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Umgebindehaus-Feriendorf am Olbersdorfer See?

Ein Zittauer Bauingenieur hat eine Idee, die leer stehende Umgebindehäuser vor Verfall und Verlust retten könnte. Doch lassen sich Baudenkmale einfach umsetzen?

Von Jana Ulbrich
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Bauingenieur Michael Risch vor einem leer stehenden Umgebindehaus, wie es derzeit viele in der Oberlausitz gibt.
Bauingenieur Michael Risch vor einem leer stehenden Umgebindehaus, wie es derzeit viele in der Oberlausitz gibt. © Matthias Weber/photoweber.de

Michael Risch steht am Gartenzaun eines baufälligen Umgebindehauses. Der Zaun um das Grundstück ist neu. Vielleicht ist das ja ein gutes Zeichen. Vielleicht eine Hoffnung, dass dieses Haus hier erhalten bleibt. Michael Risch kennt die Besitzer nicht und er weiß es nicht. Aber er weiß sehr gut, wovon er hier redet:

Mit unzähligen Umgebindehäusern hat der Bauingenieur und -planer in seiner beruflichen Laufbahn zu tun gehabt, hat viele großartige Sanierungsprojekte begleitet, hat aber auch immer wieder Verfall und Abriss begutachten müssen. "Jedes Umgebindehaus, das abgerissen wird, ist ein unwiederbringlicher Verlust", sagt er. "Und mit jedem Abriss stirbt ein weiterer Teil unserer einzigartigen Volksbauweise."

Michael Risch ist vom Fach. Er weiß, dass in der Oberlausitz unzählige Umgebindehäuser leer stehen und noch viele solcher Verluste drohen. Schon seit Jahren macht er sich deshalb Gedanken, wie all die Häuser gerettet werden könnten, die niemand mehr haben will. Und jetzt hat er eine Idee.

Er hat sie "O-See-Lodge" genannt. Aber das ist nur ein neumodischer Arbeitstitel, schmunzelt der 71-Jährige. Den hat er über seine Projektskizze geschrieben, die er schon seit ein paar Jahren im Kopf mit sich herumträgt, die er mit verschiedenen Fachleuten besprochen und jetzt auch erstmals ausführlich zu Papier gebracht hat:

Man könnte die Häuser erhalten, indem man sie an ihren meist ungünstigen Standorten, an denen sie unweigerlich dem Verfall geweiht sind, abbaut und anderswo wieder aufstellt, erklärt Michael Risch. Dafür würde sich seiner Meinung nach beispielsweise eine Fläche im ehemaligen Landesgartenschaugelände am Olbersdorfer See eignen, wo die Häuser dann für Feriengäste genutzt werden könnten.

Die Grundidee ist nicht neu. Es gibt in der Denkmalpflege sogar einen Fachbegriff dafür: "Rettende Translozierung" nennen es die Fachleute, wenn historische Bauten, bei denen der Standort das Problem ist, an einen anderen Ort umgesetzt werden: Die originalen Schrotholzhäuser beispielsweise, aus denen die Erlichthofsiedlung in Rietschen entstand, stammen aus den Tagebaugebieten im Norden des Kreises Görlitz. Der Erlichthof ist heute ein bekannter und wichtiger Freizeit- und Tourismusmagnet, die historischen Schrotholzhäuser würde es ohne diese Umsetzung nicht mehr geben. "Es gibt noch viel mehr solcher Beispiele", sagt Risch. An der Nordseeküste wird zum Beispiel gerade ein Leuchtturm umgesiedelt.

Warum dann also nicht auch eine gezielte "Translozierung" von Umgebindehäusern? "Es gibt sehr viele, die leer stehen, weil sie ungünstig stehen", weiß Michael Risch. Aus kleinen Handelswegen zum Beispiel, an denen die Häuser vor 200 Jahren gebaut wurden, sind heute stark befahrene Bundesstraßen geworden, die unmittelbar an der Hauswand vorbeiführen. "Da will heute niemand mehr wohnen", sagt der Bauingenieur. "Diese Häuser fallen irgendwann ein."

