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Ohne Esoterik zum neuen Job

So mancher Bewerber musste in Auswahlverfahren eher eigenwillige Tests und Fragen über sich ergehen lassen. Das sorgte nicht selten für Frust auf beiden Seiten. Auch wegen des Fachkräftemangels denken viele Betriebe nun um.

Von Annett Kschieschan
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Gemeinsam eine Aufgabe lösen, während die potenziellen Chefs Notizen machen – Auswahlverfahren zur Stellenbesetzung können ganz unterschiedlich ausfallen. Längst nicht alle gelten als zielführend.
Gemeinsam eine Aufgabe lösen, während die potenziellen Chefs Notizen machen – Auswahlverfahren zur Stellenbesetzung können ganz unterschiedlich ausfallen. Längst nicht alle gelten als zielführend. © AdobeStock

"Das Bewerbungsgespräch lief erst einmal ganz normal. Man befragte mich zu meinen Studienschwerpunkten und praktischen Erfahrungen. Aber dann bekam ich eine Art Ausmalbild vorgelegt, dazu eine Handvoll Stifte. Ich sollte das Bild nach meinen Vorstellungen ausmalen. Später hieß es, die Entscheidung, welche Farben ich für welchen Bildbereich gewählt hätte, würden etwas über meine Zielstrebigkeit beziehungsweise mein Durchhaltevermögen aussagen." Der Sozialpädagoge, der zwei Studiengänge abgeschlossen und auch schon im Ausland gelebt und gearbeitet hatte, war baff – und abgeschreckt. „Ich habe das zwar mitgemacht, aber schon währenddessen entschieden, dass ich den Job nicht will“, erinnert er sich. Und ist mit seiner Erfahrung kein Einzelfall. Im Bemühen, sich einerseits von Konkurrenten abzuheben und andererseits die vermeintlich geeignetsten Kandidaten für eine ausgeschriebene Stelle zu finden, gehen Unternehmen bisweilen auch seltsame Wege.

Sichtbar wird das meistens durch eigenwillige Eignungstests wie den mit den Ausmalbildchen oder auch durch unübliche Fragen. Dabei ist rechtlich klar geregelt, welche Themen den potenziellen Arbeitgeber nun wirklich nichts angehen, weil sie gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstoßen können.

Im Zweifel ist Lügen erlaubt

Dazu gehören der Beziehungsstatus und die sexuelle Orientierung ebenso wie der persönliche Glauben, die privaten Vermögensverhältnisse und die ethnische Herkunft. Hier haben Bewerber das „Recht zur Lüge“, wenn sie aus verständlichen Gründen nicht willens sind, den Personalverantwortlichen auf sein Fehlverhalten hinzuweisen. Dazu kommt ein Bereich der „bedingt zulässigen“ Themen, die „nur dann im Bewerbungsgespräch gestellt werden dürfen, wenn sie für den Job tatsächlich relevant sind“, gibt etwa der Personaldienstleister Ranstadt Arbeitssuchenden mit auf den Weg. So ist die Religionszugehörigkeit eben doch wichtig, wenn es um eine Stelle bei einer konfessionell gebundenen Einrichtung geht. Fragen zur Gesundheit dürfen nur dann eine Rolle spielen, wenn eine eventuelle Beeinträchtigung hier die Ausübung des Jobs behindern würde.

Und wie sieht es nun mit den vor allem in einigen Branchen beliebten Eignungstests aus? Die Bandbreite reicht hier von simulierten Streitgesprächen, die die Konfliktfähigkeit der Bewerber testen sollen, bis zu Intelligenztests oder Spielen, die wahlweise Anleihen bei den alten Griechen, der Archetypen-Lehre nach Carl Gustav Jung oder gar astrologischen Modellen nehmen. „Meine erste Chefin war der Meinung, dass sie mit Menschen, die im Sternzeichen Fische geboren sind, auf keinen Fall zusammenarbeiten kann. Und so landeten einige Bewerbungen eben schon nach einem Blick aufs Geburtsdatum im Papierkorb“, erinnert sich eine Personalberaterin aus der Lausitz an ihren ersten Job nach dem Studium. Nicht nur deshalb hat sie beschlossen, es selbst später besser zu machen. Aber was ist besser? Experten raten nicht zuletzt mit Blick auf den Fachkräftemangel, auf „Schnickschnack“ zu verzichten. „Wir wissen, dass die am häufigsten eingesetzten Verfahren, die geringste Aussagekraft haben“, hatte etwa der Personalentwickler und Unternehmensbereiter Viktor Lau in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung betont.

Lieber schnell zum Praxistest

Moderne Studien zeigen demnach, „dass der spätere Erfolg der ausgesuchten Kandidaten damit nur sehr schlecht vorausgesagt“ werden könne. Das hat viel damit zu tun, dass jedes Bewerbungsgespräch – egal, ob online oder in Präsenz – immer eine Momentaufnahme ist. Was ein Bewerber oder eine Bewerberin am Ende wirklich kann, ob sich jemand für das Unternehmen engagiert, bereitwillig dazulernt und loyal ist, zeigt sich oft erst nach einigen Wochen. Nicht selten verpuffen die Superlative, mit denen sich Interessierte bisweilen potenziellen Arbeitgebern vorstellen, in der Realität schnell, während unauffälligere Bewerber am Ende durch Leistung überzeugen können.

Auch deshalb haben viele Unternehmen ihre Recruiting-Strategien geöffnet. Weniger formale Tests und abgearbeitete Fragebögen, dafür eher ein Probetag in der gewünschten Abteilung – das kann Experten zufolge schnellere und bessere Ergebnisse bringen als ein zeit- und kostenaufwendiges Auswahlverfahren. Zumal es in vielen Branchen auch in Sachsen dafür inzwischen an genügend Interessenten für ausgeschriebene Stellen fehlt.