie intensiv sich der Wolf in unseren Wäldern ausgebreitet hat. Von einem schutzbedürftigen Tier zu sprechen, halte ich für überholt. Der Bestand an Muffelwild, vor allem in den Königshainer Bergen, ist inzwischen vom Wolf ausgerottet. Auch der Bestand an Rotwild ist zurückgegangen, Kälber sind davon besonders betroffen, weil sie für den Wolf leichte Beute sind. Der Wolf ist seit etlichen Jahren zum festen Bestandteil unserer Kulturlandschaft geworden. Aber das miteinander Auskommen im ländlichen Raum ist durch die hohe Populationsdichte nicht mehr gegeben. Hier muss der Mensch jetzt eingreifen. Deshalb sind wir als Jagdverband dafür, den strengen Schutz des Wolfes aufzuheben. Aber dazu muss erst noch auf politischer Ebene die rechtliche Grundlage geschaffen werden.

Erschwerend wirkt sich die unterschiedliche Beurteilung des Gefährdungsstatus aus. Die Internationale Union für die Erhaltung der Natur (IUCN) führt den Wolf als "LC (Least Concern)“, was ungefährdet bedeutet. Auf der Roten Liste Deutschland steht er immer noch als "gefährdet".

Wir brauchen zum Wolf eine Veränderung des Schutzstatus von derzeit FFH Anhang IV in Anhang V. Denn der Wolf ist nicht gefährdet, sondern die Tierbestände besonders der Schafhalter und manche Wildpopulation, wie es in Königshain zu beobachten war.

Neben diesen großen Themen gibt es aber auch ein Vereinsleben. Was haben Sie sich als neuer Vorsitzender für den Jagdverband vorgenommen?

Zunächst müssen wir uns zu einer ersten Vorstandssitzung treffen. Dort werden wir über unsere Aufgaben sprechen. Was mir wichtig ist: eine Verjüngung des Verbandes durch neue und junge Mitglieder. Das wollen wir mit speziellen Angeboten und Veranstaltungen erreichen, die jungen Jägern die Vorteile der Verbandsmitgliedschaft näher bringen sollen. Aber auch unser Internetauftritt braucht ein junges, frisches Update und die bevorstehende Jagdsaison ist vorzubereiten.