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Holschas altes Gasthaus hat einen Retter gefunden

In der 600-jährigen Geschichte des Gebäudes beginnt ein neues Kapitel. Auf den Käufer wartet viel Arbeit, aber auch ein Haus mit einigen Besonderheiten.

Von Uwe Menschner
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Jörg Zimmer von der Wertstein Immobiliengesellschaft freut sich: Er hat einen Käufer für das frühere Holschaer Gasthaus gefunden.
Jörg Zimmer von der Wertstein Immobiliengesellschaft freut sich: Er hat einen Käufer für das frühere Holschaer Gasthaus gefunden. © Uwe Menschner

Neschwitz. Gesehen haben es sicher schon viele: An der als Raserpiste verrufenen Ortsdurchfahrt des Neschwitzer Ortsteils Holscha im Zuge der B96 erhebt sich auf der - von Bautzen kommend - rechten Seite ein zweigeschossiges Fachwerkhaus. Bereits im Vorbeifahren kann man leicht erkennen, dass es seine besten Zeiten längst hinter sich hat. Oder vielleicht doch nicht? Denn: In der mehr als 600-jährigen Geschichte des Hauses beginnt genau jetzt ein neues Kapitel.

„Es ist uns gelungen, einen Käufer dafür zu finden“, erklärt Jörg Zimmer von der in Dresden ansässigen Wertstein Immobiliengesellschaft. Und die Freude darüber kann man ihm deutlich ansehen, handelt es sich doch bei dem Gebäude mit der Hausnummer 12 für ihn nicht um ein x-beliebiges Objekt.

Ein Gebäudeteil ist eventuell älter als der Ort selbst

Das Haus hat über Jahrhunderte eine wichtige Funktion an der Straße zwischen Bautzen und Hoyerswerda erfüllt, denn es diente einst als Gasthaus des Ortes Holscha. Niemand hat die Kaufleute und ihre Gehilfen gezählt, die mit ihren Pferdefuhrwerken hier, eine gute Tagesreise von ihrem Ziel entfernt, Station machten. „Das aus Feldsteinen gemauerte Erdgeschoss mit dem granitenen Türgewände stammt wohl noch aus der Zeit der ersten Erwähnung des Hauses, also aus dem 14. Jahrhundert“, berichtet der Immobilienmakler von seinen Recherchen.

Damit ist dieser Gebäudeteil möglicherweise sogar älter als der Ort Holscha selbst, der 1400 erstmals erwähnt wurde, und das ursprüngliche Haus stand vielleicht in seinen ersten Jahren allein auf freier Flur. Das prägende Fachwerk-Obergeschoss erhielt das Haus hingegen erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Fachwerkhäuser gehören in diesem Teil der Oberlausitz nicht zu den dominierenden Merkmalen der Ortsbilder. Nur vereinzelt findet man sie, und wenn, dann gelten sie als wertvolle Kleinode. So wie beispielsweise das Scharfrichterhaus von Lissahora, das gegenwärtig nur drei Kilometer von Holscha entfernt, auf dem Lugaer Totenberg, neu aufgebaut wird.

Neuer Eigentümer will im Haus wohnen und arbeiten

Das Holschaer Fachwerkhaus verrichtete seinen Dienst als Gasthaus bis 1945. Danach lebten mehrere Generationen der Eigentümerfamilie in ihm, wobei die Zahl der Bewohner kontinuierlich abnahm: 1980 waren es noch acht, bis 1991 fünf und bis 1996 drei. Der letzte Bewohner starb 2019, danach stand das frühere Gasthaus leer. „Als Käufer kommen für so ein Objekt eigentlich nur Liebhaber infrage, die genau so ein Haus suchen“, erklärt Jörg Zimmer.

Und ein solcher hat es nun auch tatsächlich erworben, erst vor wenigen Tagen wurde der Kaufvertrag notariell beurkundet. „Er lebt in den alten Bundesländern und will dieses Gebäude für Wohnzwecke nutzen. Auch arbeiten will er künftig von Holscha aus“, kann der Makler nach Absprache mit dem neuen Eigentümer berichten. Zunächst werde er wohl nur einige Räume zur Eigennutzung herrichten, für die Gesamtsanierung freilich braucht er wesentlich mehr Zeit.

Backofen reichte in die Stube hinein

Denn: Das frühere Holschaer Gasthaus ist groß. Wenn man es von außen sieht, glaubt man gar nicht, wie riesig es sich im Inneren präsentiert. Im Erdgeschoss befanden sich unter anderem die Gaststube und daran angrenzend das Backhaus mit dem noch heute vorhandenen, zwischenzeitlich elektrifizierten Backofen. Dieser reichte in die Stube hinüber und bot möglicherweise den Kutschern eine wohl temperierte Schlafgelegenheit. Ein Granitbecken mit nicht mehr funktionstüchtiger Schwengelpumpe erinnert an die hygienischen Gegebenheiten früherer Tage.

Zu den Besonderheiten zählt auch ein nur wenige Zentimeter in die Wand eingelassener weiß gestrichener Holzschrank, der wohl früher einmal zur Aufbewahrung leicht verderblicher Lebensmittel diente. „Solche Details sind es, die so ein Haus zu etwas Besonderem machen und ihm sein Flair verleihen“, meint Jörg Zimmer.

Im Obergeschoss gehen vom Flur beidseitig die Türen zu den Gästezimmern ab, auch die Wohnräume des Eigentümers befanden sich hier. Das Interieur stammt größtenteils aus DDR-Zeiten. Der Dachboden präsentiert sich mit lückenhafter Dielung, der Dachstuhl scheint intakt. Alles in allem dürfte es für den neuen Eigentümer viel Arbeit geben, um das Gebäude wohnlich herzurichten.

Im Obergeschoss gibt es teilweise bereits neue Fenster, während im Erdgeschoss die ursprünglichen Holzfenster noch vorhanden sind. Behutsam saniert, kann das frühere Holschaer Gasthaus zweifellos zu einem Blickfang werden.