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Kleidung, die beim Einsatz schützt

Im Brandrauch gibt es Stoffe, die selbst durch die Kleidung hindurch für Feuerwehrleute gefährlich sind. Neuartige Anzüge können sie davor bewahren.

Von Jana Mundus
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Vlies-Aktivkohle-Filter sorgen in den neuen Anzügen dafür, dass die schädlichen Brandrauchstoffe namens Pak ferngehalten werden.
Vlies-Aktivkohle-Filter sorgen in den neuen Anzügen dafür, dass die schädlichen Brandrauchstoffe namens Pak ferngehalten werden. © PR/Veritas Medien GmbH/BLAULICHT

Es sind Hundertausende, die sich für andere in Gefahr begeben. In Deutschland sind 40.000 hauptamtliche und 1,3 Millionen ehrenamtliche Feuerwehreinsatzkräfte tätig. Wenn sie ausrücken, um Brände zu löschen, bedrohen nicht nur die Flammen selbst ihre Sicherheit. Im entstehenden Brandrauch befinden sich sogenannte Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, kurz Pak genannt. Sie gelten als gesundheitsschädlich, insbesondere auch als potenziell krebserregend. Entstehen können die molekularen Verbindungen aus Kohlen- und Wasserstoffatomen beispielsweise bei Hausbränden, wenn etwa Matratzen, Vorhänge, Holzbalken, Kunststoff oder andere Gegenstände aus organischen Materialien brennen.

Wissenschaftler des Dresdner Fraunhofer-Instituts für Werkstoff- und Strahltechnik IWS wollen die Einsatzkräfte künftig besser vor diesen Risiken schützen. Mit Partnern aus der Wirtschaft arbeiten sie an neuartigen Anti-Pak-Schutzanzügen. Die ersten Praxistests verliefen jetzt positiv. Das Schutzkonzept der neuen Anzüge basiert auf leistungsfähigen Materialien und einer intelligenten Überwachung.

Zentraler Bestandteil der Anzüge sind moderne Vliese. Sie verhindern den Kontakt der Haut mit den Schadstoffen. In die Gewebe werden außerdem Ultraviolett-Sensoren integriert. Sie stellen fest, wann der textile Schutzschild mit Pak gesättigt ist und ausgetauscht werden muss. Das bedeutet eine doppelte Sicherheit für das Rettungspersonal. Die ersten Feuerproben in Brandcontainern hat die neue Schutzkleidung bereits bestanden. Das Bundesforschungsministerium fördert das Vorhaben im Rahmen des Programms „Forschung für die zivile Sicherheit“ noch bis Dezember 2023 mit insgesamt 1,24 Millionen Euro.

Vlies bindet Giftstoffe

Was die Neuentwicklung für die Gesundheit von Feuerwehrkräften bedeutet, macht Felix Spranger, Gruppenleiter Gas- und Partikelfiltration am Fraunhofer IWS, deutlich. Bei einem einzelnen Einsatz seien es womöglich nur wenige Mikrogramm Pak, die durch Öffnungen im Schutzanzug auf die Haut gelangen. „Das Gefährliche an diesen Stoffen ist, dass sie sich bei Feuerwehrleuten über ein ganzes Berufsleben hinweg immer weiter im Körper anreichern können.“ Studien aus Deutschland und den USA belegten verstärkt auftretende Krebserkrankungen in dieser Berufsgruppe. Pak gelangen über die Haut in den Körper und lagern sich dort im Fettgewebe ab. Weil die menschlichen Abwehrsysteme die ringförmigen Kohlenstoffverbindungen nicht kennen, baut der Körper diese Schadstoffe nicht ab – sie werden immer mehr. Dadurch steigt über die Jahre hinweg die Tumorgefahr.

Bei korrekt angelegter Schutzkleidung ist dieses Risiko laut Untersuchungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung zwar begrenzt. Wenn Feuerwehrkräfte jedoch über Jahrzehnte im Einsatz sind, können kleine Unachtsamkeiten zu problematischen Belastungen führen. „Deshalb war es so wichtig, Lösungen zu finden, die neue technologische Ansätze wie intelligente Textilien einbeziehen“, erläutert Spranger die Motivation der Forscher. Dafür schloss sich das Fraunhofer IWS im Jahr 2020 mit vier weiteren Partnern zum Forschungsprojekt 3D-Paktex zusammen. Einerseits stand die Entwicklung von vliesbasierten neuen Filtern im Fokus, andererseits ein Sensorkonzept, um deren Funktionsfähigkeit zu überwachen.

