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SOE: Tonnenweise falscher Müll in der Gelben Tonne

Das erste Jahr ohne Gelben Sack ist rum. Die Umstellung auf Behälter brachte dem Entsorger Stress. Und er ist noch nicht vorbei.

Von Jörg Stock
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"Je größer der Behälter, umso mehr Unrat verschwindet darin." Heidenaus Kühl-Chef Heiko Scheffel ärgert sich über den vielen Müll in der Gelben Tonne.
"Je größer der Behälter, umso mehr Unrat verschwindet darin." Heidenaus Kühl-Chef Heiko Scheffel ärgert sich über den vielen Müll in der Gelben Tonne. © Norbert Millauer

Was macht das Kissen im Verpackungsmüll? Offensichtlich hat jemand beim Befüllen seiner Gelben Tonne geschlafen. Oder mit Absicht ein Auge zugedrückt? Heiko Scheffel hält das für wahrscheinlich. Denn was in die Gelbe Tonne reingehört, steht auf jeder Gelben Tonne drauf. Bettzubehör ist nicht dabei. "Ein klassischer Fehlwurf."

Heiko Scheffel ist Niederlassungsleiter von Kühl in Heidenau. Im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge ist die Firma mit dem Einsammeln des Verpackungsmülls beauftragt. Ein Teil davon wird zeitweise auf dem Firmengelände gelagert. Hier, in der Umschlagbox, kann Scheffel ohne viel Suchen jede Menge Fehlwürfe ausmachen: Windeln und Bauschaum, Dämmstoffe, alte Eimer, Wäschekörbe und sogar zerlegte Regentonnen.

80.000 Gelbe Tonnen im Landkreis aufgestellt

Dass zwischen den Verpackungen Unrat liegt, ist ein geläufiges Problem. Doch es hat sich verschärft, sagt Heiko Scheffel, seit zum Jahresbeginn die Gelben Säcke durch Behälter abgelöst wurden. Holte man zuvor etwa 700 Tonnen Verpackungsreste pro Monat im Landkreis ab, sind es jetzt 850. Das Plus von 150 Tonnen komme vor allem durch Rest- und Sperrmüll zustande, der unerlaubt in den Tonnen lande.

Noch im Sommer 2020 ein vertrautes Bild im Landkreis SOE: Gelbe Säcke warten auf die Abholung, hier an der Dresdner Straße in Freital.
Noch im Sommer 2020 ein vertrautes Bild im Landkreis SOE: Gelbe Säcke warten auf die Abholung, hier an der Dresdner Straße in Freital. © Archivfoto: Andreas Weihs

Der Abfallzweckverband hatte 2020 erreicht, dass die Betreiber des Abfallsammelsystems der Umstellung von Säcken auf Tonnen zustimmten. Damit sollte das Problem der zerrissenen Säcke und verwehten Abfälle gelöst werden. Schon im September 2020 begann Kühl mit dem Verteilen der ersten Behälter. Etwa 80.000 wurden im Landkreis aufgestellt.

Ein gutes Jahr später nennt Heiko Scheffel die Verteilaktion einen Erfolg und eine logistische Leistung. Nur vereinzelt seien Straßen beim Tonnen aufstellen vergessen worden. Die Reklamationsquote habe bei unter einem Prozent der zu bestückenden Haushalte gelegen. "Das ist normal und vertretbar."

Als aber das Tonnensystem zu Jahresbeginn richtig in Fahrt kommen sollte, knirschte es im Getriebe. Das lag am ungewohnt heftigen Winter. Aber nicht nur. Kühl war mit denselben Tourenplänen unterwegs, wie bisher beim Säcke einsammeln. Das Problem: Tonnen kippen dauert wesentlich länger.

Typischer Fehlwurf: Bauabfälle wie diese Teppichleisten landen immer wieder in den Sammelcontainern für Leichtverpackungen.
Typischer Fehlwurf: Bauabfälle wie diese Teppichleisten landen immer wieder in den Sammelcontainern für Leichtverpackungen. © Foto: Kühl

Das liegt vor allem daran, dass Tonnen ans stehende Fahrzeug herangerollt werden, während man Säcke oft während der Fahrt hineinwarf. In schwierigem Gelände gab es Sack-Sammeldepots. Nun müssen die Autos jeden Winkel abgrasen, um jeden Kübel zu erwischen.

