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Eine einzigartige Farbstoffsammlung

Der König-Bau der TU Dresden samt der riesigen Farbstoffsammlung ist nun zur „Historischen Stätte der Chemie“ ernannt worden. Was es dort für Schätze gibt.

Von Jana Mundus
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Tausende Farbstoffe gehören zur Farbstoffsammlung der TU Dresden. Die ältesten stammen aus der Zeit um 1830.
Tausende Farbstoffe gehören zur Farbstoffsammlung der TU Dresden. Die ältesten stammen aus der Zeit um 1830. © Sven Ellger

Das Farbenmeer ist hinter Schranktüren versteckt. Kein tobendes Meer ist es, sondern ein gut geordnetes. Dicht gedrängt stehen auf den Regalbrettern unzählige Fläschchen und Gläschen. Sie sind verkorkt, verschraubt und angefüllt mit den unterschiedlichsten Farbtönen. Dunkles Rot, helles Blau oder grelles Grün. Akkurat beklebt sind alle Behältnisse. Auf vielen Schildchen verrät bereits die handgeschriebene und verschnörkelte Schrift, dass sie hier schon lange lagern. Die Farbstoffsammlung in der noch original erhaltenen historischen Inneneinrichtung im König-Bau der TU Dresden ist europaweit einzigartig. Gebäude und Sammlung erhielten nun eine besondere Ehrung.
Die Gesellschaft Deutscher Chemiker nahm den Gebäudekomplex samt Sammlung jetzt ins Programm „Historische Stätten der Chemie“ auf. Sie ehrt ihn damit als herausragenden und einzigartigen Ort farbchemischer Forschung. Die überregionale Würdigung wird seit 1999 verliehen und wurde bisher nur wenigen Universitäten in Deutschland zuteil.

Als eine der bedeutendsten Sammlungen der TU Dresden beherbergt die Farbstoffsammlung mehr als 8.000 Naturfarbstoffe aus pflanzlichen und tierischen Quellen. Darüber hinaus über 18.000 nach ihrer chemischen Struktur geordnete Handelsmuster synthetischer Farbstoffe von mehr als 80 Herstellern sowie über 2.000 Farbmusterkarten und zahlreiche Färbemuster. Die ältesten Farbproben stammen aus der Zeit um 1830, andere Musterproben von der Weltausstellung 1851. Bis heute befindet sich die Sammlung in den 1926 bezogenen Sammlungsräumen im König-Bau der TU Dresden, an die sich ein farbenchemisches Labor und der historische Hörsaal anschließen.

Walter König erweitert die Sammlung

Die Anfänge der Sammlung gehen auf den ehemaligen Professor Stein zurück, der von 1850 bis 1880 als erster Chemiker an der damaligen Königlichen Reichsanstalt Dresden lehrte. Er brachte zahlreiche Naturfarbstoffe für die Sammlung von seinen ausgedehnten Reisen mit. Das Institut für Farbenchemie und Färbereitechnik wurde 1880 von Richard Möhlau gegründet und von ihm bis 1909 geleitet. Der größte Teil der ältesten Teerfarbstoffproben wurde damals von ihm zusammengetragen. 1913 übernahm bis 1957 Walter König die Institutsleitung. Er konzipierte die Sammlungsräume bereits bei der Planung des Neubaus auf dem heutigen Campusgelände.

Mit der Einweihung des Gebäudes im Jahre 1926 wurden die Räume mit ihrer heutigen Innenausstattung übernommen. König war für den wesentlichen Ausbau und die Erweiterung der Sammlung zuständig. Auch viele Diplom- und Doktorarbeiten belegen die herausragende Stellung des Instituts bis 1945. Zur Systematisierung der Farbstoffe wurde in den 1920er-Jahren das System Schultz eingeführt, da die Farbstoffproduzenten ihre Produkte mit jeweils eigenen Handelsnamen versahen.

Zur Sammlung gehören auch Färbemuster, die den Einsatz der Farbstoffe an textilen Fasern zeigen.
Zur Sammlung gehören auch Färbemuster, die den Einsatz der Farbstoffe an textilen Fasern zeigen. © Sven Ellger

Horst Hartmann, emeritierter Professor für Organische Chemie der TU Dresden, betreut die Farbstoffsammlung seit 2003 ehrenamtlich an der Fakultät Chemie und Lebensmittelchemie. Er sieht in der Auszeichnung eine besondere Ehre. „Dadurch wird der Blick der Öffentlichkeit auf eines der letzten an der Fakultät für Chemie und Lebensmittelchemie noch weitgehend im Originalzustand erhaltenen Gebäude gerichtet“, sagt er.

Öffentlichkeit darf staunen

An diesem Ort wäre über viele Jahrzehnte hinweg Spitzenforschung betrieben worden, die wesentlich, aber nicht ausschließlich, mit dem Namensgeber des Gebäudes verbunden sei. „Dadurch wird meine Hoffnung gestärkt, dass der König-Bau auch künftig für die TU Dresden und auch die Öffentlichkeit ein Ort sein wird, in dem die Geschichte der Chemie und vielleicht auch einiger anderer bedeutsamer Wissenschaftsdisziplinen ansehens- und erlebenswert bleibt.“

Der leidenschaftliche Sammlungsbeauftragte pflegt eine besonders enge Beziehung zu den Räumlichkeiten und den vielen tausend Farbstoffen. Die Frage nach seinem persönlichen Favoriten in der Sammlung kann er angesichts der Fülle und Einzigartigkeit nicht eindeutig beantworten. „Da geht es mir wie einem kinderreichen Familienvater, der danach gefragt wird, welches das liebste Kind seiner Familie sei.“ Die Auszeichnung „Historische Stätte der Chemie“ wurde im Rahmen einer feierlichen Festveranstaltung vergeben. Im Anschluss wurde eine neue Gedenktafel am Gebäude enthüllt.

Interessierte können die Sammlung nach Voranmeldung besuchen. Die Anmeldung ist 14 Tage vorher per E-Mail möglich: [email protected]