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Waldbrand in Oybin: "Wir dachten, das war's jetzt"

Wolfgang Rücker hat am Freitag den Feuerwehr-Einsatz beim Waldbrand am Oybiner Ameisenberg geleitet. Er weiß: Die Gefahr ist nicht gebannt.

Von Jana Ulbrich
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Vier Tage nach dem großen Waldbrand in Oybin steht Einsatzleiter Wolfgang Rücker unmittelbar an der Stelle, an der Brand ausgebrochen ist - am Fuße des Ameisenbergs direkt neben den Gleisen der Schmalspurbahn.
Vier Tage nach dem großen Waldbrand in Oybin steht Einsatzleiter Wolfgang Rücker unmittelbar an der Stelle, an der Brand ausgebrochen ist - am Fuße des Ameisenbergs direkt neben den Gleisen der Schmalspurbahn. © Matthias Weber/photoweber.de

Der einzige Weg nach oben führt durch eine steile, felsige Schlucht. Man muss auf Felsvorsprünge klettern, sich an Bäumen festhalten und an Seilen hinaufziehen, um irgendwie vorwärtszukommen. Immer wieder verlieren die Füße den Halt auf diesem staubtrockenen Boden. Hier hinauf müssen die Feuerwehrleute an diesem Freitag, dem 5. August: bei 36 Grad im Schatten. Durch Staub und Rauch. In voller Montur. Mit diesen riesenschweren Helmen. Sie schleppen die Feuerwehrschläuche nach oben auf den Oybiner Ameisenberg, dorthin wo an diesem Freitag der Wald in Flammen steht. Das kann man sich überhaupt nicht vorstellen.

An diesem Dienstagnachmittag klettert Einsatzleiter Wolfgang Rücker von der Oybiner Feuerwehr diese steile Schlucht hinauf. Schwarz verkohlt ist der Boden und immer noch staubtrocken. Mit einer Wärmebildkamera ist Rücker auf Nachsuche. Er will bis ganz nach oben auf den Ameisenberg am Ortsrand von Oybin, wo am Freitag der größte Waldbrand im Zittauer Gebirge in den letzten 32 Jahren gewütet hat. 1990 hat es hier den letzten Großband gegeben. Rücker, heute 44, war damals ein zwölfjähriger Steppke. Er kann sich noch gut erinnern.

Rücker zeigt den Weg, den sich das Feuer von der Böschung der Schmalspurbahn ganz unten durch die Felsen hinaufgefressen hat. Die Felsen haben gewirkt wie ein riesiger Kamin. Der ist jetzt ausgebrannt. Der Waldboden drumherum ist Asche. Die Wärmebildkamera zeigt 50 Grad. "50 Grad, das geht", sagt Rücker, der ein langjähriger und sehr erfahrener Feuerwehrmann ist. "Aber 50 Grad, das zeigt eben auch, dass der Boden noch immer nicht ganz abgekühlt ist." Noch bis zum Montag müssen die Kameraden immer wieder neu aufgeflammte Glutnester löschen. Das letzte am Montagnachmittag. Die Glutnester sind um die 200 Grad heiß. Am Dienstagmorgen hat die Drohne mit der Wärmebildtechnik zum ersten Mal keine Glutnester mehr ausfindig machen können. "Zum Glück", sagt Wolfgang Rücker. Er wirkt dabei sehr erleichtert.

Vier Tage nach dem großen Waldbrand am Oybiner Ameisenberg liegen die Schläuche immer noch griffbereit am Fuße des Ameisenbergs.
Vier Tage nach dem großen Waldbrand am Oybiner Ameisenberg liegen die Schläuche immer noch griffbereit am Fuße des Ameisenbergs. © Matthias Weber/photoweber.de

Aber die Gefahr ist nicht gebannt. Deswegen steigt der Einsatzleiter an diesem Nachmittag noch einmal zur Nachsuche nach oben. Und am Abend wird er es noch einmal tun. "Es ist hier alles so extrem trocken, wie wir das überhaupt noch nie erlebt haben", sagt er. Die Feuerwehrschläuche liegen deshalb immer noch griffbereit unten am Talweg. Und sie ziehen sich immer noch die Schlucht hinauf bis nach oben auf den Berg, auf dem 40.000 Quadratmeter Wald verbrannt sind. "Die Schläuche lassen wir zur Sicherheit auch noch eine Weile liegen", sagt Rücker.