Beim Umgebindehaus wäre das Umsetzen zumindest technisch schon mal ganz einfach, erklärt Risch. "Das ist schon nach einer Art Baukastenprinzip gebaut und kann problemlos auseinandergenommen und andernorts wieder zusammengefügt werden."

Geteilte Meinungen zur Idee von der "O-See-Lodge"

Michael Risch macht nun also den Vorschlag vom Umgebindehaus-Feriendorf am Olbersdorfer See. "Originalgetreu wohnen wie früher - mit dem Komfort von heute. Kein Museumsdorf, sondern modernes Wohnen in den historischen Bauten", betont er. Er ist sich sicher, dass die Nachfrage riesig wäre. Aber wäre diese Idee überhaupt umsetzbar? Und wäre sie auch gewollt?

Auch darüber hat sich der Bauplaner schon sehr konkret Gedanken gemacht: "Es braucht natürlich zuallererst den politischen Willen, vor allem in Zittau und Olbersdorf", sagt Risch. Die Stadt und die Nachbargemeinde haben eine gemeinsame Entwicklungskonzeption für die Flächen am Olbersdorfer See beschlossen. In diese müsste so ein Umgebindehaus-Feriendorf erst einmal passen.

Zittaus Oberbürgermeister Thomas Zenker (Zkm) könnte sich so ein Projekt durchaus vorstellen. Er würde die Idee grundsätzlich unterstützen. "Eine Umsetzung wäre auch meiner Meinung nach die viel bessere Lösung, als ein unweigerlicher Verlust", sagt er. Allerdings wäre das nur möglich, ohne dabei ganze Ensemble zu zerstören und auch nur mit dem Segen des Denkmalschutzes. Ob daraus allerdings tatsächlich ein Ferienhaus-Projekt im ehemaligen Landesgartenschaugelände werden kann, werde sich erst noch zeigen müssen, fügt Thomas Zenker aber gleich hinzu.

Eher skeptisch sieht Zenkers Olbersdorfer Amtskollege Andreas Förster (FDP) die Idee: Im Entwicklungskonzept für den See stehen 78 Projektideen. Ein solches Feriendorf ist bisher nicht darunter. Er könne sich auch nicht vorstellen, sagt Förster, dass ein solcher Ferienpark wirklich authentisch wäre. Und es sei für ihn im Moment auch nicht vorstellbar, dass diese Art historische Siedlung in die eher modern ausgerichtete Entwicklung am See passen würde.

Denkmalpflege: Umsetzungen immer nur im Einzelfall

Selbstverständlich braucht so ein Projekt den Segen der Denkmalpfleger. Auch das weiß Michael Risch. Grundsätzlich, sagt er, sei es aus denkmalpflegerischer Sicht eigentlich keine Option, ein Baudenkmal von seinem Platz und aus seinem Kontext zu entnehmen. Es gibt aber Ausnahmen. Das bestätigt auch Arndt Matthes, Experte bei der Stiftung Umgebindehaus.

Auch Matthes sieht in der Umsetzung eine Möglichkeit, ein Denkmal zu retten, wenn es wirklich keine andere Rettung mehr gibt. "Dann ist das auf jeden Fall besser, als ein Verfall", sagt er. Dabei müsste aber jeder Einzelfall gut und gründlich und auch langfristig geprüft werden, fügt er hinzu.

Michael Risch will trotz aller Hürden weiter kämpfen für seine Idee. "Umgebindehäuser interessieren mich seit eh und je", sagt er. "Und jeder Verlust tut weh." Er will jetzt Partner und Mitstreiter suchen: potenzielle Investoren, politische Entscheider, wissenschaftliche Begleiter. "Ich weiß, dass das schwierig wird", sagt der 71-Jährige. "Aber die Idee ist doch zumindest eine, über die es sich nachzudenken lohnt."