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Leitet Rechtsextremist Schul-AG in Bautzen? Schule prüft Vorwurf

AfD-Stadtrat Paul Neumann bäckt mit Kindern an einer Bautzener Oberschule - obwohl er rechtsextreme Organisationen unterstützt. Das stößt auf Kritik.

Von David Berndt
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Bäcker Paul Neumann aus Bautzen ist AfD-Stadt- und Kreisrat sowie für ein Ganztagsangebot rund ums Backen an der Allende-Oberschule verantwortlich. Wegen seiner Nähe zur als rechtsextremistisch eingestuften Jungen Alternative wird das jetzt geprüft.
Bäcker Paul Neumann aus Bautzen ist AfD-Stadt- und Kreisrat sowie für ein Ganztagsangebot rund ums Backen an der Allende-Oberschule verantwortlich. Wegen seiner Nähe zur als rechtsextremistisch eingestuften Jungen Alternative wird das jetzt geprüft. © Steffen Unger

Bautzen. Das Angebot klingt harmlos: „Wir wollen gemeinsam Brotchips, Buchteln, Weihnachtsplätzchen, Vogelhochzeitsgebäck und Gemüsesnacks backen“, heißt es in der Beschreibung des GTA „Die Backstube“. Das Kürzel GTA steht für Ganztagsangebot, eine Schul-AG als Ergänzung zum regulären Unterricht.

Trotzdem stößt das Angebot an der Bautzener Allende-Oberschule nun auf deutliche Kritik. Der Trägerverbunt, ein Netzwerk lokaler Initiativen für Demokratie und Toleranz, warnt vor einer rechtsextremen Unterwanderung. Dabei geht es nicht um den Inhalt des GTA, sondern um den Mann, der das Angebot leitet. Dieser sei "bereits durch seine Nähe zur Identitären Bewegung aufgefallen", er sei als Stadtrat und Kreisrat für die AfD aktiv und bei der Jungen Alternative (JA) engagiert, der Jugendorganisation der Partei.

Ende April stuften das Bundes- und das Landesamt für Verfassungsschutz die JA als rechtsextremistisch ein. Es gehe der Jungen Alternative "nicht um den politischen und gesellschaftlichen Diskurs", sagte Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) zur Begründung. Demokratiefeindliche Äußerungen und Hetze gegen Menschen mit Migrationshintergrund zeugten von den tatsächlichen Zielen der Organisation.

Die Identitäre Bewegung, die sich ebenfalls vor allem an Jugendliche und junge Erwachsene richtet, wurde bereits 2019 als rechtsextrem eingestuft - wegen rassistischer und demokratiefeindlicher Positionen.

Trägerverbunt: Schulen dürfen keine Plattform für Rechtsextremisten bieten

Der Trägerverbunt kürzt den Namen des GTA-Verantwortlichen in seiner Erklärung mit P.N. ab. Die Buchstaben stehen für Paul Neumann. Der gelernte Bäcker arbeitet im Bautzener Betrieb seines Vaters. 2019 wurde er für die AfD in den Stadtrat und den Kreistag von Bautzen gewählt. Ob Paul Neumann der Jungen Alternative angehört, steht allerdings nicht fest. Eine Anfrage dazu beantworteten weder er noch die JA.

Beiträge in Social-Media-Kanälen zeigen aber, dass Neumann die Organisation unterstützt und ihr nahesteht. So war er im März 2023 dabei, als in der Jugendherberge Bautzen ein Oberlausitzer JA-Verband gegründet wurde. Auf einem Foto steht er demonstrativ an der Seite des neuen JA-Regionalvorstands. Der sächsische Jugendherbergsverband distanzierte sich später von der Veranstaltung. Jugendherbergen seien demokratische Orte und stünden für Toleranz und Vielfalt.

Bereits im September 2021 postete die JA: „Stammtisch nach getaner Arbeit, einem eigenen Infostand und der Unterstützung der Bautzener AfD“. Mit einem Bild, das Neumann im Kreise von JA-Mitgliedern zeigt. Auf dem Instagram-Kanal der JA Sachsen taucht Paul Neumann ebenfalls auf einem Gruppenbild von Mai 2022 auf. „Mit etwa 30 Mitgliedern“ habe man ein Wochenende in der Oberlausitz anlässlich der JA Sachsen-Akademie verbracht.

