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Cannabis-Nachfrage in Sachsen steigt

Jede zweite Apotheke im Freistaat hat Cannabisrezepte eingelöst. Die Erwartung ist groß, die Enttäuschung oft auch.

Von Stephanie Wesely
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Mit einer eigens entwickelten Maschine erntet ein Landwirt Cannabis auf einem Feld bei Naundorf. Das medizinische Cannabis wird dort auf einer Fläche von gut 170 Hektar angebaut.
Mit einer eigens entwickelten Maschine erntet ein Landwirt Cannabis auf einem Feld bei Naundorf. Das medizinische Cannabis wird dort auf einer Fläche von gut 170 Hektar angebaut. © dpa/Jan Woitas

Seit zwei Jahren können sich Patienten medizinisches Cannabis vom Arzt verschreiben lassen. Vor allem Schmerzkranke setzen große Hoffnungen in das Mittel, das als Kapseln und Spray, aber auch als Blüten zum Inhalieren oder zur Teezubereitung angeboten wird. Wie viele Cannabis-Patienten es in Sachsen gibt, lässt sich nicht genau sagen. Einer Befragung der Landesapothekerkammer zufolge wurden in der Zeit von März 2017 bis März 2018 rund 2 800 Cannabisrezepte eingelöst. 52 Prozent der Apotheken hätten solche Produkte ausgegeben. „In den letzten Monaten ist die Nachfrage weiter gestiegen“, sagt Göran Donner, Sprecher der Apothekerkammer Sachsen.

„Seit der Zulassung von Cannabis kommen manche Patienten mit der konkreten Erwartungshaltung zu uns, Cannabis verordnet zu bekommen. Doch wir sind da sehr kritisch“, sagt Dr. Uwe Richter, Vorsitzender der Schmerztherapeuten in Sachsen. „Die Wirkung der medizinischen Droge ist noch immer nicht ausreichend in größeren Untersuchungen nachgewiesen.“ Gute Erfahrungen gebe es aber in der Behandlung neuropathischer Schmerzen, zum Beispiel bei Multipler Sklerose oder Diabetes. Weniger bei Übelkeit und Erbrechen nach Chemotherapien oder beim Tourette-Syndrom, wie die Bundesärztekammer erklärt. Auf dem am Mittwoch beginnenden Deutschen Schmerztag ist Cannabis ein großes Thema.

Uwe Richter behandelt in seinem Schmerzzentrum in Chemnitz bislang 80 Patienten mit Cannabis: „Etwa ein Drittel verzeichnet einen sehr guten Effekt hinsichtlich Schmerzlinderung und Lebensqualität. Ein weiteres Drittel war enttäuscht und hat sich mehr erhofft“, sagt er. Ungeklärt sei vor allem das Abhängigkeitspotenzial und die Einschätzung der Fahrtüchtigkeit.

Bei medizinischer Notwendigkeit und ärztlicher Verordnung über nehmen die Kassen die Kosten. „Die Tagestherapiekosten schwanken stark und hängen von der gewählten Arzneiform und der Dosis ab. Beispielsweise kosten Dronabinol-Tropfen oder das Fertigarzneimittel Sativex 14 bis 15 Euro täglich. Cannabisblüten sind mit 65 Euro täglich deutlich teurer“, sagt Hannelore Strobel, Sprecherin der AOK Plus. „2017 und 2018 haben wir rund drei Millionen Euro für Cannabis ausgegeben.“ Von den 2 800 im letzten Jahr in Sachsen eingelösten Rezepten waren 89 Prozent Kassenrezepte, erklärt die Landesapothekerkammer. Sie kamen überwiegend von Fachärzten wie Onkologen, Neurologen und Schmerztherapeuten.

Die Ärzte jedoch beklagen in einem Positionspapier der Landesärztekammer den großen bürokratischen Aufwand, der mit der Verordnung verbunden ist. „Sie sind gezwungen, jeden Einzelfall in einem Antragsverfahren mit aufwendiger Begründung zu bearbeiten“, so Knut Köhler, Sprecher der Ärztekammer.

Auch bundesweit erleben die Krankenkassen seit der Liberalisierung einen Ansturm. Allein bei den großen – AOK-Bundesverband, Barmer, Techniker und DAK-Gesundheit – gingen 2018 insgesamt 19 600 Anträge auf Erstattung ein. Rund zwei Drittel der Anträge bewilligten die Kassen, in den übrigen Fällen fordern sie meist Informationen nach, heißt es. Einige Fragen blieben offen, erklärt der AOK Bundesverband – etwa jene, welche Diagnose eine Cannabis-Verordnung ermögliche.

Trotzdem steigt die Nachfrage. Laut Göran Donner gebe es in Sachsen einen Lieferengpass. „Wir sind noch auf Importe angewiesen, zum Beispiel aus Kanada und Israel. Eine eigene nationale Agentur ist noch im Aufbau.“ (mit dpa)