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Warum ein Zittauer in Yokohama lebt und wie er im Land des Lächelns klarkommt

Etliche Löbau/Zittauer hat es ins Ausland gezogen, wo sie teils ungewöhnliche Lebenswege gehen. Sächsische.de hat einige aufgespürt. Markus Hamburger aus Zittau lebt seit zehn Jahren in Japan.

Von Andrea Thomas
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Markus Hamburger aus Zittau im Ueno-Park von Tokyo in seiner Wahlheimat Japan.
Markus Hamburger aus Zittau im Ueno-Park von Tokyo in seiner Wahlheimat Japan. © privat

Konfrontiert mit der Frage, was ihn an Japan am meisten fasziniere, entgegnet Markus Hamburger lachend: "Fragen Sie mich doch lieber, was mich nicht fasziniert." Er ist in Eile. In seinem straff durchorganisierten Arbeitsalltag bleibt dem Zittauer, der vor zehn Jahren mit seiner Familie nach Yokohama ging, kaum Zeit für eine längere Pause.

Nach dem Abi studierte er in seiner Heimatstadt Elektrotechnik/Nachrichtentechnik. Anschließend qualifizierte er sich zum Betriebswirt und sammelte ab 2001 als Projektleiter bei Siemens VDO Automotive in Regensburg Erfahrungen bei der Entwicklung von Insassenschutz für mehr Sicherheit in Fahrzeugen. Als das Unternehmen in Changchun eine Entwicklungsabteilung einrichtete, nutzte Hamburger 2007 die Möglichkeit, sich im Ausland weiterzuentwickeln. "Es war zwar nicht der ideale Zeitpunkt, aber dafür die Chance, in China etwas Neues aufzubauen, anstatt irgendwo bereits Bestehendes zu verwalten oder zu regenerieren", begründet der heute 49-Jährige seine Entscheidung.

Ohne Bedenken konnte die Familie mit drei kleinen Kindern einen neuen Lebensabschnitt auf unbekanntem Terrain beginnen. Wenn die Firma dahinterstehe, dann könne man sich darauf verlassen, dass für den Aufenthalt im fremden Land alles vorbereitet ist, so Hamburger.

Erfolgreich in der Autoindustrie

Markus Hamburger in Akihabara, dem berühmten Viertel für Elektronik in Tokyo.
Markus Hamburger in Akihabara, dem berühmten Viertel für Elektronik in Tokyo. © privat

Die Wirtschaftsmetropole Changchun ist als "Detroit des Ostens" bekannt geworden. Hier hat sich die Automobilindustrie Chinas etabliert, nachdem in den 1950er Jahren mit FAW der erste Automobilhersteller der Volksrepublik gegründet worden war. Heute sind rund 130.000 Arbeitskräfte in den Werken von FAW, der Volkswagengruppe, Toyota und Mazda sowie zahlreichen Automobilzulieferern beschäftigt. Durch die Kooperation mit VW waren Strukturen errichtet worden, die vielen deutschen Familien, die hier lebten, ein intaktes Umfeld boten. Pia und Erik, die damals siebenjährigen Zwillinge der Hamburgers, konnten vor Ort in einer deutschen Schule lernen, während ihr kleiner Bruder Emil den internationalen Kindergarten besuchte. Vater Markus war in der Entwicklungsabteilung für Airbag-Steuerelemente tätig und verantwortlich für die Kooperation mit Korea und Japan. Vom ersten Moment an begeisterte ihn das Land der aufgehenden Sonne. Doch bis sich sein Wunsch, dort eine berufliche Anstellung zu finden, erfüllte, sollten noch ein paar Jahre ins Land gehen.

Ende 2009 ging Markus Hamburger zurück nach Deutschland an den Continental-Standort Lindau. Durch die Zusammenarbeit mit dem größten japanischen Autohersteller Toyota konnte er 2013 seinen langgehegten Traum in Yokohama verwirklichen. Es macht Markus Hamburger stolz, als Leiter Teil eines Teams zu sein, das Software und innovative Technik zum autonomen Fahren entwickelt und so Weichen für die Zukunft stellt.

