Nur wer sich wirklich auskennt und ganz genau hinschaut, der wird den Fehler finden: Dieses Umgebindehaus hier in Hörnitz am Fuße des Zittauer Gebirges unterscheidet sich in einer Sache von allen anderen Häusern jener berühmten Bauweise, die so einmalig und einzigartig ist hier im Dreiländereck Oberlausitz, Nordböhmen und Niederschlesien: Dieses Umgebindehaus hier ist kein jahrhundertealtes Baudenkmal. Dieses Haus ist neu.
- Nachrichten von Sächsische.de gibt es auch auf Facebook aus Löbau und aus Zittau.
Dietrich Maune schmunzelt in sein Schnurrbärtchen. Der Hörnitzer ist immer noch richtig stolz und froh und glücklich, dass seine Frau Annette und er vor 30 Jahren dieses Experiment gewagt haben. "Es ist ein echtes Umgebindehaus - genau so gebaut, wie das früher in der Oberlausitz üblich war", erklärt der Hörnitzer, "mit Blockstube, Umgebinde, Fachwerk, Lehmputz, Sprossenfenstern, Biberschwänzen, Ofenkacheln und sogar Holznägeln - von den Zimmerleuten in Handarbeit aus Eichenholz geschnitzt."
Nur einen Kompromiss mussten die Maunes eingehen: Weil die Bauaufsicht heute für neu gebaute Wohnräume Mindesthöhen von 1,40 Metern fordert, musste die Blockstube höher gebaut werden als in den kleinen historischen Umgebindehäusern eigentlich üblich.
Gesamter Bau bis ins Kleinste dokumentiert
Damit am Ende die Proportionen stimmen, hat Dietrich Maune alle Maße des Hauses am Reißbrett entsprechend proportional vergrößert - nur wer genau hinschaut, sieht diesen Unterschied zu den historischen Vorbildern. "Wir finden das aber überhaupt nicht schlimm", sagt der Bauherr. "Unser Haus passt doch wunderbar in diese herrliche Oberlausitz - viel besser als die vielen verschiedenen Eigenheimtypen aus vielen verschiedenen Gegenden."
Es wundere ihn schon sehr, dass er bis heute beinahe der Einzige geblieben sei, der ein neues Eigenheim in diesem für die Region doch so typischen Umgebinde-Stil gebaut hat, sagt er. Tatsächlich finden sich in der ganzen Oberlausitz nur zwei, drei weitere Beispiele. "Mir ist rätselhaft, warum das so ist", sagt der Hörnitzer. "In Österreich, Bayern oder Norddeutschland wird doch auch ganz selbstverständlich im Stil der alten regionalen Bauweise neu gebaut."
Annette und Dietrich Maune - mittlerweile 69 und 73 Jahre alt - haben vorgemacht, wie es gehen kann: Als nach der Wende der Plan vom eigenen Haus anstand, stellte er ihr die Frage: Warum bauen wir nicht einfach ein Umgebindehaus? "Ich stamme aus Rochlitz und bin der Liebe wegen in die Oberlausitz gezogen", erklärt er. "Diese Umgebindehäuser hier haben mich vom ersten Tag an fasziniert."
Aber den Plan umzusetzen, das sei viel leichter gesagt, als getan gewesen, erinnert er sich: "Es gab ja kein Fertighaus, keine Pläne und keine Musterhäuser dieser Art." Also hieß es für den studierten Elektroniker: Selber machen! "Ich habe viele Umgebindehäuser fotografiert, auch viele Details, habe mich sehr intensiv mit der Bauweise beschäftigt", erzählt er. Und schließlich habe ihm ein ganz großer unter den Umgebindehaus-Experten geholfen - der 2009 verstorbene Löbauer Architekt Karl Bernert.
Moderne Wandheizung unter historischen Ofenkacheln
Fördermittel für den Neubau gibt es keine. In der Denkmalpflege kommt nur der Erhalt und die Restaurierung von Altem infrage. Ein Neubau zählt nicht als Denkmal. Das habe aber auch den Vorteil gehabt, dass ihm ohne Weiteres eine Fotovoltaik-Anlage auf der Südseite des Daches genehmigt wurde, erklärt Maune.
Der Hörnitzer hat den gesamten Bau penibel und ausführlich dokumentiert: von den ersten aufgeschriebenen Ideen, über Skizzen, Zeichnungen, Baupläne und Materiallisten bis hin zur handschriftlichen und fotografischen Dokumentation des gesamten Bauablaufs. Sogar eine Kiste mit Proben sämtlicher Baumaterialien hat Dietrich Maune aufgehoben - alles natürliche Baustoffe: Holz, Lehm, Korkböden im gesamten Haus. Im Grunde ist das eine umfassende und komplette Bauanleitung für ein neues Umgebindehaus.
Das Holz für sein Haus, die Bohlen und Balken stammen aus dem Schwarzwald, wo die Holzbauweise Tradition hat. Stolz ist Dietrich Maune auf seine Wandheizung aus unzähligen Metern Kupferrohr unterm Lehmputz. Und auf die Ofenkacheln, die er aus Abrisshäusern in Zittau vor der Deponie gerettet hat.
"Es ist alles wunderbar gelungen", findet Dietrich Maume. Er schwärmt von dem tollen Raumklima dieser Bauweise mit Holz und Lehm und vom Knarren der Balken. "Je älter das Holz wird, desto schöner kommt die Maserung zur Geltung", sagt er. "Das ist herrlich." So ein Haus lebt mit den Generationen. Mit Kindern und Enkeln. Und wenn sie alle da sind, sagt Dietrich Maune, dann lebt es richtig.
Weitere tolle Geschichten über außergewöhnliche Häuser und ihre Bewohner finden Sie hier.