Ist dem kranken Wald noch zu helfen?

Pulsnitz. Es ist ruhig an diesem Wintermorgen im Wald am Keulenberg zwischen Oberlichtenau, Großnaundorf und Gräfenhain. An manchen Stellen schimmern Sonnenstrahlen durch die Bäume, das Laub raschelt unter den Füßen. Kaum ein Lüftchen weht, und auch die Vögel hüllen sich in Schweigen. Doch der idyllische Eindruck trügt.
Der Wald am Keulenberg ist nicht gesund, sicher nicht so krank wie ganze Waldgebiete zum Beispiel im südlichen Teil des Landkreises Bautzen oder in der Sächsischen Schweiz. Aber es gibt ähnliche Schäden wie vielerorts in Sachsen: kahle und umgebrochene Bäume, große und kleine Kahlflächen, Stämme ohne Rinde oder kahle Wipfel.
Das kennt auch Dirk Synatzschke, langjähriger Förster, ehemaliger Mitarbeiter im Naturschutzgebiet Königsbrücker Heide und Naturschützer. Als Naturschutzhelfer besitzt der Pulsnitzer selbst einige Hektar Wald auf dem Keulenberg. Er kennt die gesamte Landschaft und weiß: „Der Wald hat schon bessere Zeiten gesehen.“
An vielen Stellen zeigt die Rinde an den Bäumen, wo der Borkenkäfer eingedrungen ist, der Stamm aber auch, wo sich der Baum dagegen gewehrt hat. „Man sieht das, wenn besonders viel Harz aus dem Baum läuft. Es ist ein Abwehrmechanismus“, erklärt der Waldexperte. Er zeigt auch, wo ein Sturm gleich mehrere Bäume weggefegt hat und jetzt nur noch kahle Stellen mit ein wenig Bodenwuchs existieren.

Der Wald am Keulenberg ist im Eigentum vieler Kleinbesitzer, hervorgegangen aus einer kleinbäuerlichen Kulturlandschaft. Die Zahl der heutigen Eigentümer liegt bei etwa 400. Oft sind es Flächen ab einem halben Hektar. Einige wenige Gebiete gehören auch der Kommune und der Kirche. Es ist ein typischer Mischwald, wobei Fichten und Kiefern mit etwa 80 Prozent überwiegen. Den Privateigentümern falle es schwer, den Wald gerade nach größeren Schadensereignissen zu bewirtschaften. Manche haben versucht, das kranke Holz herauszuholen, andere überlassen den Wald sich selbst.
Große Gewinne könne man mit dem Holz aktuell nicht machen, sagt Dirk Synatzschke. „Viele nutzen es zum Eigengebrauch für den Holzofen oder den Kamin. Andere versuchen, es zu verkaufen.“ Aber Kleinwaldbesitzer zu sein, sei heutzutage kein lukratives Geschäft mehr. „Dazu kommt, dass sich die staatlichen Forstverwaltungen auf die Großwaldbesitzer konzentrieren. Die vielen kleinen Waldbesitzer scheinen vergessen. So erklärt sich der oft schlechte Waldzustand ganzer Gebiete“, sagt der Naturschützer.
Waldbesitz bedeutet jede Menge Arbeit
Er weiß aus eigener Erfahrung, dass Waldbesitz jede Menge Arbeit bedeutet, die nicht jeder bewältigen kann – zumal einige Eigentümer gar nicht in der Region wohnen. Dazu komme, dass einigen schlichtweg das Wissen fehle, wie sie ihren Bestand erhalten und vielleicht sogar verbessern können. Oder auch, wie sie mit den kranken Bäumen umgehen müssen.
„Heute gibt es wenig Betreuung des Privatwaldes durch den staatlichen Förster“, sagt Dirk Synatzschke. Zudem sei die Struktur der Forstverwaltung mit der Trennung in den Staatsbetrieb Sachsenforst und die beim Landkreis angesiedelte Forstbehörde verwirrend. Es sei für den Nichtfachmann schwer zu durchschauen, wer wofür zuständig ist.
Doch wie ließe sich das Dilemma beseitigen und dem kranken Wald helfen? Das fragt sich auch der Naturschützer, der inzwischen im Ruhestand ist und viel Zeit im eigenen Wald verbringen kann. „Nur langsam weicht die Bestürzung über die Waldentwicklung der Hoffnung auf einen neuen, gesünderen Wald“, sagt er. Dies bedeute aber auch, 100 bis 150 Jahre vorauszudenken. Dirk Synatzschke sieht darin eine anspruchsvolle Aufgabe auf alle Waldbesitzer und künftige Generationen zukommen.

Und wie ist nun dem Wald und seinen Eigentümern zu helfen? Es braucht wieder mehr Zusammenarbeit, um gemeinsam nach Forstunternehmen für Facharbeiten zu suchen, findet der Waldexperte.
Wichtig sei auch, beim Umbau des Waldes auf Baumsorten zu achten, die eine Zukunft haben. Synatzschke denkt dabei neben den bereits vorhandenen Nadelbaumarten an Sorten wie Weißtanne, Bergahorn oder Wildobst, aber auch Buche und Eiche. Letztere seien allerdings oft sehr teuer und bedürfen eines besonderen Wildschutzes. Der pensionierte Förster hat dafür zum Beispiel in seinem Wald kleine Bäume mit einer Drahthose geschützt, damit sie nicht von Tieren angefressen werden. Das sei alles aufwendig, aber es lohne sich.
Der Naturschützer baut aber auch auf die Selbstheilungskräfte des Waldes und rät dies auch allen anderen Waldbesitzern. Man müsse nicht immer alles dürre Holz rausräumen, sondern darauf bauen, dass eine natürliche Verjüngung geschieht, also dass von selbst kleine Pflanzen nachwachsen.
Für den Keulenberg wünscht sich Dirk Synatzschke, dass sich der Wald wieder erholt, auch wenn dies Jahre dauern kann. Und er hofft, dass Eigentümer wie auch Naturfreunde von ihm profitieren – in welcher Form auch immer.