SZ + Zittau
Merken

Ehemalige Zittauer Flüchtlingsunterkunft wieder in Betrieb

Das Landratsamt hat das alte Zollgebäude an der Chopinstraße reaktiviert und eine Gemeinschaftsunterkunft eingerichtet. Nun sind die ersten Flüchtlinge eingezogen.

Von Fionn Klose
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Das alte Zollgebäude in der Chopinstraße wurde als Flüchtlingsunterkunft wieder reaktiviert.
Das alte Zollgebäude in der Chopinstraße wurde als Flüchtlingsunterkunft wieder reaktiviert. © SZ-Archiv/Wolfgang Speer

Es ist schwierig, wenn man mit den neuen Bewohnern der reaktivierten Flüchtlingsunterkunft in der Zittauer Chopinstraße reden will. Selbst das Gespräch außerhalb des Grundstücks ist schwer. Jeglicher Kontaktversuch wird von der Leitung des Heimes unterbunden. Sie droht sogar mit der Polizei.

Ein paar hundert Meter entfernt wird dann doch ein Gespräch mit Arman, Milad, Qais und Navid (Namen von der Redaktion geändert) möglich. Die Heimleitung soll ihnen gesagt haben, dass sie nicht über die Unterkunft reden sollen. Sie tun es doch. Die vier jungen Afghanen waren unter den ersten, die vor einigen Tagen in die Chopinstraße zogen. Seit vier und sechs Monaten sind sie in Deutschland. Und sie sind dankbar. "Danke, dass Sie uns hier leben lassen und uns unterstützen", sagt Milad. In der Unterkunft fühlen sie sich wohl. "Wir haben genug Kleidung und unser Essen kaufen wir uns von unseren 330 Euro Sozialgeld im Monat", sagt Milad. Die meiste Zeit würden sie mit Lesen, Social Media und Deutschlernen im Internet verbringen. Allerdings sei es mit dem Internet schwer. Es gebe kein WLAN in der Unterkunft, sagen sie, sondern nur über ihre eigenen SIM-Karten.

Auf der Suche nach Kapazitäten

Die vier gehören zu einem in den letzten Monaten immer größer werdenden Strom von Flüchtlingen, die aus der Ukraine, Syrien, Afghanistan und anderen Ländern nach Deutschland kommen. Viele führt der Weg über das Dreiländereck nach Sachsen. Derzeit seien die sächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen zu 60 Prozent ausgelastet, sagte Innenminister Armin Schuster (CDU) am Dienstag nach der Sitzung des Kabinetts. Obwohl die Zahl der Plätze bereits von 4.000 auf 8.000 verdoppelt worden ist.

Wegen des anhaltenden Ansturms treibt auch der Landkreis Görlitz den Ausbau der Kapazitäten voran. Insgesamt 70 Personen wurden im Oktober dem Landkreis Görlitz zugewiesen. Für den November sind bis zu 180 Personen angekündigt. Man habe deshalb eine "zusätzliche Gemeinschaftsunterkunft in Zittau auf der Chopinstraße für die Unterbringung von neu zugewiesenen Geflüchteten mit einer Kapazität von bis zu 170 Personen aktiviert", teilt Kevin Schlei von der Pressestelle des Landkreises Mitte Oktober mit. Über die geplante Nutzung als Asylbewerberheim sei die Stadt Zittau Anfang Oktober informiert worden, sagt Oberbürgermeister Thomas Zenker (Zkm) auf SZ-Anfrage. "Im Übrigen hat der Landrat den Vorstand des Sächsischen Städte- und Gemeindetags und den Kreistag über weitere mögliche Schritte zur Unterbringung von Asylsuchenden im Landkreis informiert."

In Zittau gibt es bereits zwei Heime. Die Unterkünfte auf dem Portsmouther Weg und der Sachsenstraße haben 100 sowie 150 Plätze und sind voll ausgelastet. Für die Reaktivierung der Chopinstraße begannen die Sanierungsarbeiten am 26. September. Der Brandschutz und die sanitären Anlagen wurden verbessert. Ausgestattet sind die Zimmer für zwei, vier oder sechs Personen mit Betten, Schränken, Tischen und Stühlen in den Zimmern sowie Gemeinschaftsküchen mit Herden und Spülen. Nun liegt die Kapazität bei 150 Menschen. Die Ausländerbehörde gehe zurzeit davon aus, dass das Gebäude mindestens bis Ende 2023 als Gemeinschaftsunterkunft dienen müsse, sagt Kevin Schlei.

Altes Zollgebäude war schon Flüchtlingsunterkunft

Bereits 2015 und 2016 war in der Chopinstraße in Zittau eine Flüchtlingsunterkunft eingerichtet, dann aber wieder geschlossen worden. Das alte Zollgebäude gehört dem Bund und wird von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) verwaltet.

Derzeit leben dort 77 Menschen, vor allem Männer. Dabei handele es sich bisher ausschließlich um Einzelpersonen, sagt Schlei. "Das wird sich nach unseren Erkenntnissen bis auf Weiteres auch verfestigen." Sie stammen aus Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien und der Türkei.

Bis Ende November sollen bis zu 50 weitere Menschen in der Gemeinschaftsunterkunft untergebracht werden. Mit der Betreibung und Sozialbetreuung ist laut Kreis die IF Sozialdienste GmbH beauftragt worden. Das Unternehmen aus Freiberg betreut auch die Gemeinschaftsunterkünfte in der Sachsenstraße und dem Portsmouther Weg.

Die IF Sozialdienste GmbH ist bundesweit für die Betreuung von Gemeinschaftsunterkünften und dezentralen Unterbringungsstellen verantwortlich. Sie kümmere sich, laut ihrer Internetseite, um die Bereitstellung der Wohnräume und persönliche Unterstützung der Bewohner. Ihre Einrichtungen lässt die IF durch ihre eigenen Sicherheitsmitarbeiter bewachen.

An den Kosten für die zentrale sowie die dezentrale Unterbringung von Geflüchteten muss sich der Landkreis Görlitz mit zwölf bis 15 Prozent beteiligen, wie Schlei Mitte Oktober mitteilte. Für das Jahr 2021 summiert sich das nach Kreisangaben auf einen Betrag von insgesamt knapp 1,86 Millionen Euro.

Gerne hätte die SZ auch mit anderen Bewohnern über ihre Geschichte und ihr Leben in der Unterkunft gesprochen. Mit der Unterkunftsleiterin wurde für Freitag um 12 Uhr ein Termin angesetzt. Dem stimmte das Landratsamt nicht zu. "Nach Rücksprache mit dem Fachamt des Landkreises Görlitz, kann ich Ihnen keine Zustimmung für das gewünschte Interview mit den Bewohnern der Gemeinschaftsunterkunft übermitteln", sagt Kevin Schlei.