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Wieder Freispruch für Corona-Maßnahmen-Gegner in Zittau

Der Angeklagte soll eine Bundesministerin verunglimpft haben - doch am Ende entscheiden zwei Anführungszeichen.

Von Markus van Appeldorn
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In einem Prozess vor dem Zittauer Amtsgericht ging es um die üble Nachrede eines Corona-Maßnahmen-Gegners gegen eine Bundesministerin.
In einem Prozess vor dem Zittauer Amtsgericht ging es um die üble Nachrede eines Corona-Maßnahmen-Gegners gegen eine Bundesministerin. © dpa/David-Wolfgang Ebener

Die Gegner von Corona-Maßnahmen geben sich derzeit am Amtsgericht Zittau die Klinke in die Hand. Verhandelt werden jede Woche etliche Einsprüche gegen Bußgeldbescheide oder Strafbefehle, die gegen diese in der Corona-Krise ergangen waren. Am Montag stand hier nun innerhalb weniger Tage zum zweiten Mal einer der prominentesten Zittauer Maßnahmen-Gegner vor Gericht. Ihm wurde die üble Nachrede und Verunglimpfung einer Bundesministerin vorgeworfen. Urteilsentscheidend waren am Ende bloß zwei "Gänsefüßchen"-Zeichen.

Am 15. Mai 2020 war auf der Facebookseite des Mannes ein Post erschienen. Unter dem Bild der heutigen Verteidigungsministerin und damaligen Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) standen die Worte: "Mehr Hass und Hetze geht nicht. Wer gegen die Regierung und die überzogenen Maßnahmen demonstriert, hat das Zeug ein Mörder zu sein". SZ setzt das jetzt als Zitat aus jenem Post in Anführungsstriche. In jenem Post aber fehlten diese - und das sollte sich als juristisch bedeutend erweisen. Die Bundesministerin jedenfalls stellte damals Strafanzeige. Sie interpretierte den Post so, dass ihr damit Worte in den Mund gelegt worden seien, die sie nie gesagt hat. Die Staatsanwaltschaft erwirkte einen Strafbefehl - mit 120 Tagessätzen zu 50 Euro (6.000 Euro) hätte dies eine Vorstrafe bedeutet.

Erklärung des Angeklagten nicht zu widerlegen

Vor Gericht trug der Angeklagte nun vor, diesen Post nicht selbst erstellt zu haben. Sein Facebook-Account sei damals gehackt worden, ein Unbekannter habe den Post dort platziert. Er selbst sei damals von einem ihm unbekannten Dritten auf diesen Post aufmerksam gemacht worden. Er habe daraufhin sofort die Bundesministerin auf dem Facebook-Messenger-Dienst darüber informiert, gehackt worden zu sein und darüber, dass der Post nicht von ihm stamme - und er bekam auch eine Antwort der Ministerin. Darin habe sie ihm rechtliche Schritte angekündigt. Unmittelbar danach löschte er jenen Post von seiner Facebookseite und informierte seinen gesamten Freundeskreis, dass es sich dabei um ein Fake handele und dass dieser Post keinesfalls weiterverbreitet werden solle - das und auch den Wortlaut des Kontakts zur Ministerin konnte er auch vor Gericht belegen.

Der Anwalt des Angeklagten brachte gar einen Beweisantrag ein, jemanden von Facebook als Zeugen zu laden, der erklären oder belegen könne, dass der Account seines Mandanten gehackt worden sei. Ein Ansinnen, das der Richter für völlig aussichtslos hielt - und auch für unnötig. Denn ohnehin könne man dem Post nicht zweifelsfrei entnehmen, dass dort der Ministerin Worte in den Mund gelegt worden seien - eben wegen der fehlenden Kennzeichnung als Zitat. Darüber hinaus sei auch noch eine andere Quelle der Worte in dem Post angegeben. Das Gericht sei bei Meinungsäußerungs-Delikten gezwungen, immer die für den Angeklagten mildeste mögliche Auslegung einer Äußerung zu wählen - und danach seien eben auch andere Interpretationen möglich, die keinen Straftatbestand erfüllen.

Mahnung trotz Freispruch

Selbst die Staatsanwältin forderte daraufhin einen Freispruch. Die Einlassung des Angeklagten, den Post nicht selbst verfasst zu haben, sei ihm nicht zu widerlegen. Das könne aber sowieso dahingestellt bleiben. Denn selbst wenn sie die Erklärung des Mannes für eine Schutzbehauptung hielt, seien der Ministerin - eben wegen der fehlenden Anführungszeichen - keine Worte in den Mund gelegt worden. Insofern fiele der Post unter die freie Meinungsäußerung. Der Rechtsanwalt folgte genau diesem Antrag der Anklage und forderte ebenfalls Freispruch.

Darauf erkannte der Richter dann auch - nicht ohne kommentierende Worte. Denn als Zuschauer im Saal war euch ein weiterer prominenter Zittauer Corona-Maßnahmen-Gegner, der erst jüngst in einem Beleidigungs-Prozess freigesprochen worden war: Steffen Golembiewski. "Das ist jetzt der zweite Freispruch in einem Corona-Prozess. Ich hoffe, dass das jetzt nicht wie ein Schild vor sich hergetragen wird und gesagt wird: Es wird ja immer freigesprochen", so der Richter. Beide Prozesse seien nicht exemplarisch, und: "Es wird im Internet viel zu viel gehetzt und ich bin absolut dafür, dass Polizei und Staatsanwaltschaft das mit aller Härte verfolgen." Hier aber habe nun mal keine Straftat vorgelegen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.