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"Mahnwache" vor Zittauer Rathaus - Resolution an Stadtrat übergeben

Eine Gruppierung hält am Donnerstag eine Mahnwache ab. Und will im Zittauer Stadtrat mit einer Resolution für die Interessen von "Landwirten und Unternehmern" werben.

Von Thomas Christmann & Markus van Appeldorn
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André Schneider ist der Organisator der "Mahnwache" vor dem Zittauer Rathaus.
André Schneider ist der Organisator der "Mahnwache" vor dem Zittauer Rathaus. © Markus van Appeldorn

Der Montag scheint als Protesttag in Zittau nicht mehr genug. Anlässlich der Stadtratssitzung am Donnerstag rief eine Gruppierung zu einer Mahnwache vor dem Zittauer Rathaus auf. Eine Delegation übergab zudem eine "Resolution" am Rande des Stadtrats, der sich samt Oberbürgermeister Thomas Zenker (Zkm) für die Interessen von "Landwirten und Unternehmern" stark machen soll. Wer aber steckt hinter dieser Mahnwache? SZ hat nachgefragt.

Bereits um 14 Uhr - drei Stunden vor Beginn der Stadtratssitzung - begann die Mahnwache vor dem Rathaus. Eingefunden hatten sich zu diesem Zeitpunkt nicht viel mehr als zehn Menschen. Marktpassanten nahmen kaum Notiz davon - höchstens von der musikalischen Beschallung. Zu Beginn klang aus der Lautsprecheranlage nämlich ein Chor, der das Deutschlandlied - und zwar alle drei Strophen - sang, also mit dem umstrittenen Text "Deutschland, Deutschland, über alles ...".

Ein Umstand, der bei Zittaus Stadtsprecher Kai Grebasch auf Unmut stieß, wie dieser auf seinem Privataccount bei Facebook postete. "Meinungsfreiheit ist ein großes Gut", schreibt er da. "Und es ist völlig legitim, vor dem Rathaus Mahnwachen abzuhalten und Petitionen in den Stadtrat zu tragen", so Kai Grebasch. "Aber dass die ganze Veranstaltung beginnt, indem alle drei Strophen des Deutschlandliedes erschallen, jagt mir einen kalten Schauer über den Rücken."

Zur Einordnung: Das Singen oder Abspielen der ersten Strophe ist keineswegs verboten. In der früheren Bundesrepublik galt das gesamte Deutschlandlied als Nationalhymne. Zu offiziellen Anlässen ist aber stets nur die dritte Strophe erklungen. Erst nach der Wiedervereinigung wurde allein die dritte Strophe zur Nationalhymne.

"Wir sind alle unparteiisch" - mit rechtsextremen Flaggen

Die Mahnwache vor dem Zittauer Rathaus am Donnerstagnachmittag.
Die Mahnwache vor dem Zittauer Rathaus am Donnerstagnachmittag. © Matthias Weber/photoweber.de

Anmelder der Mahnwache am Donnerstag war André Schneider (46) aus Kiesdorf, nach eigener Aussage gegenüber SZ selbstständiger landwirtschaftlicher Dienstleister. "Wir nennen uns Organisation Oberlausitz", sagt er. Das sei kein Verein, sie verfüge aber über rund 1.000 "Teilnehmer". Unter anderem habe man am 8. Januar - dem Tag der großen Bauernproteste - in Zittau und Hagenwerder die Grenzen blockiert. Außerdem sei man in den Montagsrunden in Zittau, Görlitz, Herrnhut und Bautzen aktiv. Für die Mahnwache hat Schneider die Teilnahme von rund 500 Personen angezeigt - am Ende nahmen schätzungsweise nur einige Dutzend teil. "Wir sind alle unparteiisch unterwegs", betont er. Zweifel an der Aussage kommen auf, als später am Tag bei der Mahnwache unter anderem Flaggen der laut Verfassungsschutz rechtsextremen "Freien Sachsen" gezeigt werden.

"Wir wollen an diesem Abend unsere Sorgen weitergeben und möchten die Interessen von Landwirten und Unternehmern vertreten", so der Kiesdorfer. Dafür haben sie eine Resolution mit 14 Punkten erstellt, die alle "mit demokratischen Grundwerten" unterstützen sollen. "Die geplanten Steuererhöhungen in der Landwirtschaft, Maut, CO2-Umlage im Transportgewerbe, Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen haben das Fass zum Überlaufen gebracht", steht dazu in im Vorwort des Papiers. Die Regierung würde die öffentliche Verwaltung durch ein Übermaß an Bürokratie zu einem unternehmerschädlichen, wenn nicht sogar demokratiegefährdenden Monstrum entwickeln, heißt es weiter. Es sei nun an der Zeit, dass sie die Forderungen des Mittelstands umsetzten.

"Wir wollen mit unseren Problemen angehört werden", so Schneider. Am Ende jedoch kann seine Delegation die Resolution dem Stadtrat nur noch übergeben, nicht mehr vortragen - denn bereits kurz nach 18 Uhr ist die Bürgerfragestunde durch und die Sitzung vorbei. Die Resolution soll in den kommenden Wochen nun noch andere Kommunen im Landkreis Görlitz und darüber hinaus erreichen. "Wir wollen unten anfangen und uns nach oben arbeiten", erklärt der Kiesdorfer. Ihm sei klar, dass weder Bürgermeister noch Stadt- und Gemeinderäte für die politischen Entscheidungen zuständig sind, aber: "Sie sollen unser Anliegen unterstützen und nach Dresden und Berlin weiterleiten."

Auch ein Mahnfeuer entzünden die Teilnehmer.
Auch ein Mahnfeuer entzünden die Teilnehmer. © Matthias Weber/photoweber.de

Das sind die 14 Forderungen:

1. Ablehnung des Haushaltsentwurfs 2024 im Bundesrat, solange dieser die unverhältnismäßigen Steuerhöhungen für den Mittelstand enthält.

2. Einschränkungen des unternehmerischen Handelns nur auf wissenschaftlicher Grundlage.

3. Besserstellung der Landwirtschaft in der Wertschöpfungskette.

4. Einführung einer Umwelt- und Sozialabgabe auf importierte Produkte aller Art, die nicht nach deutschen Standards hergestellt werden.

5. Einführung einer verpflichtenden und detaillierten Herkunftskennzeichnung aller Lebensmittel.

6. Schutz des Transportgewerbes vor unlauterem Wettbewerb, Rücknahme der Mauterhöhung/CO2-Abgabe.

7. Einführung eines gefärbten Agrardiesels nach dem Vorbild von USA und GB und Förderung alternativer Kraftstoffe.

8. Sicherstellung einer regionalen, krisenfesten und bezahlbaren Energieversorgung.

9. Sanierung der Kommunalfinanzen und Verwaltungsreformen in Land und Bund für sofortige Sparmaßnahmen, Bürokratieabbau und Behördenkonsolidierung für mehr Bürgernähe.

10. Sofortige Überprüfung sämtlicher staatlicher Zahlungen ins Ausland.

11. Erleichterung der Bauordnungen, feste Honorarsätze für Planungen öffentlicher Bauten und Änderung der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen zur Sicherstellung eines ehrlichen Wettbewerbs.

12. Missbrauch des Sozialstaates unterbinden, Wertschätzung für Arbeit fördern, praxisbezogene Bildungspolitik, regelmäßige Unterrichtstage in regionalen Betrieben im Lehrplan aufnehmen.

13. Versorgung, Gewährleistung und Sicherstellung des Gesundheitswesens vor Ort (Krankenhäuser, Pflegeheime, etc.).