Nicht jedem bringt die DDR-Zusatzrente mehr Geld

Sie tauchen in nahezu jedem Rentenbescheid von Beschäftigten in der DDR auf: die Jahre der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR). Vier von fünf Angestellten und Arbeitern gehörten ihr Ende der 80er Jahre an. Für viele war es die einzige Möglichkeit, für das Alter vorzusorgen. Private Lebensversicherungen gab es nicht. Und das Geld auf ein Sparbuch zu bringen, war nicht so lukrativ.
Vielen gilt das Prozedere um die DDR-Zusatzrente heute als ungerecht. Denn was als zusätzliches Polster gedacht war, fließt in die gesetzliche Rente ein. „Freiwillige Beiträge wurden quasi zu Pflichtbeiträgen deklariert“, sagt Christian Lindner, Rentenberater in Dresden. Dagegen habe in den alten Bundesländern eine zusätzliche Vorsorge zu einer echten Zusatzrente geführt. In der Regel steigt die Altersrente zwar durch die Zusatzvorsorge. Doch nicht alle DDR-Arbeiter profitieren davon.
Problem Beitragsbemessungsgrenze
Zum einen sind da diejenigen, die in den 70er- und 80er-Jahren in der DDR gut verdient und hohe Beiträge in die FZR eingezahlt haben. Sie bekommen die Zusatzvorsorge heute unter Umständen nicht voll für ihre Rente angerechnet. „Der Grund ist die Beitragsbemessungsgrenze. Diese gibt eigentlich an, bis zu welcher Höhe des Verdienstes ein Versicherter Rentenbeiträge zahlen muss“, sagt Christian Lindner. In der DDR gab es diese Grenze ab 1977 für die FZR-Beitragszahlung von Arbeitern, Angestellten und Mitgliedern sozialistischer Produktionsgenossenschaften nicht, sie wurde aber rückwirkend auf die gezahlten Gehälter übertragen. „Das bedeutet, wenn Versicherte mit dem Verdienst darüber lagen, haben sie einen Teil der hohen FZR-Beiträge umsonst geleistet. Die werden nicht für die Rente berücksichtigt“, sagt Lindner.
Zum anderen spielen die FZR-Beiträge keine Rolle, wenn der Versicherte bereits am 18. Mai 1990 in den alten Bundesländern gewohnt hat und vor dem 1. Januar 1937 geboren wurde. „In diesen Fällen werden die DDR-Beitragszeiten auf Grundlage der Werte des Fremdrentengesetzes zugeordnet“, sagt Lindner.
Auf eine Aufstockung der Altersrente hoffen kann dagegen, wer in der DDR als Selbstständiger einen Handwerksbetrieb geführt hat. Bäcker oder Fleischer durften FZR-Beiträge damals nur bis zu einem Jahreseinkommen von maximal 14.400 Mark zahlen. Für alle Betriebsgewinne darüber hinaus war das nicht möglich. Das schmälert natürlich die Rentenhöhe heute. Nach Ansicht von Christian Lindner ist das unrechtmäßig.
Deutlich höhere Rentenansprüche
„Es lag ja nicht in der Verantwortung der Gewerbetreibenden selbst, dass die Beitragszahlung begrenzt war“, sagt der Rentenberater. Er habe bereits für mehrere Betroffene deutlich höhere Rentenansprüche bei der Deutschen Rentenversicherung durchsetzen können. Nach Paragraf 256, Absatz drei Sozialgesetzbuch VI „...zählen als Verdienst auch die nachgewiesenen beitragspflichtigen Arbeitsverdienste und Einkünfte vor dem 1. Juli 1990, für die wegen der im Beitrittsgebiet jeweils geltenden Beitragsbemessungsgrenzen ... Beiträge zur FZR nicht gezahlt werden konnten.“ Wichtig für die Durchsetzung seiner Ansprüche ist, die Gewinne aus den Geschäftsjahren nachweisen zu können. „Fehlen die entsprechenden alten Unterlagen, kann in der Regel das Finanzamt weiterhelfen“, sagt Lindner. Voraussetzung sei außerdem, dass der Selbstständige überhaupt in die FZR eingezahlt habe.
Für den Großteil der DDR-Angestellten wirken sich jedoch sowohl die Beiträge aus der Sozialpflichtversicherung als auch aus der Zusatzversorgung rentenerhöhend aus. Hat etwa eine Arbeitnehmerin mit einem Jahresbruttogehalt von 18.000 Mark ein Jahr lang in die FZR eingezahlt, ergibt das heute rund 22 Euro mehr Rente pro Monat.
Jedes Jahr zählt
Erfasst werden die FZR-Jahre bei der Rentenberechnung automatisch, da die Eintragungen im Sozialversicherungsausweis gelten. „Dennoch sollte jeder, der in den nächsten Jahren in den Ruhestand geht, seinen Versicherungsverlauf bei der Rentenversicherung ganz genau prüfen. Jedes Jahr zählt“, sagt Lindner. Bei Frauen hat die FZR zudem Auswirkungen auf die Mütterrente. Die im Jahr der Kindererziehung gezahlten Beiträge werden gegengerechnet – die Mütterrente wird unter Umständen gekürzt.
Die freiwillige Zusatzrente der DDR gab es ab dem 1. März 1971. Bis dahin konnten viele Beschäftigte lediglich einen Verdienst bis zu 600 Mark monatlich in der Sozialpflichtversicherung (SV) absichern. Mit der FZR war es ihnen möglich, freiwillige Beiträge auch für darüber liegendes Gehalt zu entrichten – bis zum 31. Dezember 1976 für bis zu weitere 600 Mark monatlich und ab dem 1. Januar 1977 bis zur Höhe des tatsächlichen Verdienstes. Vorgesehen war, dass nach 20 Jahren die Beitragspflicht der Versicherten erlischt, während der Betrieb weiter zu zahlen hatte. Die Gesamtversorgung sollte bis 90 Prozent vom letzten Nettolohn betragen. Dazu kam es jedoch nicht mehr, weil die Zusatzrente zum 30. Juni 1990 eingestellt wurde.
22 Euro mehr pro Monat:
- Ein Beispiel soll verdeutlichen, wie sich FZR-Beiträge auf die heutige Rente auswirken. Zu beachten ist, dass das versicherte Einkommen vor der Umrechnung in Entgeltpunkte-Ost immer noch mit dem Faktor 3,2885 auf West-Niveau hochgewertet werden muss.
- Eine Arbeitnehmerin hatte 1984 ein Jahresbruttogehalt von 18.000 Mark. Sie zahlte nicht in die FZR ein, aber SV-Beiträge auf 7.200 Mark – sprich 23.677,20 D-Mark. Dividiert durch das Durchschnittsentgelt-West von 34.292 DM ergeben sich 0,6905 Entgeltpunkte-Ost. Der aktuelle Rentenwert-Ost liegt bei 33,23 Euro. Damit besteht für das Jahr 1984 ein monatlicher Rentenanspruch von 22,95 Euro.
- Hat die Arbeiterin zusätzlich FZR-Beiträge auf 7.200 Mark gezahlt, liegt der hochgewertete Verdienst bei 47.354,40 D-Mark. Das ergibt 1,3809 Entgeltpunkte-Ost und einen monatlichen Rentenanspruch von 45,89 Euro.