Halbleere Tonnen kosten unnötig Zeit

Die Folge waren überlange Arbeitstage für die Müllwerker und Frust bei den Bürgern wegen nicht geleerter Tonnen. Kühl reagierte. Touren wurden aufgeteilt, zusätzliche Sammelfahrzeuge eingesetzt. Statt sechs Touren wie zu Sack-Zeiten gibt es nun acht. "Das Fahrpersonal hat wieder pünktlich Feierabend", sagt Heiko Scheffel.

Die Lage könnte noch entspannter sein, denkt der Kühl-Chef, wenn die Leute nur dann ihre Tonnen an die Straße stellen würden, wenn sie voll wären. Zu zwanzig Prozent, so seine Schätzung, ist das nicht der Fall. Halbleere Tonnen verbrauchen Zeit und Ressourcen. Müsste die Leerung bezahlt werden, sähe die Sache anders aus, ist er überzeugt.

Erst in der Umschlagbox erweist sich, was in den Tiefen der Gelben Tonnen versteckt lag, in diesem Fall ein Kissen.
Erst in der Umschlagbox erweist sich, was in den Tiefen der Gelben Tonnen versteckt lag, in diesem Fall ein Kissen. © SZ/Jörg Stock

Wer eine Sache kauft, zahlt die Entsorgung der Verpackung bereits mit. Die Produzenten wiederum leisten Beiträge dafür an das Duale System. Deshalb ist die Leerung der Gelben Tonne gratis. Ein Umstand, der nach Scheffels nun einjähriger Erfahrung ausgenutzt wird, um kostenpflichtigen Müll darin zu verstecken.

In den transparenten Säcken waren Störstoffe leicht auszumachen. Falsch befüllte Tüten blieben liegen. Bei den Tonnen können die Müllwerker nur oberflächlich kontrollieren. Hineingreifen ist verboten - Unfallgefahr. Was also nicht sofort als Unrat auffällt, sagt Heiko Scheffel, landet im Bauch des Sammelfahrzeugs. "Und was da einmal drin ist, holt keiner mehr raus."

Fehlwürfe belasten das System und stören das Recycling. Sie können sogar gefährlich sein. Fünfmal hat es dieses Jahr bei Kühl gebrannt, einmal in der Umschlagbox und viermal auf dem Fahrzeug. Ein Auto musste sogar auf freier Strecke notentleert werden. Als Auslöser der Brände gelten vor allem Batterien, die fälschlicherweise in der Gelben Tonne lagen.

Nicht alle Dinge aus Plaste sind automatisch etwas für die Gelbe Tonne. Auch dieser Eimer ist hier falsch.
Nicht alle Dinge aus Plaste sind automatisch etwas für die Gelbe Tonne. Auch dieser Eimer ist hier falsch. © SZ/Jörg Stock

Die Vermüllung der Sammelbehälter ist nach Scheffels Beobachtung dort am schlimmsten, wo sich Wohnblocks konzentrieren, etwa auf dem Pirnaer Sonnenstein oder in Freital-Zauckerode. Die Anonymität erleichtere das achtlose Entsorgen in den extragroßen, gut einen Kubikmeter fassenden Kübeln. "Je größer der Behälter, umso mehr Unrat verschwindet darin."

Heiko Scheffel sagt, dass seine Leute nicht pingelig sind. Er sagt, dass sie eigentlich viel härter sein, viel mehr Reklamationsaufkleber verkleben, viel mehr Kreuzchen bei "falsch befüllt" machen müssten. Doch ließen sie die Tonnen stehen, würden sich die Abfälle türmen, würde die Arbeit bei der nächsten Runde womöglich gar nicht mehr zu schaffen sein.

Aber Scheffel will etwas tun. Er hat vor, kommendes Jahr "Reklamationstage" einzuführen. Da will er sich mit Hausmeistern und Verantwortlichen der Wohnungsgenossenschaften bei der Kübelleerung verabreden und gemeinsam mit ihnen in die Tonnen schauen. Dann heißt es: nachsortieren oder als Restmüll entsorgen - kostenpflichtig.

Unterdessen steht Kühl die nächste Neuigkeit ins Haus: Die Leerung der Bio-Abfall-Tonne muss ab 2022 bezahlt werden. Heiko Scheffel geht davon aus, dass die braunen Kübel dann weniger oft vor den Häusern stehen werden. Vielleicht, sagt er, kann man Touren verkürzen und Fahrzeuge einsparen. "In welcher Größenordnung ist nicht vorhersehbar."