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Zwei Gebirgswirte - zwei gegensätzliche Meinungen zur Digitalen Gästekarte

Der Naturpark Zittauer Gebirge will eine Digitale Gästekarte einführen - aber Oybin als touristisches Schwergewicht zögert. Was dafür und was dagegen spricht.

Von Frank-Uwe Michel
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Die Argumente für oder gegen die Digitale Gästekarte im Naturpark Zittauer Gebirge sind ganz unterschiedlich. Die beiden Gastwirte Alexander Fichte (links) und Torsten Grundmann äußern sich dazu.
Die Argumente für oder gegen die Digitale Gästekarte im Naturpark Zittauer Gebirge sind ganz unterschiedlich. Die beiden Gastwirte Alexander Fichte (links) und Torsten Grundmann äußern sich dazu. © Bildstelle

Inzwischen ist der 25. März nicht mehr der alles entscheidende Tag. Durch das Vorpreschen des Naturparkes Zittauer Gebirge, die Digitale Gästekarte unter Umständen auch ohne das Mitwirken Oybins einzuführen, ist der große Druck bei der nächsten Gemeinderatssitzung raus. Torsten Grundmann ist einer der Räte aus der Gebirgsgemeinde, die den Daumen heben oder senken werden. Gleichzeitig betreibt er die Hochwaldbaude - die höchstgelegene Gaststätte der Region, in der auch Pensionsbetten zu bekommen sind. Alexander Fichte ist mit seiner "Sonnebergbaude" in Waltersdorf ebenfalls in der Höhe unterwegs. Zugleich ist er aber auch Chef des Hotels "Dreiländereck" in Zittau. In der SZ erläutern die beiden Fachleute, wie sie aus ihrer praktischen Sicht zur Digitalen Gästekarte stehen. Ein Pro und Contra.

Macht die Digitale Gästekarte Sinn?

Torsten Grundmann: Für meinen Betrieb sehe ich ihn nicht. Wer zu mir hochkommt, ist in der Regel mit dem Gebirgsexpress unterwegs. Für einen Erwachsenen sind da etwa 8 Euro fällig, eine fünfköpfige Familie legt 40 Euro hin. Dann essen und übernachten - und schließlich noch die Gästetaxe drauf. Bei den Leistungen, die angeboten werden sollen, ist die Höhe von 3 Euro oder sogar mehr einfach nicht vermittelbar.

Alexander Fichte: Ich denke, dass wir sie einführen sollten. Die Leute kennen dieses Angebot schon aus anderen Regionen. Es ist einfach zeitgemäß und beliebig erweiterbar. Nicht so starr wie die Papier-Variante - das Heftchen, das es jetzt gibt.

Wie sollte der ÖPNV mit eingebunden werden?

Torsten Grundmann: Lückendorf und Hain sind momentan extrem schlecht mit dem ÖPNV erreichbar. Und wenn Ferien sind, fallen auch die vom Schülerverkehr genutzten Verbindungen nach Oybin weg. Gerade da aber sind die meisten Urlauber da. Wer abends in Zittau noch ins Theater oder Kino gehen will, der kommt kaum zurück. Ein weiterer Kritikpunkt: Der Gebirgsexpress mit den Zielen Berg Oybin, Töpfer und Hochwald ist nicht in der Digitalen Gästekarte drin. Ich finde, man sollte das Thema ÖPNV vor dem Start richtig ausverhandeln und keinen Schnellschuss machen.

Alexander Fichte: Ich verstehe nicht, dass der ÖPNV angeblich so schlecht sein soll. Nach Waltersdorf fährt auch nur eine Linie. Man muss ja sehen, wie viele Menschen hier wohnen - oder eben nicht mehr. Dafür, denke ich, sind wir vergleichsweise gut aufgestellt. Urlauber kommen von A nach B, man sollte die Messlatte auf einem vertretbaren Level halten.

Torsten Grundmann betreibt die Hochwaldbaude und sitzt im Oybiner Gemeinderat. Er steht der Digitalen Gästekarte eher skeptisch gegenüber.
Torsten Grundmann betreibt die Hochwaldbaude und sitzt im Oybiner Gemeinderat. Er steht der Digitalen Gästekarte eher skeptisch gegenüber. © Archiv/Matthias Weber/photoweber.de

Welche Gästeklientel profitiert, welches nicht?

