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Der letzte Coup von MS Powertec vor Gericht

Das ehemals in Zittau ansässige Unternehmen verlangt vor Gericht eine riesige Schadenersatzsumme - macht dabei aber einen Rechenfehler.

Von Markus van Appeldorn
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Das Verwaltungsgebäude der Firma MS Powertec im Industriegebiet Weinau.
Das Verwaltungsgebäude der Firma MS Powertec im Industriegebiet Weinau. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de Archiv

Der Autozulieferer MS Powertec war einst ein Vorzeige-Unternehmen der Zittauer Wirtschaft. 2009 als Ableger des Münchner Konzerns mit vier Mitarbeitern in der Weinau gestartet, legte die Firma ein rasantes Wachstum hin. In der Region engagierte sich das Unternehmen unter anderem als Sponsor der O-See-Challenge. Der Geschäftsführer wurde 2016 gar als "Unternehmer des Jahres" geehrt. Doch im November 2020 endete der Glanz mit einem Kanonenschlag. Regelrecht in Wildwestmanier kündigte das Unternehmen sämtlichen Mitarbeitern und machte in Zittau das Licht aus. Jetzt aber hatte MS Powertec noch mal einen Auftritt am Landgericht Görlitz - denn die Firma hatte hier noch eine gehörige Rechnung offen.

MS Powertec wollte damals auch energetisch ökologisch korrekt agieren. Daher beauftragte das Unternehmen im Dezember 2014 eine Dresdner Firma mit der Installation eines Blockheizkraftwerkes. Dazu kaufte MS Powertec sogar extra ein Nachbargrundstück. Das Kraftwerk mit 233 Kilowatt Leistung sollte rund ein Drittel des Strom-, Wärme- und Kältebedarfs decken. Im Oktober 2015 ging die Anlage schließlich in Betrieb, bloß: Sie erwies sich als einzige Enttäuschung. Von Beginn an wies sie Mängel auf, die ihre Funktionsfähigkeit beeinträchtigen. Sie erbrachte nicht die vereinbarte Leistung und fiel immer wieder mangelbedingt aus, wie es nun in einem Urteil des Landgerichts heißt.

Das Gelände von MS Powertec im Frühjahr 2016. Links im Bild das streitgegenständliche Blockheizkraftwerk.
Das Gelände von MS Powertec im Frühjahr 2016. Links im Bild das streitgegenständliche Blockheizkraftwerk. © PR-Foto

Schadenersatz von über 500.000 Euro verlangt

Ab Frühjahr 2017 habe die Anlage demnach gar gedrosselt werden müssen, damit sie überhaupt habe betrieben werden können. Da die Mängel zu keinem Zeitpunkt vollständig abgestellt werden konnten, wurde die Anlage Ende Juni 2019 schließlich komplett außer Betrieb genommen und ausgetauscht. MS Powertec reichte in der Folge eine Schadenersatzklage gegen die Installationsfirma ein. "Die Klägerin trägt vor, dass ihr in Form von Energiemehrkosten, erhöhten Kosten für die Netznutzung sowie entgangenen Fördermitteln und Rückerstattungen Mangelfolgeschäden entstanden seien", so das Gericht. Denn was das fehlerhafte Kraftwerk nicht hergab, musste das Unternehmen an Gas und Strom teuer einkaufen. Insgesamt forderte MS Powertec für vier Jahre 505.000 Euro.

Die Höhe des Schadens berechnete das Unternehmen, indem es seine tatsächlichen Kosten und die Kosten, die bei einem mangelfreien Betrieb der Anlage entstanden wären, gegenüberstellte. Und obschon der Mangel an dem Kraftwerk unstreitig war, hielt die Gegenseite genau diese Berechnung für falsch. Die Leistungswerte, die MS Powertec zugrunde lege, habe die Anlage selbst dann nicht erbringen können, wenn sie tadellos gelaufen wäre - die Werte seien demnach nur abstrakt und rechnerisch-theoretisch.

Idealistische Berechnungen

So trug sie Gegenseite vor, MS Powertec habe für die Berechnung der Forderung vorausgesetzt, dass die Anlage an 275 Tagen im Jahr laufe, also nicht nur an allen Werktagen, sondern auch an mindestens 25 Wochenend- oder Feiertagen jeweils 24 Stunden am Tag im Volllastbetrieb gefahren wäre. Tatsächlich sei die Anlage jedoch selbst zu Zeiten, in denen keine Defekte vorlagen, nicht ständig im Volllastbetrieb, sondern weitgehend im Teillastbetrieb gelaufen. In diesen Zeiten hätten die für eine effektive Nutzung der Anlage notwendigen Verbraucher nicht ausreichend Wärme und Energie abgenommen oder abnehmen können. Somit sei die von MS Powertec gewünschte und für den Schadenersatz berechnete Auslastung in der Realität nie zu erreichen gewesen.

Ein vom Gericht bestellter Gutachter stützte diesen Vortrag der Beklagten. Er berechnete, dass die Anlage tatsächlich etwa 20 Prozent weniger Energie hätte erzeugen können, als von MS Powertec zugrunde gelegt. Das Gericht hatte keine Zweifel an der Sachkompetenz des Gutachters und führte dazu aus, es sei nicht der Beklagten anzulasten, wenn MS Powertec bei seiner Planung der Anlage von falschen Voraussetzungen ausgegangen war. Das Landgericht reduzierte die Forderung des Unternehmens daraufhin und sprach MS Powertec einen Schadenersatz von 322.600 Euro zu.