Zudem gilt Paul Neumann mindestens seit 2019 als Sympathisant der Identitären Bewegung (IB). Das wurde damals von Stadträten anderer Fraktionen kritisiert. Neumann trat mehrfach bei Aktionen der IB auf und trug auf Bildern zum Beispiel ein Plakat und ein T-Shirt mit dem Symbol der Bewegung. Man könne aufgrund des Tragens eines T-Shirts nicht auf eine Mitgliedschaft in einer Bewegung schließen, behauptete er damals. Er stritt allerdings auch nicht ab, dass er die IB unterstützt.

Sympathie zeigte er auch für andere rechtsextreme Organisationen. Bei einer AfD-Kundgebung im Mai 2020 auf dem Bautzener Kornmarkt trug Neumann ein T-Shirt des Vereins „Ein Prozent“. Wegen seiner migranten- und muslim-feindlichen Haltung galt der Verein aus Dresden bereits seit 2020 als rechtsextremer Verdachtsfall, seit Kurzem ist er ebenfalls als gesichert rechtsextremistisch eingestuft.

Kultusministerium: Extremisten dürfen kein GTA anbieten

Sachsens Kultusministerium erklärt, dass die Allende-Oberschule „die Tätigkeit eines Herrn Neumann bestätigt“. Er leite das Back-GTA jetzt im zweiten Jahr. Verantwortlich für das GTA sei der Schulförderverein in Abstimmung mit der Schulleitung. Jede GTA-Konzeption werde in der Schulkonferenz vorgestellt und durch dieses Gremium bestätigt. Im konkreten Fall bestehe ein Bezug zum Fach Wirtschaft-Technik-Haushalt- Soziales.

Generell könnten Personen „mit einem erweiterten polizeilichen Führungszeugnis und einem GTA-Angebot als Honorarkraft an einer Schule tätig werden“, sagt Ministeriumssprecher Dirk Reelfs. Eine Selbstauskunft zur politischen Gesinnung sei nicht Bestandteil des Honorarvertrags. Die Schule prüfe das GTA-Angebot inhaltlich. Finanziert werden GTA mit Haushaltsgeldern des Freistaates Sachsen.

Die Mitgliedschaft in einer zugelassenen Partei sei kein Hinderungsgrund. „Die Zugehörigkeit zu einer laut Verfassungsschutz extremistischen, verfassungsfeindlichen Organisation muss hingegen personalrechtliche Konsequenzen haben“, so der Sprecher. So könne der Honorarvertrag gekündigt werden. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung und das Eintreten dafür gehörten wesentlich zum Bildungs- und Erziehungsauftrag von Schulen und müssten von den Lehrkräften und Schulleitungen gelebt werden, fügt Dirk Reelfs hinzu.

Bautzener Schulförderverein prüft das GTA mit Paul Neumann

Monika von Broen, die Leiterin der Allende-Oberschule, verweist ebenfalls auf das eintragsfreie polizeiliche Führungszeugnis. "Dass Herr Neumann einer als rechtsextremistisch eingestuften Organisation angehört, ist uns nicht bekannt, und der Förderverein ist auch nicht in der Lage, dies zu prüfen", sagt sie. Der Förderverein werde zu diesen Vorwürfen das Gespräch mit dem Bäcker suchen und dann in einer Sitzung über das weitere Vorgehen entscheiden.

Gänzlich unbekannt dürfte Neumanns politischer Hintergrund der Schulleiterin allerdings nicht sein. Ihr Mann Eugen von Broen war mehrere Jahre im Kreisvorstand der AfD in Bautzen aktiv und arbeitete für einen Bundestagsabgeordneten.

Der Trägerverbunt fordert Konsequenzen: Schulen sollten sich ihrer Verantwortung bewusst werden und sicherstellen, dass sie keine Plattform für rechtsextreme Akteure bieten, heißt es. Das Netzwerk stehe bereit, um Schulen und andere Einrichtungen zu beraten und zu unterstützen.

Die Stadt Bautzen sieht vorerst keinen Grund , aktiv zu werden. Sie ist zwar Träger der Allende-Oberschule, sei als solcher aber nicht für die GTA-Organisation zuständig, sondern allein für den äußeren Schulbetrieb. Bautzens Oberbürgermeister Karsten Vogt (CDU) sagte am Freitag: Er wolle sich "nicht an Spekulationen beteiligen". Die Prüfung dieser Sache liegt beim Schulförderverein. "Insofern es verfassungsrechtliche Annahmen im konkreten Projekt des Ganztagsangebotes an der Allende-Oberschule gibt, werden wir diesen nachgehen", so Vogt.