Torsten Grundmann: Bei mir übernachten hauptsächlich Wanderer. Die bleiben eine Nacht, dann sind sie wieder weg. Warum sollen sie Gästetaxe zahlen und dafür die Digitale Gästekarte nutzen dürfen? Bei den großen Hotels im Ort sieht das ähnlich aus. Dort übernachten oft Busgesellschaften. Die nutzen den Bus ihres Veranstalters und brauchen keinen kostenlosen ÖPNV. Der ist ja aber Hauptargument für das neue Projekt.

Alexander Fichte: Ich habe in meinen Häusern eine unterschiedliche Klientel. In Waltersdorf sind es überwiegend Individualtouristen, in Zittau etwa 50 Prozent Geschäftsreisende, dazu noch Bustouristen. Es mag sein, dass die Karte nicht ideal auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist. Aber ich finde, wir sollten das Handling so einfach wie möglich halten. Starten - und dann einen Schritt nach dem anderen machen.

Alexander Fichte ist Inhaber der Sonnebergbaude in Waltersdorf und zugleich Chef des Hotels Dreiländereck in Zittau. Er sieht Vorteile durch die Digitale Gästekarte.
Alexander Fichte ist Inhaber der Sonnebergbaude in Waltersdorf und zugleich Chef des Hotels Dreiländereck in Zittau. Er sieht Vorteile durch die Digitale Gästekarte. © Archiv/Thomas Eichler

Wirkt sich die Gästetaxe auf das Buchungsverhalten aus?

Torsten Grundmann: Es ist doch ein Unterschied, ob Urlauber 3 oder 2 Euro, 1,40 Euro oder gar nichts als Gästetaxe zahlen. Meine Befürchtung und auch die anderer Gastwirte in Oybin: Touristen könnten bei einer zu hohen Gästetaxe abwandern und sich eher in solchen Orten umsehen, wo sie nicht so sehr zur Kasse gebeten werden. Gemeinden wie Oybin könnten da das Nachsehen haben. Grundsätzlich ist es doch so, dass das Geld heute eine immer stärkere Rolle spielt. Jeder überlegt sich, was er wo bezahlt. Viele Gäste ziehen ihre "magische Grenze" für ein Essen bei 20 Euro. Was darüber liegt, wird als zu teuer empfunden. Dass der Wirt damit aber seine ständig steigenden Kosten decken muss, wollen die Leute gar nicht wissen. Vor diesem Hintergrund spielt auch die Höhe der Gästetaxe eine Rolle, denke ich. Denn die kommt ja bei jeder Übernachtung noch obendrauf.

Alexander Fichte: Ich glaube nicht, dass sich der Gast bei seiner Buchung an der Höhe der Gästetaxe orientiert. Wie läuft das denn in der Praxis? Man schaut auf den einschlägigen Plattformen und sucht sich etwas aus. Da erscheinen die Übernachtungspreise, die Taxe wird nur in den Erläuterungen erwähnt. Die Leute entscheiden sich für das, was ihnen gefällt und in der Summe für sie bezahlbar ist. Die Gästetaxe nehmen sie in Kauf - und freuen sich vielleicht sogar, weil ihnen die Gästekarte Vorteile bringt. Die 3 Euro sollte man aber nicht überschreiten, die könnten als psychologische Schwelle wirken. Für uns im Zittauer Gebirge bedeutet das: Die durchschnittliche Verweildauer der Urlauber beträgt hier drei Tage. Das wären 9 Euro pro Person. Das sollte durchaus machbar sein.

Hintergrund: Seit etwa zwei Jahren wird in der Touristischen Gebietsgemeinschaft (TGG) Naturpark Zittauer Gebirge an der Einführung der Digitalen Gästekarte gearbeitet. Zittau, Jonsdorf, Olbersdorf und Großschönau haben dem Projekt zugestimmt, nur in Oybin steht die Entscheidung noch aus. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass dieser neue Touristenservice auch ohne die Gebirgsgemeinde in Angriff genommen wird. Über die genaue Ausgestaltung - und damit auch den Preis - muss noch verhandelt werden. Ausgehend vom Zittauer Gebirge ist geplant, die Gästekarte in den nächsten Jahren auch auf andere Gebiete der Oberlausitz auszudehnen.