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Stadt Zittau kündigt sozialem Möbelmarkt

Die Stadt hat der ABS Robur das Külzufer 19 in Zittau wegen baulicher Mängel gekündigt. Andere Standorte kann der Betreiber nicht bezahlen. Die letzte Rettung ist ein Kauf-Interessent.

Von Thomas Christmann
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Henrik Torsten Döbbel gehört zum Team des sozialen Möbelmarktes. Er und seine Kollegen stehen vor einer ungewissen Zukunft.
Henrik Torsten Döbbel gehört zum Team des sozialen Möbelmarktes. Er und seine Kollegen stehen vor einer ungewissen Zukunft. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Henrik Torsten Döbbel und seine Kollegen verkaufen die Sofas, Schränke, Regale, Betten und andere Stücke im sozialen Möbelmarkt, die sie zuvor kostenfrei aus Haushalten geholt haben. Am Külzufer 19 in Zittau sollen die gebrauchten Sachen zum kleinen Preis einen neuen Nutzer finden. "Eigentlich dürften wir nichts mehr annehmen", sagt Noch-Leiterin Viola Oehme. "Mussten auch schon Leuten absagen", so die 67-Jährige. Anlass dafür gab die Stadt, der das Grundstück mit der Ausstellungshalle sowie dem Büro- und Werkstattgebäude darauf gehört. Sie hat den Mietvertrag zum 30. Januar mit Frist zur Räumung bis 30. April gekündigt - wegen baulicher Mängel. Und bereits die obere Etage des Gebäudes gesperrt, wo ebenfalls gebrauchte Möbel zum Verkauf standen. "Wir haben ein akutes Platzproblem", sagt Viola Oehme. Noch schlimmer aber für sie und ihre Mitarbeiter ist: Die soziale Einrichtung steht nach über 30 Jahren vor dem Aus, auch wenn sie selbst aus Altersgründen sowieso Ende März aufhört.

Das Handeln der Stadt stößt bei Susanne Wolf von der ABS Robur als gemeinnützig orientierter Betreiber des Marktes auf Unverständnis. "Dass dieser Ort nicht ideal ist, stellen wir nicht infrage", sagt die Geschäftsführerin. "Aber mit all den Widrigkeiten haben wir gelernt zu arbeiten und umzugehen." Das heißt: Seit der Übernahme des Objekts soll der Zustand des Gebäudes nicht schlechter geworden sein. Im Gegenteil: In Eigenleistung konnte unter anderem das Dach wieder abgedichtet werden. Um die Risse im Haus zu dokumentieren und zu stoppen, kamen 2015 Gipsplomben an die Stellen. Die seien unverändert, so Susanne Wolf. "Dies interessierte im Zuge der Kündigung jedoch niemanden."

Der soziale Möbelmarkt befindet sich seit über 30 Jahren am Külzufer 19 in Zittau.
Der soziale Möbelmarkt befindet sich seit über 30 Jahren am Külzufer 19 in Zittau. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de
Im Gebäude neben der Ausstellungshalle sind Büro und Werkstatt untergebracht.
Im Gebäude neben der Ausstellungshalle sind Büro und Werkstatt untergebracht. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de
Jedoch ziehen sich Risse durch die Fassade, die aber seit Jahren unverändert sein sollen.
Jedoch ziehen sich Risse durch die Fassade, die aber seit Jahren unverändert sein sollen. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de
Trotzdem musste die obere Etage gesperrt werden, wo bislang Gebrauchtmöbel zum Kauf standen.
Trotzdem musste die obere Etage gesperrt werden, wo bislang Gebrauchtmöbel zum Kauf standen. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Die Geschäftsführerin vermutet vielmehr, dass die Stadt das Grundstück veräußern will. Das hat sie erst voriges Jahr wieder von der Wohnbaugesellschaft übernommen. Einige Wochen darauf schaute nach Aussage von Susanne Wolf ein potenzieller Käufer vorbei. Danach bekam sie die Mitteilung der Stadt, dass der Zustand ein weiteres Nutzen des Objekts fraglich macht. Der Begutachtung folgte schließlich Sperrung und Kündigung. "Für uns besteht ein zeitlicher Zusammenhang", sagt Susanne Wolf.

