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Gibt es ein Raser-Problem auf der B96 bei Bautzen?

Seit Juli 2021 dürfen Autofahrer zwischen Oberkaina und Ebendörfel nur noch Tempo 70 fahren. Anwohner fordern nun weitere Maßnahmen.

Von Katja Schlenker
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Hoffen darauf, dass sich an der B96 zwischen Oberkaina und Ebendörfel etwas ändert: Tobias Paulo und Pamela Franke mit ihren Kindern.
Hoffen darauf, dass sich an der B96 zwischen Oberkaina und Ebendörfel etwas ändert: Tobias Paulo und Pamela Franke mit ihren Kindern. © SZ/Uwe Soeder

Bautzen. „Wir wussten, dass hier die Bundesstraße ist“, sagt Tobias Paulo, „aber es ist nicht gerechtfertigt, dass Tempo 100 freigegeben ist, wenn sich hier eine Bushaltestelle befindet.“ 2021 hat die Familie mit vier Kindern das Haus an der B96 zwischen Oberkaina und Ebendörfel nahe Bautzen gekauft. Mittlerweile sind dort sogenannte Weilertafeln aufgestellt worden, um die Ortschaft erkennbar zu machen. Und auf einem rund 300 Meter langen Abschnitt am Granitbruch Oberkaina gilt seit gut einem Jahr Tempo 70. Doch das gefällt offenbar nicht allen Autofahrern.

„Am Wochenende und nachts hat man manchmal das Gefühl, die heben gleich ab“, beschreibt Tobias Paulo seine Eindrücke. Auch Motorräder benutzten den geraden Streckenabschnitt in Richtung Oppach oft, um kräftig zu beschleunigen. Besonders sorgt sich Tobias Paulo, wenn seine Kinder zum Bus gehen. Vor allem im Winter, denn Straßenlicht gibt es vorm Haus und an der Haltestelle nicht. „Wir leuchten dem Busfahrer mit der Taschenlampe am Handy, damit er uns sieht“, sagt der junge Familienvater. Alleine lässt er seine Tochter nicht zur Bushaltestelle gehen wegen der viel befahrenen Bundesstraße.

Die Hälfte der Autofahrer hält sich an Tempo 70

Einiges an Korrespondenz mit dem Landesamt für Straßenbau und Verkehr sowie mit dem Landratsamt und der Stadtverwaltung Bautzen kann Tobias Paulo mittlerweile vorlegen. „Laut einer Messung der Stadt fährt die Hälfte der Autofahrer korrekt und etwa ein Drittel etwas schneller als erlaubt“, erklärt er. Dass das Tempo zum Abend hin steigt, zeige die Messung ebenfalls.

Es habe auch weitere Geschwindigkeitsmessungen gegeben, berichtet Tobias Paulo, aber die Situation bleibe dennoch heikel. „Es ist doch nicht viel, was wir wollen“, sagt er. Leuchtschilder zum Beispiel würde er sich wünschen, welche die gefahrene Geschwindigkeit anzeigen und Autofahrer zum Einhalten der 70 km/h auffordern.

Vier Kontrollen zwischen Oberkaina und Ebendörfel

Die Polizei und das Landratsamt als zuständige Behörde für die B96 sehen dazu jedoch keinen Anlass. „Das Landratsamt Bautzen hat auf Wunsch der Stadt Bautzen nach Aufstellung der 70-Schilder Geschwindigkeitskontrollen durchgeführt“, teilt Sprecherin Sabine Rötschke vom Landratsamt mit. „Im Jahr 2021 waren wir an drei Tagen vor Ort, 2022 an einem Tag.“ Das sind die Ergebnisse:

  • 16. März 2021, 10.40 bis 11.40 Uhr: 246 Fahrzeuge gemessen, davon eins zu schnell
  • 29. Juli 2021, 7.45 bis 10.10 Uhr: 686 Fahrzeuge, davon 22 zu schnell
  • 17. Dezember 2021, 9.40 bis 12.15 Uhr: 857 Fahrzeuge, davon 16 zu schnell
  • 17. August 2022, 10.35 bis 12.20 Uhr: 625 Fahrzeuge, davon 25 zu schnell

„Die festgestellten Überschreitungen befinden sich im Verwarnungsbereich“, resümiert die Sprecherin. „Es handelt sich um keinen Raser-Schwerpunkt.“ Diesem Urteil schließt sich die Polizei an. „Der Streckenabschnitt, auch im auf 70 km/h reduzierten Abschnitt, wird als relativ verkehrssicher eingeschätzt“, teilt Sprecher Kai Siebenäuger von der Polizeidirektion Görlitz mit, die auch für den Landkreis Bautzen zuständig ist.

Obwohl die gerade Linienführung der gut ausgebauten Bundesstraße an dieser Stelle begünstigt, dass dort hohe Geschwindigkeiten gefahren werden, stellt sich der Streckenabschnitt laut Polizei als nahezu unfallfrei dar. Im Zeitraum 2019 bis 2021 wurden zwar 19 Unfälle auf der gesamten Strecke zwischen Oberkaina und Ebendörfel registriert, davon waren zehn aber Wildunfälle. Es habe jedoch auch drei Verkehrsunfälle mit Personenschäden gegeben, bei denen fast ausschließlich ältere Fahrzeugführer beteiligt waren.

„Überhöhte Geschwindigkeit – und nur diese kann von Polizei und Ordnungsamt gemessen und geahndet werden – ist als Unfallursache nicht ermittelt oder festgestellt worden“, resümiert Polizei-Sprecher Kai Siebenäuger. Für Anwohner ein ernüchterndes Fazit, denn das Problem erstreckt sich nicht nur auf den Bereich, in dem Tempo 70 vorgeschrieben ist.

Sorge um Kinder auch in Oberkaina selbst

Bereits in Oberkaina, wo es richtige Ortsschilder gibt und folglich Tempo 50 gilt, herrsche viel mehr Verkehr, unter anderem begünstigt durch den neuen Edeka-Einkaufsmarkt, der im November 2020 eröffnet hat, da auch viele aus dem Umland diesen nutzen, sagt Anwohnerin Susanne Anders. Wenn sie in den Markt will und über die B96 muss, fühle sie sich überhaupt nicht sicher, und das trotz der vorhandenen Verkehrsinsel.

1997 ist sie mit ihren Eltern nach Oberkaina gezogen. Seitdem sei es wesentlich mehr Verkehr geworden, der durch den Ort fährt. „Die Autos kommen zum Teil angeschossen“, beschreibt Susanne Anders ihre Eindrücke. „Auch an der Kreuzung steht man manchmal ewig und muss warten, weil so viel Verkehr ist.“ Mittlerweile ist sie selbst Mutter und die Sorge wächst, dass doch mal etwas passiert.