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Regional aus Tradition

Moderne Wirtschaft steht nicht nur für New Work-Konzepte und Industrie 4.0. Auch die Bedeutung kleinteiliger Kreisläufe und regionaler Netzwerke nimmt vor dem Hintergrund internationaler Krisen zu. Ein Beispiel aus Dresden zeigt, wie es funktionieren kann.

Von Annett Kschieschan
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Zwei von vielen Partnern der Pfunds Molkerei in Dresden: Andreas Kannegießer von der Kannegießer Keramik Saxonia Feinsteinzeug Manufaktur aus Neukirch liefert die Keramik, Tobias Kockert von der Krabat Milchwelt Kotten die Milch.
Zwei von vielen Partnern der Pfunds Molkerei in Dresden: Andreas Kannegießer von der Kannegießer Keramik Saxonia Feinsteinzeug Manufaktur aus Neukirch liefert die Keramik, Tobias Kockert von der Krabat Milchwelt Kotten die Milch. © Steffen Unger

Die Reisebusse sind das markanteste Zeichen. Dort, wo sie an der Bautzner Straße auf ihre Gäste warten, ist Dresdens berühmtester Milchladen. Pfunds Molkerei mit den einzigartigen Villeroy & Boch-Fliesen steht in nahezu jedem Dresden-Reiseführer. Kein Wunder also, dass sich die Touristen hier die Klinke in der Hand geben.

Ein kleines Wunder für so manchen Gast aus Fernost oder Übersee dürfte aber die Keramik aus dem Oberland sein, die es bei Pfunds ebenfalls gibt. Oder die Milch aus dem Lausitzer Seenland. Und nebenan im Spezialitätenladen warten noch Löbauer Bier, Altenburger Senf, Pasta aus Stadt Wehlen und zartbittere Täfelchen aus der Sächsisch Thüringische Schokoladen-Manufaktur Meerane.

Der Milchladen in der Dresdner Neustadt hat ein regionales Netz gespannt, das zeigt, wie lokale Wirtschaft auch in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung funktionieren kann. Vor dem Hintergrund der aktuellen Krisenlagen mit Lieferproblemen und teilweise extremen Preisschwankungen bekommen regionale Wirtschaftskreisläufe wieder mehr Bedeutung. „Gerade in den aktuellen Krisen zeigt sich, wie wichtig funktionierende regionale Lieferketten sind“, sagte Sachsens Landwirtschaftsminister Wolfram Günther erst kürzlich anlässlich der Eröffnung der Sächsischen Bio-Erlebnistage. Regionale und bio-regionale Produkte schaffen demnach „wirtschaftliche Perspektiven für die ländlichen Räume und schonen Umwelt und Klima.“

Das hat vor allem etwas mit kurzen Wegen zu tun. Die Milch aus der Krabat-Milchwelt in Kotten bei Wittichenau braucht keine Stunde bis zur Pfunds Molkerei. Die handgemachten Nudeln der Manufaktur Lucia aus Stadt Wehlen in der Sächsischen Schweiz sind noch schneller da. Und Andreas Kannegießer, Geschäftsführer der gleichnamigen Töpferei in Neukirch/Lausitz, kennt den Weg zu Pfunds inzwischen fast im Schlaf. Seit drei Jahren arbeiten beide Unternehmen zusammen. Denn was wären frische Milch, leckerer Käse und fruchtige Marmeladen ohne das passende Geschirr? Ohne Frühstücksbrettchen und Milchkanne, ohne Teepott und Eierbecher? „Das Sortiment passt einfach sehr gut zu uns und unseren Produkten, deswegen haben wir die Partnerschaft jetzt ausgebaut“, sagt Nicole Stephan, bei Pfunds Molkerei zuständig für E-Commerce und Online-Marketing.

Verstärkung gesucht

Das jüngste Pfunds-Jubiläum Anfang des Monats nutzte das Unternehmen, um die regionalen Partner auch der Kundschaft vorzustellen. Überhaupt sei der Dialog mit den Gästen wichtig. „Wir lassen sie zum Beispiel auch darüber abstimmen, welche Formen und Motive sie besonders mögen – ob Traditionelles besser ankommt oder doch modernere Muster“, so Nicole Stephan weiter.

Dass es bei Pfunds eben nicht nur Milch und Käse gibt und ein Großteil der Partner aus Sachsen beziehungsweise Mitteldeutschland kommt, ist kein Zufall und auch keine Reaktion auf die aktuellen Krisen. Es hat vielmehr mit Tradition zu tun. Gutes vom Land in die Stadt zu bringen, war seinerzeit schon die Idee von Paul Pfund, der 1879 mit seiner Familie aus dem sächsischen Reinholdshain nach Dresden zog. Mit dabei: Schweine, Kühe – und die Überzeugung, etwas Wichtiges auf den Weg zu bringen. Milch zu trinken war Ende des 19. Jahrhunderts häufig kein großer Genuss. Im Gegenteil - oft kam es zu Verunreinigungen, die dann Krankheiten auslösten. Paul Pfund gründete deshalb eine sogenannte Milchkuranstalt. Die war bald so gefragt, dass der ambitionierte Gründer und erfahrene Landwirt schnell ein größeres Geschäft brauchte. Die Basis für Pfunds Molkerei war gelegt.

Der Rest ist Geschichte, könnte man nun meinen – und liegt damit nur zum Teil richtig. Denn heute ist der einstige Familienbetrieb ein modernes Unternehmen. Selbstverständlich gibt es einen Onlineshop. Die Nutzung der Social-Media-Kanäle soll noch ausgebaut werden. Ein reichliches Dutzend Mitarbeiter arbeitet heute bei Pfunds.Die Kundschaft kommt im wahrsten Sinne des Wortes aus aller Welt. Rund 80 Prozent der Besucher, die den kunstvoll gefliesten Milchladen bewundern, im Seifenlädchen nebenan Geschenke aussuchen oder sich im Spezialitätengeschäft mit kulinarischen Genüssen eindecken, sind Touristen. So mancher Dresdner fühlt sich ein wenig abgeschreckt von dem Andrang vor Ort. „Wir wollen die Einheimischen einladen, doch noch öfter mal bei uns vorbeizuschauen“, sagt Nicole Stephan. Zu sehen gibt es auch dank der vielen regionalen Partner jedenfalls genug.

Und auch Verstärkung sucht das Pfunds-Team immer. Pauschalkräfte und studentische Mitarbeiter sind besonders gefragt. Vor allem Letztere können hier nicht nur Verkaufserfahrungen sammeln und sich beim Online-Marketing versuchen. „Auch, wer sein Englisch trainieren will und generell gern mit Menschen aus ganz verschiedenen Ländern kommunizieren möchte, ist willkommen“, so Nicole Stephan. Das Wissen um die Vielfalt regionaler sächsischer Produkte gibt es ganz nebenbei mit dazu.