Gerade ist auch Peter Seeliger, der stellvertretende Kreisbrandmeister, noch einmal nach Oybin gekommen. Gemeinsam sehen sich die beiden Feuerwehrmänner noch einmal die Ausbruchstelle des Brandes an. Sie liegt unmittelbar an der Strecke der Kleinbahn. Augenzeugen wie Andreas Mirschel und die Mitarbeiter der Baufirma, die gerade auf dem Talweg Glasfaserkabel verlegen, sind überzeugt, dass eine vorbeifahrende Dampflok den Brand ausgelöst hat. "Es fing unmittelbar an zu brennen, als der Zug vorbeigefahren war", schildert Andreas Mierschel. Er zeigt auch die verkohlte Stelle an der Bahnlinie, an der die Kollegen der Baufirma schon eine Woche zuvor einen Wiesenbrand gelöscht haben - gleich mit Eimern und dem Wasser aus dem Goldbach, der an der Talstraße entlangfließt. Ein paar Quadratmeter ist sie groß.

Peter Seeliger und Wolfgang Rücker wollen sich zu diesem Verdacht öffentlich nicht äußern. Bisher sei nichts bewiesen, sagt Seeliger nur. Die Kripo ermittelt. Als die beiden Männer da an der Brandausbruchstelle stehen, kommt gerade wie aufs Stichwort die Schmalspurbahn vorbei gedampft. Die Wagen sind gut gefüllt an diesem schönen Ferien-Dienstag. Aus dem Schornstein der Dampflok steigt weißer Rauch auf. Und unten aus den Überdruckventilen neben den Radkästen zischt Wasserdampf, wenn der Zug in Richtung Oybin fährt und die Steigung bergan bewältigen muss.

Andreas Mirschel ist einer der ersten Augenzeugen. Er war vor Ort, als das Feuer ausbrach. Wie mehrere Anwohner und die Mitarbeiter einer Baufirma, die gerade auf dem Talweg Glasfaserkabel verlegen, ist auch er überzeugt, dass eine Dampflok den Brand ausg
Andreas Mirschel ist einer der ersten Augenzeugen. Er war vor Ort, als das Feuer ausbrach. Wie mehrere Anwohner und die Mitarbeiter einer Baufirma, die gerade auf dem Talweg Glasfaserkabel verlegen, ist auch er überzeugt, dass eine Dampflok den Brand ausg © Matthias Weber/photoweber.de

Wolfgang Rücker wird nachdenklich: "Als wir am Freitag hier gestanden haben, und alles schon lichterloh gebrannt hat, da dachten wir, das war's jetzt, das kriegen wir nicht mehr hin", sagt er. Und Peter Seeliger nickt. "Wir hatten Glück mit dem Wind", sagt er. 160 Feuerwehrleute haben an diesem Freitag in diesem unwegsamen Gelände gegen die Flammen gekämpft. "Es ist unglaublich, was die hier alle geleistet haben", betont der Kreisbrandmeister. "Die Leute haben gewühlt wie die Verrückten. Und es sind ja alles Freiwillige im Ehrenamt. Das darf man an der Stelle nicht vergessen." Nicht auszudenken, wenn es diese ehrenamtlichen Feuerwehrleute nicht gäbe, die sich solche Torturen antun und Leib und Leben riskieren. Sechs Männer haben bei dem Einsatz Verletzungen davongetragen, einer ist bewusstlos zusammengebrochen unter dieser Anstrengung bei diesen Bedingungen.

Es ist nicht vorbei, weiß Peter Seeliger. Es herrscht immer noch allerhöchste Waldbrandgefahr im Zittauer Gebirge. Das bisschen Regen am Sonnabend hat rein gar nichts gebracht. Und selbst dort, wo am Freitag hektoliterweise Löschwasser den Berg herabgeflossen ist, ist der Boden am Dienstag danach schon wieder staubtrocken.

"Das Wichtigste ist, dass wir jetzt unbedingt Lehren aus den großen Waldbränden hier und in der Sächsischen Schweiz ziehen", sagt Peter Seeliger. "Wir müssen alle Erfahrungen mitnehmen und uns Gedanken machen, wie wir uns in Zukunft besser aufstellen können. Wie es besser funktionieren kann und muss." Seeliger hat es jetzt eilig. Er muss nach Bad Schandau. Noch immer brennen Glutnester in der Sächsischen und der Böhmischen Schweiz. Noch immer sind jeden Tag auch 60 Feuerwehrleute aus dem Landkreis Görlitz in der Sächsischen Schweiz im Einsatz. Alles Freiwillige!