Die Wissenschaftler identifizierten zunächst passende poröse Aktivkohlen, die Pak besonders gut binden. Diese fixierte der Projektpartner Norafin später mit speziellen Bindern in für Brandeinsätze optimierte Vliesstoffe. Die neuen Zusatzvliese integrierte das beteiligte Unternehmen S-Gard in einen ersten Anzug für Demonstrationszwecke. An Ärmelöffnungen, Bünden und anderen Stellen ergänzte der Hersteller kleine Verschlusstaschen. Per Druckknopf nehmen sie die neuen Zusatzfilter an jenen Punkten auf, an denen Rauchgase trotz aller Isolierungen dennoch in den Schutzanzug gelangen könnten. Strömt dort Rauchgas vorbei, bindet das Vlies die Giftstoffe.

In die Feuerwehrkleidung integrierte Fließstoffe nehmen PAK wie ein Schwamm auf und elektrische Sensoren zeichnen die Kontamination im Einsatz auf. Foto:PR/Veritas Medien GmbH/BLAULICHTKANAL
In die Feuerwehrkleidung integrierte Fließstoffe nehmen PAK wie ein Schwamm auf und elektrische Sensoren zeichnen die Kontamination im Einsatz auf. Foto:PR/Veritas Medien GmbH/BLAULICHTKANAL © PR/Veritas Medien GmbH/BLAULICHT

Für die Überwachung im Vlies mittels Sensoren sorgt die Firma JLM Innovation. Deren Mini-Spektrometer senden Ultraviolettlicht einer genau definierten Wellenlänge aus. Treffen diese UV-Strahlen auf Pak, absorbieren die Ringmoleküle zunächst deren Energie und senden dann auf einer leicht veränderten Wellenlänge andere UV-Strahlen zurück. Die Sensoren messen das zurückgesandte Licht aus: Je intensiver es ist, umso höher ist die Pak-Konzentration im Vlies.

Entscheidung über Serienproduktion soll fallen

Eine elektronische Kontrolleinheit in der Brusttasche der Feuerwehrkraft wertet diese Daten aus und sendet sie per Bluetooth an ein Smartphone. Die Entwicklung der dafür maßgeschneiderten Software übernahm der Projektpartner ATS Elektronik. Damit können die Retter in Uniform in Echtzeit sehen, wie sich ihre Pak-Filter füllen und wann sie ausgetauscht werden müssen.

In Labortests haben die neuen Vlies-Aktivkohle-Filter die Pak-Last im Rauchgas bereits erheblich gesenkt. Daran schlossen sich praxisnahe Simulationen in Brandcontainern an. Erfahrene Tester streiften die Anzug-Prototypen über, zündeten in einem abgeschirmten Container zunächst Matratzen, dann Gummireifen und weitere Testobjekte an, um die neue Schutzkleidung in unterschiedlichen Brandszenarien auszuprobieren. „Wir werden diese Befunde gründlich auswerten und weiter den Markt beobachten, um fundiert über eine mögliche Serienproduktion entscheiden zu können“, kündigt Jonas Kuschnir vom Unternehmen S-Gard aus dem nordrhein-westfälischen Heinsberg an. Freilich sei der neue Schutzansatz gegen Pak auch mit gewissen Mehrkosten verbunden, doch die Projektergebnisse seien vielversprechend.

Das Thema wird auch das Fraunhofer IWS weiter beschäftigen. „Wir sehen noch einige Ansätze, um beispielsweise die Sensoren und die Schnittstellen der neuen Schutztechnik weiter zu verbessern“, erklärt Felix Spranger. Aus Rückmeldungen wüssten die Forscher bereits, dass die Industriepartner noch großes Potenzial in derartigen smarten Textilien sehen, auch jenseits von Feuerwehrschutzkleidung.

Das deckt sich auch mit den Befunden internationaler Beobachter. So gehen die Analysten des britischen Marktforschungs-Unternehmens IDTechEx davon aus, dass der Markt für elektronisch aufgewertete beziehungsweise intelligente Textilien bis 2033 international auf umgerechnet rund 713 Millionen Euro wachsen wird.