Im Laufe der Zeit ist ihm das "Land des Lächelns" ans Herz gewachsen. Da Japan als modern, wohlhabend, demokratisch und vorbildlich in puncto technischer Fortschritt gilt, verbindet man mit dem Inselstaat oftmals westliche Standards. Doch vom Westen sind die Japaner fast so weit entfernt wie vom Mond, denn sie sind anders. Einzigartigkeit zeichnet sie aus. Davon ist auch der Oberlausitzer überzeugt. "Die freundlichen Leute denken und agieren in allen Lebensbereichen vorausschauend. Sie wollen es allen recht machen. Im Supermarkt und sogar auf dem Amt ist der Kunde König", erzählt der Deutsche. Ablehnung oder negative Emotionen würden nicht gezeigt, weil man sein Gegenüber weder verletzten noch kompromittieren wolle, so Hamburger. Er schätzt den tief in der Kultur verwurzelten Respekt, mit dem Menschen hier einander begegnen. Die Japaner seien darauf trainiert, schlechte Laune zu verbergen, um ihr Gesicht zu wahren, erklärt er. Das verleihe ihnen Würde und Ansehen. Davon könnten sich mancher Deutsche eine Scheibe abschneiden, bemerkt Hamburger augenzwinkernd.

Neben seinem Beruf engagiert sich der Vater dreier Kinder seit 2014 im Vorstand der Yokohama International School, die derzeit sein jüngster Sohn besucht. Als Mitglied des Aufsichtsrates hat er Einblick in das auf komplexes Lernen ausgerichtete Schulsystem, das Leistungsbereitschaft erwartet und Teamgeist fördert. So würden junge Menschen optimal aufs Leben vorbereitet, meint er.

In der 38-Millionen-Metropolregion Tokio-Yokohama wohnen die Hamburgers in einem modernen Appartementkomplex. Bis auf die automatisch funktionierende Toilette mit beheizter Klobrille gebe es keinen unnötigen High Tech-Komfort, versichert der Diplom-Ingenieur. Aus dem Fenster kann man bei gutem Wetter den Vulkankegel des Fuji sehen. Mit 3.776 Metern ist der heilige Berg der höchste des Landes. Sein weißer Gipfel zeigt, dass der Winter Einzug gehalten hat. Jetzt, in der dunklen Jahreszeit, verwandeln gigantische Lichtilluminationen Japan in eine magische Welt. Doch das sei nichts gegen den märchenhaften Anblick eines verschneiten Umgebindehauses mit Schwibbögen und Herrnhuter Sternen in den Fenstern, sagt der Oberlausitzer, der seine Heimat auch manchmal vermisst.

Zum Skifahren mit dem Zug nach Nagano

"Der Schnee hier ist unglaublich, extrem pulvrig und gleichzeitig griffig", schwärmt der Zittauer, der öfter die gute Zugverbindung nach Nagano nutzt, um dort Ski zu fahren. Im Sommer dagegen ist der passionierte Radfahrer an Wochenenden mit der Familie oder Freunden unterwegs. Bei längeren Touren übernachtet die Gruppe in einem traditionellen Ryokan, wo man verspannte Muskeln im warmen Thermalwasser der heißen Quellen - der sogenannten Onsen - lockern kann. Regelmäßigen Sport braucht Hamburger als Ausgleich zu seinem anspruchsvollen Beruf. Gespräche mit Geschäftspartnern und Kunden in Europa oder Amerika werden aufgrund des Zeitunterschieds nachts per Videokonferenz geführt.

Mehrmals im Jahr reist Markus Hamburger nach Deutschland. Dort fehlt ihm die japanische Küche mit den liebevoll zubereiteten Gerichten. Wenn er zurück nach Japan fliegt, hat er dafür Bautzner Senf im Gepäck, weil es den in Japan nicht gibt.

Eine Rückkehr nach Deutschland ist geplant und irgendwann gibt es vielleicht auch eine Heimkehr nach Zittau.