Dresden/Leipzig. Erst ein Blitz, dann Donner, dann Hagel. Der Sturm mit Orkanböen folgt. Es ist alles dabei, was zu einem ordentlichen Gewitter gehört. Nur, es ist Winter halt. Statt Starkregen folgt starker Schneefall. Binnen Minuten ist das ganze grüne Land schön weiß.
Mittwochabend überquert eine Kaltfront die Region. Das klingt relativ normal, ist aber in dieser Art schon sehr ungewöhnlich, sagt Florian Engelmann vom Deutschen Wetterdienst. In 5.000 Metern Höhe ist eiskalte Luft aus der Arktis herangeströmt. Als Linie, wie eine Wand kommt sie großflächig voran. "Allenfalls alle paar Jahre kommt das in dieser heftigen Form hier in Sachsen mal vor", sagt Engelmann.
Während am Boden noch leichte Plusgrade herrschen, selbst in den Mittelgebirgen nur wenige Grade Frost sind, wird es binnen Minuten, in einer Höhe von 5.000 Metern mit minus 40 Grad eisig kalt. Davor war es dort noch um die 20 Grad wärmer.
In nur zwei Tagen konnte diese Luftmasse in der Höhe vom Nordpolargebiet kommend Sachsen erreichen. Den Weg über die Ostsee hat sie dabei weitgehend vermieden, sondern die Umleitung über das osteuropäische Festland gewählt. Trotzdem ging alles sehr schnell. Da gab es keine Chance, die eiskalte Luft mit wärmerer zu vermischen. Da gab es keine Chance der Aufwärmung. Damit waren alle Zutaten für ein heftiges Gewitter von Berlin bis Sachsen vorhanden. Die Temperaturdifferenz ist das Entscheidende. Selbst minus 30 Grad in der Höhe hätten da schon für ein heftiges Wintergewitter ausgereicht.
Heftigere Blitze als im Sommer
Im Sommer wie Winter ist für die Gewitterentstehung eine Temperaturdifferenz von 25 Grad zwischen bodennaher Luft in etwa 1.000 Metern Höhe und in 5.000 Metern Höhe entscheidend. Am Mittwoch waren dies sogar an die 35 Grad. Mehr als genug für die Gewitterentstehung.
Im Sommer entsteht die nötige Temperaturdifferenz durch den stark erhitzten Boden. Im Winter durch die polaren Kaltluftströme in der Höhe. Und noch einen großen Unterschied haben die Gewitter im Sommer und Winter, sagt Florian Engelmann. "Gewitterwolken im Sommer reichen deutlich höher." Cumulonimbus, die Gewitterwolken, reichen im Sommer durchaus auf 12 Kilometer hinauf. "Das schaffen wir jetzt im Winter nicht", sagt der DWD-Meteorologe.
Im Winter passiert das alles bis auf maximal sieben, acht Kilometern Höhe. Am Mittwochabend war es noch etwas tiefer. Die Wolkenuntergrenze bei einem Wintergewitter liegt zudem deutlich niedriger als bei einem Sommergewitter. Gestern waren es nur wenige hundert Meter.
Wintergewitter toben sich so wie am Mittwoch also näher am Boden aus. Das sieht nicht nur gewaltiger aus, sondern klingt auch heftiger. Diese Wintergewitter bringen zwar weniger Blitze mit sich, aber die sind dafür umso heftiger. Während im Sommer viele Blitze von Wolke zu Wolke gehen, gelangen im Winter die meisten aus den Wolken zum Boden.
Was gestern ganz Sachsen überquerte, das hatte meteorologisch gesehen alle Zutaten von einem Blizzard. Mit einem, wenn auch entscheidenden Unterschied: Der Schneesturm in Sachsen kam wie ein Blizzard, und ging nach spätestens zwei Stunden wieder. Ein Blizzard im Norden Amerikas wütet über viele Stunden und kann auch mal Tage andauern.