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Alte Tradition lebt auf: Göda feiert wieder Kirmes

Nach der Ernte wurde einst in der Oberlausitz Kirmes gefeiert. Dieser Brauch soll nun mithilfe vieler Freiwilliger nach Göda zurückkehren. Das ist geplant.

Von Miriam Schönbach
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Hinter der Kirmes steht das Kirchweihfest. Diese Tradition wollen Gerhard Schneider (l.) und Peter Beer nach Göda zurückholen.
Hinter der Kirmes steht das Kirchweihfest. Diese Tradition wollen Gerhard Schneider (l.) und Peter Beer nach Göda zurückholen. © Steffen Unger

Göda. Selbstverständlich wird auch der Kirmeskuchen nicht fehlen. Vielleicht gibt es ihn nicht quadratmeterweise wie einst, doch für genügend Nachschub ist auf jeden Fall gesorgt. Die Leckerei vom Blech mit Quark und Streusel ziehen Dutzende freiwillige Kuchenbäckerinnen aus dem Ofen. Überhaupt haben Gerhard Schneider und Peter Beer eine Vielzahl helfender Hände um sich versammelt, um in Göda eine alte Tradition wieder aufleben zu lassen. Am Sonntag, dem 10. September 2023, soll in dem Ort wieder Kirmes gefeiert werden. Selbstverständlich beginnt der Tag mit einem Gottesdienst.

Gerhard Schneider und Peter Beer schauen hoch zu den zwei Türmen der Stiftskirche St. Peter und Paul in Göda. Zu deren Gemeinde gehören evangelische Christen aus 40 Dörfern rund um den markanten Doppel-Kirchturm. Die steinerne Kirche hat 1076 Bischof Benno auf den leicht erhöhten Platz gestellt. Vor mehr als 130 Jahren erhält das Gotteshaus sein heutiges Aussehen. Unter Pfarrer Friedrich Heinrich Immisch bekommt die Kirche 1892 ihre beiden Türme, eine Orgel auf der Turmempore und ihre neugotische Ausstattung. 140.000 Goldmark kostet die Baumaßnahme seinerzeit.

Montag nach der Kirchweih war stellenweise arbeitsfrei

Selbstverständlich wird in dieser Zeit im Herbst Kirmes in Göda gefeiert. Jenes Fest wurde jährlich zur Erinnerung an die Einsegnung der Kirche im Ort begangen. Auf Sorbisch heißt es Kermuša – Kirchmesse. „Seit dem Mittelalter wird die Kirmes von weltlichen Vergnügungen wie Jahrmärkten, Wettspielen und Festmahlen begleitet. Ihr Termin variierte zunächst je nach dem Datum der Kirchweihe vor Ort, konnte von den kirchlichen Obrigkeiten aber auch neu festgelegt werden“, heißt es im „Sorbischen Kulturlexikon“ aus dem Domowina-Verlag. Gelegt wurden die Feiern bevorzugt in die Zeit nach der Ernte – meist zwischen dem 24. August und dem 25. November.

Auch Gerhard Schneider kann sich gut an die Zeit der Kirmes in seiner Kindheit in den 1950er-Jahren erinnern. „Es war ein Fest der Familie mit gegenseitigen Verwandtschaftsbesuchen. Ich saß als kleiner Junge dabei und hörte Geschichten, die ich heute noch weiß“, sagt der 79-Jährige. Montags gab es nach der Kirchweih sogar in manchen Dörfern arbeitsfrei. Göda soll ein Kirmes-Hotspot gewesen sein.

50 Frauen backen Kuchen für Kirmes in Göda

Solche schönen Erinnerungen der älteren Einwohner geben ihm den Anstoß, die Tradition zurück ins Dorf zu holen. Eingeschlafen ist sie irgendwann in den 1960er-/70er-Jahren. So genau weiß das keiner mehr. Nach der Wende gab es mehrere Versuche der Wiederbelebung, unter anderem rund um die Gödaer Tausendjahrfeier zwischen 2007 und 2010.

Nun soll es aber gelingen. Seit dem Frühjahr 2023 ist Gerhard Schneider in der Kirchgemeinde unterwegs, um sich Mitstreiter zu suchen. Einer davon ist Peter Beer, der viele Jahre Bürgermeister von Göda war. Der Vorsitzende des Heimatvereins kennt sich aus mit der Organisation von Festen. „Wir mussten schnell feststellen, dass Schausteller innerhalb so kurzer Zeit nicht zu buchen sind. Aber da haben wir uns auf die eigenen Potentiale in der Gemeinde konzentriert“, sagen die Organisatoren. Im Vorbereitungsteam sind 15 Ehrenamtler, allein gut 50 Frauen backen Kuchen.

Kirmes in Göda soll Fixpunkt im Familienkalender werden

Für Gerhard Schneider und Peter Beer ist schon die Vorbereitung der Kirmes ein Gewinn. „Viele Leute bringen sich freiwillig ein. Solche Feste sind förderlich für die Gemeinschaft. Wir würden uns freuen, wenn sich die Kirmes wieder als ein Fixpunkt im Familienkalender etabliert“, sind sich die zwei einig.

Schließlich würden heute immer mehr Familien nicht mehr „rund um den Kirchturm“ wohnen. Wie einst könnte die Kirmes also dazu dienen, sich untereinander wieder zu besuchen – und Geschichten zu erzählen, an die sich vielleicht noch Generationen später erinnern werden.

Jetzt steht der Kirmessonntag bevor. „Danach kommt die Auswertung. Was war gut, was hat gefehlt“, sagt Gerhard Schneider. Für ihn sei es wichtig, Traditionen zu wahren, auch aus diesem Grund findet sich immer wieder Sorbisches im Kirmes-Programm, eben um den Reichtum, der durch die Geschichte überliefert wurde, weiterzugeben. „Alle sind herzlich eingeladen, mit uns zu feiern“, sagt der Organisator. Seine größte Freude wäre es, wenn es im September 2024 erneut heißt: Göda lädt zur Kirmes.

Programm zur Kirmes in Göda am 10. September (Auszug):

  • 9.30 Uhr Festgottesdienst in der Gödaer Kirche
  • ab 11 Uhr Kirmes auf dem Festplatz an der Turnhalle
  • 12 Uhr Blaskonzert
  • 14 Uhr Voltigiergruppe Lindenhöhe
  • 14.15 Uhr Vorstellung des sorbischen Trachtenzugs aus Hochkirch
  • 14.45 Uhr Dudelsackmusik
  • 15 Uhr Tanzworkshop zu Reigen- und Paartänzen
  • 15.30 Uhr Programm der Kinder aus Kindergarten und Schule
  • 17.30 Uhr Volksliedersingen
  • 18.30 Uhr Kirmestanz

Das komplette Programm ist im Internet unter www.kirche-goeda.de zu finden.