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Erzgebirge: Wirte klagen gegen Sperrstunde

Wegen der sächsischen Corona-Verordnung hagelt es Stornierungen. Hoteliers wollen sich auch gegen das Beherbergungsverbot wehren.

Von Anja Ehrhartsmann
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Vor dem Gasthof Bärenfels stellt Inhaber Jan Kempe ein Schild mit den geltenden 2-G-Regeln auf.
Vor dem Gasthof Bärenfels stellt Inhaber Jan Kempe ein Schild mit den geltenden 2-G-Regeln auf. © Egbert Kamprath

Seine Vorratskammer ist voll, vor allem mit Gänsen und Enten. "Wir haben vor dem Weihnachtsgeschäft viel Geflügel besorgt, weil es ja erst danach aussah, als gäbe es da Engpässe. Das ist jetzt nach hinten losgegangen", sagt Jan Kempe, Inhaber des Gasthofs Bärenfels, mit bitterem Unterton. Zwar bietet der Gastronom Essen to go an und auch das Restaurant hat nach wie vor für Geimpfte und Genesene geöffnet, aber erwartungsgemäß wird das die vielen Stornierungen nicht mehr wettmachen können.

Mehr als 20 Busgruppen waren angemeldet, mit Mittagessen, Kaffee und Kuchen, zusätzlich viele Weihnachtsfeiern. "Ich glaube, wir haben im Dezember noch eine einzige Weihnachtsfeier, und die sind auch schon von 40 auf 20 Personen heruntergegangen." Jan Kempe geht davon aus, dass ihm durch die kürzlich getroffenen Einschränkungen der Landesregierung in den nächsten Wochen insgesamt 90 Prozent an Umsatz wegbricht. "Der Dezember ist unser Hauptgeschäftsmonat im Jahr", sagt er.

Was den Unternehmer umtreibt, ist die Frage, warum für seine Branche die 3-G-Regel abgeschafft wurde. "Das hat für uns wunderbar funktioniert und wir haben das auch sehr ernst genommen", sagt er. "Wir sind sogar Testzentrum und konnten unsere Gäste selbst testen." Doch damit ist es nun vorbei. Wer lediglich getestet ist, darf aktuell nicht mehr ins Restaurant. Im Hotel darf Jan Kempe nur noch Geschäftsreisende beherbergen. "Wir hatten am Montag vier Gäste, am Dienstag zwei. Und dafür kommen drei Mitarbeiter. Eigentlich wäre es da logisch, den Schlüssel rumzudrehen", sagt er. Ganz zumachen will Jan Kempe aber nicht, reduzierte Öffnungszeiten zieht er aber in Erwägung. "Unsere Mitarbeiter müssen wir wieder in Kurzarbeit schicken", sagt der Gastronom. "Wir wollen ihr Gehalt aber aus eigenen Mitteln aufstocken, damit sie eine Lebensgrundlage haben und wir am Ende nicht ohne sie dastehen."

Nun geht es vor Gericht

So wie Jan Kempe geht es derzeit vielen Gastronomen und Hoteliers, weiß Jochen Löbel, Mitglied im Landesvorstand des Dehoga Sachsen und Sprecher des Wirtestammtisches Osterzgebirge, bei dem auch Jan Kempe Mitglied ist.

Jochen Löbel ist Sprecher des Wirtestammtisches Osterzgebirge.
Jochen Löbel ist Sprecher des Wirtestammtisches Osterzgebirge. © Frank Baldauf

Gegen das Beherbergungsverbot und die Sperrstunde wollen sie sich nun gemeinsam zur Wehr setzen und unterstützen zusammen mit dem Dehoga-Landesverband Sachsen eine Klage, die noch diese Woche eingereicht werden soll. "Das Beherbergungsverbot ist eine diskriminierende Vorgehensweise, die uns in Sachsen vom bundesweiten Wettbewerb ausschließt. Wir sehen das als unverhältnismäßige Belastung, schließlich gibt es keine Belege dafür, dass touristische Übernachtungen das Infektionsgeschehen befeuern", sagt Jochen Löbel. "Wir werden als Pandemietreiber an den Pranger gestellt, dabei gibt es in jedem unserer Betriebe Hygienekonzepte." Angesichts dessen, dass noch bis vergangene Woche Großveranstaltungen mit 45.000 Menschen stattgefunden haben, könne er nur den Kopf schütteln.

Doch nicht nur das Beherbergungsverbot stößt den Hoteliers und Gastwirten sauer auf. "Auch die Einschränkung in der Gastronomie ist eine Katastrophe. Jetzt beginnt der Advent, für uns im Erzgebirge ist das die wichtigste Zeit im Jahr. Manche machen zwischen 25. Dezember und 2. Januar zehn Prozent ihres Jahresumsatzes." Doch statt Buchungen hagelt es bei den Mitgliedern des Wirtestammtisches Stornierungen für Weihnachten und Silvester. "Stand heute können die Silvesterfeiern mit 2G stattfinden, aber unsere Gäste müssen wir um 20 Uhr nach Hause schicken. Das macht doch keiner mit", sagt Jochen Löbel. Wohlgemerkt gilt die aktuelle sächsische Corona-Schutzverordnung nur bis zum 12. Dezember.

Der Dehoga Landesverband Sachsen wird zwei Betriebe bei ihrer Klage gegen die Schutzverordnung juristisch und finanziell unterstützen, erklärt Jochen Löbel. Auch der Wirtestammtisch Osterzgebirge steuert 500 Euro bei. Ein Gastbetrieb aus dem Dresdner Zentrum wird beim Amtsgericht Dresden gegen die Sperrstunde um 20 Uhr klagen. Beim Amtsgericht in Chemnitz soll eine Klage eines Hotels aus dem Erzgebirge eingereicht werden, das gegen das Beherbergungsverbot vorgehen will. Der Verband selbst könne zwar nicht klagen, sagt Jochen Löbel, will aber trotzdem nicht untätig sein. "Als Landesverband streben wir eine Allgemeinverfügung an, um die Verordnung außer Kraft zu setzen."

Das ist der Wirtestammtisch

Der Wirtestammtisch Osterzgebirge hat 23 Mitglieder, hauptsächlich aus dem ehemaligen Weißeritzkreis, aber auch aus dem Landkreis Mittelsachsen. Dazu gehören unter anderem der "Goldene Stern" in Frauenstein, das Ahorn Waldhotel in Altenberg, das Gasthaus "Kobär" in Oberbärenburg, das Berghotel "Talblick" in Holzhau, das Gasthaus "Eschenhof" in Ammelsdorf, das Naturhotel Gasthof Bärenfels, der Ratskeller in Geising, das Landhaus Heidehof Dippoldiswalde, das Natur- und Businesshotel "Neue Höhe" in Neuklingenberg und das Alte Zollhaus in Hermsdorf.