Seit Monaten läuft nun die Suche nach einer neuen Bleibe für die soziale Einrichtung. Die braucht um die 500 Quadratmeter Fläche - so viel wie am jetzigen Standort - und eine möglichst zentrale Lage. Die Voraussetzungen erfüllen sogar einige Gebäude in der Stadt. Ideal findet Susanne Wolf beispielsweise das ehemalige Objekt der Sparkasse in der Ziegelstraße. Nur kann die ABS Robur keinesfalls monatliche Mieten im vierstelligen Bereich leisten. "Wir haben auf dem freien Markt nicht einen Monat die Chance, zu überleben", sagt sie. Dazu müsste die Stadt die Einrichtung finanziell unterstützen, der Susanne Wolf die Einnahme- und Ausgabenrechnung über Monate übergab. "Da ist kein Spielraum." Die Geschäftsführerin hat aufgrund der Situation zunächst darum gebeten, länger am Standort bleiben zu dürfen.

Doch eine Verlängerung will die Stadt nicht gewähren. Als Grund gibt Rathaus-Sprecher Kai Grebasch die starken Rissbildungen im Gebäude und damit mögliche statische Gefahren an. Zittau habe ein Interesse an einem funktionierenden sozialen Möbelmarkt, der Schutz der Mitarbeiter sowie Kunden aber einen höheren Wert, erklärt er. Eine solche Einrichtung sei wichtig für verschiedene Zielgruppen, aus dem Aspekt der Nachhaltigkeit unterstützungswürdig. Ein Umzug würde dabei eine Verbesserung der Situation darstellen, so Kai Grebasch. Seit der Kündigung habe sich die Stadt ämterübergreifend bemüht, Alternativen anzubieten. Dazu gehören die Räume im Keller des Jugendhauses "Villa", die sogar über die notwendige Werkstatt verfügen. Das Angebot hätte die ABS Robur abgelehnt, parallel aber weitere Immobilien vermittelt bekommen.

Sich an den Mietkosten dafür zu beteiligen, dazu sieht sich Zittau nicht in der Lage. Hinzu kommt, dass der Träger des Marktes eine GmbH ist und damit anders als Vereine dem Wirtschaftlichkeitsprinzip unterliegt. "Was eine eventuelle städtische Unterstützung wesentlich erschwert", sagt der Rathaus-Sprecher. Eine Reparatur oder Sanierung des jetzigen Gebäudes ist nach seiner Auskunft hingegen nicht beabsichtigt, weil die Kosten in keinem Verhältnis zum Ertrag stehen. Die Stadt strebt auch keinen Verkauf der Immobilie an. "Dennoch liegen uns aktuell Angebote vor", berichtet Kai Grebasch. Die hätten die Interessenten von sich aus und ohne aktive Suche der Stadt eingereicht. Sie sollen nun Konzepte vorlegen, als Entscheidungsgrundlage.

Einer der Interessenten ist eine namentlich unerwähnt bleiben wollende Architektin aus Rheinland-Pfalz, die ihr Geld einst mit Immobilien verdient hat und seit 2021 ein Haus in der Stadt besitzt. Nach Zittau kam sie, weil die Menschen nach eigener Aussage gebildet, bodenständig und noch nicht wohlstandsverwahrlost sind. Ihr Interesse für Antiquitäten führte die Frau zum sozialen Möbelmarkt. "Hier bewegen kleine Leute große Dinge", sagt die potenzielle Investorin, die sich nun für den Erhalt der Einrichtung einsetzt. Der Markt soll weder sterben noch in die Pampa umziehen. Er müsse für Mitarbeiter, Kunden und Liebhaber erreichbar bleiben, meint die Rheinland-Pfälzerin. Am Geld dürfe es nicht scheitern. "Wird es auch nicht, wenn man mich lässt." Die Interessentin will dafür weder Dank noch Öffentlichkeit haben. "Vielmehr ist es ein Geschenk für mich, mit und unter diesen tollen Menschen leben zu dürfen", erklärt sie.

Auf die Interessentin setzt nun auch Susanne Wolf. Dass die Stadt "eine für viele so wichtige und immer stärker nachgefragte soziale Einrichtung über die Klinge springen lässt", hat die Geschäftsführerin indes nicht erwartet. Nur das Weiterleiten von Angeboten auf dem freien Markt führe zu keiner Lösung, sagt sie. Solange die Entscheidung zum Verkauf aussteht, soll der Markt-Betrieb unverändert weitergehen. "Die Hoffnung stirbt zuletzt", so Susanne Wolf.