SZ + Deutschland & Welt
Merken

Wie aus Klinikabfällen Neues entsteht

Krankenhäuser produzieren Unmengen an Plastikmüll. Forschende des Fraunhofer IWU suchen Lösungen.

Von Jana Mundus
 3 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Aus sortenrein getrennten Kunststoffabfällen entsteht Granulat zur Herstellung hochwertiger Kunststoffe. Eine händische Mülltrennung ist im Klinikalltag nicht leistbar. Neue Ideen sind gefragt.  Foto: PR
Aus sortenrein getrennten Kunststoffabfällen entsteht Granulat zur Herstellung hochwertiger Kunststoffe. Eine händische Mülltrennung ist im Klinikalltag nicht leistbar. Neue Ideen sind gefragt. Foto: PR © PR/Fraunhofer IWU

In den deutschen Krankenhäusern fallen jährlich mehrere Millionen Tonnen Abfall durch gebrauchte Schutzmasken, Testutensilien, Spritzen, Handschuhe oder Operationskittel an. Der Großteil dieser Einwegartikel wird verbrannt. Ein Forscherteam am Dresdner Institutsteil des Fraunhofer-Instituts für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU sucht nach Lösungen für das Müllproblem. Nun veröffentlichten sie Vorschläge, wie die Recyclingquote bei Kunststoffprodukten im Gesundheitssektor Schritt für Schritt steigen kann – ohne Pflegekräfte mit zusätzlichen Aufgaben zu belasten.

Einwegprodukte aus Kunststoff wegzuwerfen oder zu verbrennen, ist das genaue Gegenteil von einem effizienten Umgang mit Rohstoffen. Dabei gilt auch für den Gesundheitssektor die Vorgabe, zur Jahrhundertmitte klimaneutral zu sein. Dazu gehören auch geschlossene Stoffkreisläufe. Materialien werden nach der Verwendung also nicht zu Abfall, sondern in den Kreislauf zurückgeführt, um erneut verarbeitet oder genutzt zu werden.

Die Forschenden am Fraunhofer IWU sind überzeugt: Dieses Ziel ist zu schaffen. In ihrer neuen Veröffentlichung „ReMed – Recyling für eine nachhaltige Medizintechnik“ zeigen sie unterschiedliche Strategien für eine Erhöhung des Recyclinganteils von Kunststoffen aus Medizinprodukten. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Abfällen in Kliniken. Eine wichtige Basis für die Untersuchung waren die Ergebnisse einer Umfrage zu aktuellen Entsorgungsprozessen und möglichen Recycling-Potenzialen, an der 27 sächsische Klinken teilnahmen.

Trennen der Abfälle ist ein Problem

Für eine erfolgreiche Abfallreduzierung müssen demnach wichtige Fragen beantwortet werden: Aus welchen Bestandteilen ist der Abfall zusammengesetzt? Wer ist in die Prozesse rund ums mögliche Recycling involviert? Wie könnten zurückgewonnen Stoffe wiederverwendet werden? Die Forscher haben ihre Ideen zur Sammlung, Sortierung, Aufbereitung, Nutzung und zum Recycling der Plastikabfälle gleich einem Realitätscheck unterzogen. Dafür arbeiteten sie mit Mitarbeitenden des Dresdner Universitätsklinikums zusammen. Sie sollten einschätzen, ob die Vorschläge in der Praxis umsetzbar sind. Denn im Klinikalltag darf der nachhaltige Umgang mit Einwegmedizinprodukten weder viel Fläche beanspruchen – dies gilt ganz besonders für die Operationssäle – noch zu nennenswerter Mehrarbeit führen.

Ein weiteres Problem: Unsicherheit bei der Sortierung der Abfälle führt häufig zu Fehlern bei der Zuordnung. Eigentlich unbedenkliche Kunststoffe werden so dem Recyclingkreislauf entzogen und quasi vorsorglich verbrannt. Abhilfe könnte ein einheitliches, vereinfachtes und einrichtungsübergreifendes System für die Kennzeichnung der Abfallbehälter schaffen. Farben oder verständliche Symbole würden die Wahl des richtigen Behälters erleichtern, schlagen die Wissenschaftler vor.

Neue Sortieranlagen direkt an der Klinik

Medizinprodukte werden nach besonders hohen Qualitätsstandards gefertigt. Aufbereitetes Material kann so nur sehr schwer wieder für die Herstellung von Medizinprodukten verwendet werden. Ein Zwischenziel zum geschlossenen Stoffkreislauf könnte es laut der Experten deshalb sein, das recycelte Material anderen Branchen zugänglich zu machen, die weniger stark reguliert sind. Langfristig könnten automatisierte Trennverfahren für weitere Kunststoffe oder Kunststoffgruppen erarbeitet werden. Neu entwickelte Anlagen sollten dann Abfall in seine Bestandteile trennen und reinigen. Auf dem Klinikgelände installiert, würde das eine Sortierung von Hand ersparen. Dem Weiterverkauf des aus dem Prozess generierten Recyclingmaterials stünde nichts im Weg.

Auch chemische Verfahren sind denkbar. Dabei wird der Kunststoff in seine einzelnen Bestandteile zerlegt. Die Basischemikalien stünden so für eine neuerliche Produktion von Kunststoffen zur Verfügung. Die Forschenden machen jedoch auf eine große Hürde aufmerksam. Voraussetzung für die Weiterverarbeitung solcher Materialien zu Medizinprodukten ist eine erneute Zulassung. Um das zu ermöglichen, müssten sich rechtliche Rahmenbedingungen ändern. Hoher Infektionsschutz, nach heutiger Rechtslage ein Treiber für Plastikmüll in Kliniken, muss nicht in Widerspruch zu einem ressourcenschonenden Umgang mit Kunststoffprodukten stehen, sagen die Wissenschaftler.